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Polen
Die Ruhe nach dem Veto

Die Aufregung nach dem Einspruch des polnischen Präsidenten währte nur kurz. Für die Regierungspartei PiS ist sein Veto gegen einen Teil der Justizreform Beweis für eine lebendige Demokratie - aber die Reform werde so oder so kommen. Dabei kann sie auf ihre Basis in Posen zählen.

Von Jan Pallokat | 11.08.2017
    Protestanten am 24.07.2017 vor dem Präsidentenpalast in Warschau schwenken Plakate und fordern von Präsident Duda ein drittes Veto gegen die Justizreform.
    Das Veto des Präsidenten gegen Teile der Justizreform war offenkundig im Alleingang und ohne Absprache mit der PiS-Spitze eingelegt (dpa/Jan A. Nicolas)
    Die Messestadt Posen ist für die Regierungspartei PiS ein schwieriges Pflaster. Posen lebt nicht zuletzt von deutschen Investitionen. Anders als in Warschau erzielte die PiS hier im Westen keine Mehrheit, und die Proteste gegen die Justizreform auf dem Freiheitsplatz gehörten zu den prägnantesten im ganzen Land.
    Am Bahnhof hat die Opposition auf einem riesigen Plakat die drei örtlichen Abgeordneten der PiS aufgehängt, die allesamt für die Zerschlagung des Obersten Gerichts votiert haben. "Wir werden uns daran erinnern", steht da - es klingt wie eine Drohung
    "Ja, ja, das erste Plakat mit mir als aktivem Politiker hat die Opposition aufgehängt", sagt Szymon Szynkowski vel Sęk, einer der drei vom Plakat-Pranger, und verspottet die Aktion als kostenlose Werbung. Der 35-Jährige empfängt in den Abgeordnetenbüros der Posener PiS, etwas versteckt in einem Hinterhof im Stadtzentrum. Aber verzagt wirkt er nicht. Das Veto des Präsidenten gegen Teile der Justizreform, offenkundig im Alleingang und ohne Absprache mit der PiS-Spitze eingelegt, hatte kurzfristig für Wirbel gesorgt in der Kaderpartei Kaczynskis. Inzwischen aber scheint Ruhe erste Abgeordneten-Pflicht.
    "Diese Reform ist notwendig"
    Mal sehen, was kommt, sagt auch Szynkowski. Noch etwa anderthalb Monate bleiben dem Präsidenten bis zur Vorlage des versprochenen Kompromissvorschlags in Sachen Justiz. Könnte der Duda-Vorschlag die PiS am Ende spalten, die Kompromissbereiten und die Unbeugsamen um Parteichef Kaczynski?
    "Unwahrscheinlich. Die allgemeine Überzeugung, dass diese Reform notwendig ist, ist zu groß. Wenn ein Politiker dazu beitragen würde, dass sie gar nicht kommt - und eine Spaltung hieße, sie kommt nicht - dann würde er eine sehr große Verantwortung tragen."
    Szynkowski, der auch Vorsitzender der deutsch-polnischen Parlamentariergruppe ist, bedauert, dass sich das nachbarschaftliche Klima in den letzten Wochen verdüstert habe. Er bemängelt eine seiner Meinung nach voreingenommene Berichterstattung in deutschen Medien.
    Es würde ausnahmslos kritisch über die Justizreform berichtet, aber ohne die Regierungsseite überhaupt zu Wort kommen zu lassen, behauptet er. Hört endlich auf, uns zu bevormunden und wie arme, dumme Cousins zu behandeln, ruft er den Deutschen zu:
    "Besser mal zuhören, als immer nur reden!"
    Eine Haltung, die ankommt, auch bei jüngeren Posener PiS-Unterstützern wie Natalia Janikowska. Ein Teil ihrer Familie wohnt in Pforzheim, aber alle haben PiS gewählt, "natürlich", sagt die frühere Pfadfinderin:
    "Meine Generation ist in Freiheit aufgewachsen und hat nie Unterdrückung erlebt. Aber wir wollen unser Vaterland unterstützen und unsere Werte hier, und die PiS steht dafür, für das, was hier geschieht, aber sie ist auch offen für Europa. Sie unterstützt zum Beispiel Kinder und junge Familien."
    Mit seinem Veto hat der Präsident auch bei den Jungen gepunktet
    Patriotisch sei die PiS, nicht "nationalistisch", betont die junge Frau:
    "Moderner Patriotismus bedeutet, das eigene Land zu unterstützen und sich nicht dafür zu schämen. Offen zu sein für andere Kulturen, aber sich dessen bewusst sein, was wir selbst können und schätzen."
    Mit seinem Veto hat Präsident Duda bei der jungen PiS-Sympathisantin gepunktet. Sie widerspricht dabei ausdrücklich Parteichef Kaczynski, der von einem schweren Fehler Dudas gesprochen hatte:
    "Für mich war das kein Fehler. Er hat vielmehr bewiesen, dass er der Präsident aller Polen ist."
    An eine drohende Spaltung im rechten Lager glaubt sie allerdings auch nicht:
    "Ich denke nicht, dass es dazu kommen wird. Die Opposition misst der ganzen Sache zu viel bei. Der Präsident hat einfach getan, was er zu tun hatte. Als Anwalt kennt er sich aus. Nicht auf Druck von der Straße hin, sondern auf Grund der Gespräche mit Experten. Daraus entsteht keine neue Bewegung. Es bleibt weiterhin ein Präsident der PiS. Er hat nur gezeigt, dass er selbständig ist, nicht alles unterschreibt, kein Grüßaugust. ist wie sein Vorgänger Komorowski. Bei der nächsten Wahl werde ich bestimmt für ihn stimmen."
    Im Abgeordnetenbüro der PiS ist der junge Abgeordnete Szynkowski nicht ganz so begeistert. Ich teile Dudas Zweifel an der Justizreform nicht, sagt er. Aber er nehme sie zur Kenntnis. Und wenn am Ende ein Duda-Vorschlag steht, der nicht den Gefallen der Parteispitze findet? Dann, sagt der Abgeordnete, wird in der Fraktion beraten. Fraktionsdisziplin aber sei wichtig in der Politik. Ohne sie gebe es alle drei Monate Neuwahlen.