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Polen
Die Ministerpräsidentin hat das Wort

Die polnische Ministerpräsidentin Beata Szydlo (PiS) verteidigt heute vor dem EU-Parlament in Straßburg ihre Regierungspolitik. Kritiker sehen sie als Erfüllungsgehilfin von Jaroslaw Kaczynski – dem Chef der nationalkonservativen PiS. Was ist dran an diesem Vorwurf?

Von Florian Kellermann | 19.01.2016
    Die polnische Ministerpräsidentin Beata Szydlo
    Die polnische Ministerpräsidentin Beata Szydlo (Radek Pietruszka, dpa picture-alliance)
    Noch vor der Parlamentswahl im Oktober sagte Jaroslaw Kaczynski einen später oft zitierten Satz. Der Vorsitzende der rechtskonservativen Partei "Recht und Gerechtigkeit", kurz PiS, äußerte sich zur damaligen Spitzenkandidatin seiner Partei Beata Szydlo.
    "Wenn meine Kollegin eine gute Ministerpräsidentin sein wird, dann sind ihr vier Jahre garantiert."
    Und wer wird das beurteilen, wollte der Journalist wissen.
    "Die Parlamentsmehrheit, also die PiS-Fraktion, wie ich hoffe,"
    antwortete Kaczynski. Damit stellte der Parteivorsitzende die Machtverhältnisse fest. Denn in Warschau ist es ein offenes Geheimnis, dass die PiS-Fraktion vor allem auf ihn hört.
    Beobachter haben keinen Zweifel: Jaroslaw Kaczynski kann die Ministerpräsidentin stürzen, wann immer er das für richtig hält. Und das mache Beata Szydlo abhängig, meint Marek Ostrowski vom regierungskritischen Politmagazin ''Polityka":
    Ein Kabinett, das sie nicht zusammengestellt hat
    "Bei technischen Entscheidungen innerhalb der Ministerien ist sie sicher selbstständig. Das gilt aber nicht für die wichtigsten Fragen. Sehen wir uns das gerade erschienene Interview von Jaroslaw Kaczynski in der Zeitung 'Rzeczpospolita' an. Er skizziert die strategische Position Polens. Die Regierungschefin hat sie noch nie auf ein solches Abstraktionsniveau begeben. Nicht sie gibt vor, wie sich das Land entwickeln soll oder wie es sich außenpolitisch aufstellt."
    Beata Szydlo steht einem Kabinett vor, das nicht sie zusammengestellt hat. Als die Partei die Ministerposten verteilte, war sie daran nicht beteiligt. Sie müsse sich erholen, so die offizielle Erklärung. Als Ohrfeige für Beata Szydlo interpretierten Kommentatoren auch den Besuch des ungarischen Ministerpräsident Viktor Orban vor zwei Wochen in Polen. Orban redete sechs Stunden lang mit Jaroslaw Kaczynski, der Regierungschefin stattete er nicht einmal einen Höflichkeitsbesuch ab.
    Beata Szydlo äußerte sich dazu nicht. Doch immer wieder ordnete sie sich immer wieder offen Jaroslaw Kaczynski unter, so nach der Präsidentenwahl im Mai. Szydlo war Wahlkampfleiterin des PiS-Kandidaten und heutigen Staatsoberhauptes Andrzej Duda. Trotzdem sagte sie:
    "Natürlich haben alle Parteiorgane diese Entscheidung bestätigt, aber es war Jaroslaw Kaczynski, der auf Andrzej Duda gesetzt hat. Sein politisches Genie hat es fertig gebracht, dass Andrzej Duda zum Präsidenten gewählt wurde."
    Die umstrittenen Gesetze nicht aktiv genug verteidigt?
    Auch Beata Szydlo selbst verdankt Kaczynski viel. Bevor sie Spitzenkandidatin wurde, hatte sie sich vor allem als Bürgermeisterin ihrer Heimatstadt Brzeszcze verdient gemacht, einer Bergarbeiterstadt mit knapp 12.000 Einwohnern. Als Parlamentsabgeordnete kümmerte sie sich vor allem um Wirtschaftspolitik.
    Zuletzt allerdings trübte sich das Verhältnis zwischen Kaczynski und Szydlo. Medien berichten unter Berufung auf PiS-Politiker, der Parteichef soll damit gedroht haben, die Regierungschefin abzusetzen. Sein angeblicher Vorwurf: Sie habe die umstrittenen Gesetze, die die PiS-Mehrheit im Parlament im Eiltempo verabschiedete, nicht aktiv genug gegen Vorwürfe verteidigt.
    In der Sache jedoch ließ Szydlo nie Zweifel daran aufkommen, dass sie mit dem Kurs der Partei zufrieden ist. Vor dem heutigen Besuch im EU-Parlament sagte sie:
    "Die Debatte wird eine Gelegenheit dafür sein, von den guten Veränderungen zu berichten, die in Polen vonstatten gehen. Ich werde darüber sprechen, dass Polen ein wunderbarer Staat ist, der sich entwickelt, dass die Menschen würdig leben wollen und ein Recht darauf haben. Wir setzen unser Programm eines guten Wandels gemeinsam mit den Bürgern um."
    Weit mehr dürften die EU-Parlamentarier allerdings das gestern erschienene Interview von Jaroslaw Kaczynski beachten. Es sei "nicht im mindesten sinnvoll", sich über das gegen Polen eingeleitete Verfahren der EU-Kommission Sorgen zu machen, sagte der Politiker. Denn über mögliche Sanktionen gegen Polen werde am Ende der EU-Rat entscheiden, der in dieser Frage nicht einig sein werde. Damit spielte Kaczynski auf die Versicherung des ungarischen Premier Orban an, Sanktionen gegen Polen nicht zu unterstützen. Orban hatte sie kurz nach seinem Treffen mit Kaczynski abgegeben.