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Polen
Erinnerungen an jüdische Erfinder, Künstler und Industrielle

Gliwice will Ende des Jahres ein Museum zur Geschichte deutscher Juden eröffnen. Diese wirkten in der oberschlesischen Stadt stark mit ihren Ideen: So kam der Erfinder der Nivea-Creme von dort. Doch auf Unterstützung aus Deutschland für ihr Vorhaben warten die Initiatoren noch vergeblich.

Von Jan Opielka | 29.03.2015
    Platz mit Brunnen vor dem Rathaus (r) des polnischen Gliwice (Gleiwitz)
    Platz mit Brunnen vor dem Rathaus (r) des polnischen Gliwice (Gleiwitz) (picture alliance / dpa / Lars Halbauer)
    Auf dem Außengelände des jüdischen Begräbnishauses in Gliwice geht der Bau voran. Die Arbeiter richten gerade die Wege rund um das im neogotischen Stil errichtete Bauwerk, das direkt an den jüdischen Friedhof angrenzt. Im Innern des rund 600 Quadratmeter großen Baus mag man indes kaum glauben, dass die Eröffnung des hier geplanten Museums samt Bildungsstätte für Ende 2015 geplant ist. Die Glasfenster sind noch nicht eingesetzt, Deckenverzierungen und die Polychromie an den Wänden warten auf ihre Restaurierung. Bozena Kubit, verantwortlich für das museale Konzept, zeigt dennoch voller Vorfreude die geplanten Bestandteile der Einrichtung:
    "Im Museumsteil werden wir die Geschichte der oberschlesischen Juden seit dem Mittelalter bis zur Neuzeit zeigen. Es ist schön, dass wir es in diesen Räumen tun können, denn es ist eines der größten jüdischen Begräbnishäuser in Polen."
    Grzegorz Krawczyk, der 50-jährige Direktor des städtischen Museums, hat bislang vergeblich Unterstützung für das neue Museum samt Bildungsstätte gesucht.
    "Der Stadtpräsident von Gliwice hat eine entsprechende Anfrage an einige Dutzend Organisationen und Institutionen in Deutschland und anderen Ländern gerichtet, die sich mit jüdischer Thematik befassen. Zur Frage einer finanziellen Unterstützung gab es keine einzige positive Rückmeldung. Dennoch haben wir erste vorsichtige Signale etwa vom Jüdischen Museum in Berlin, bei Projekten zusammenzuarbeiten. Denn ich kann mir gar nicht vorstellen, diese Einrichtung zu führen, ohne deutsche Partner einzubeziehen."
    Wenig finanzielle Unterstützung
    Auch im Inland wurden Mittel beantragt, doch auch hier gab es bislang Absagen. Lediglich die Dauerausstellung wird vom polnischen Ministerium für Nationales Erbe finanziert, die Baukosten von knapp zwei Millionen Euro trägt hingegen die Stadt. Das 180.000 Einwohner zählende und wirtschaftlich gut aufgestellte Gliwice dürfte diese Investition ohne Mühe schultern. Ohnehin versucht die Stadt derzeit mit etlichen Investitionen zur 30 Kilometer entfernt gelegenen, regionalen Hauptstadt Katowice aufzuschließen.
    Hier in Katowice gibt es kein jüdisches Museum. Doch Wlodzimierz Kac kann viele Namen von Juden aus der Region nennen. Kac ist Vorsitzender der jüdischen Konfessionsgemeinde, deren Büro die Anliegen von gut 100 Juden aus der Region vertritt. Auch dem engagierten Ehrenamtler fällt das Desinteresse von deutscher Seite am jüdischen Erbe der Region ins Auge – dabei ginge es Kac gar nicht um das Finanzielle:
    "Es ist traurig, denn es gibt etwa bei unterschiedlichen Jahrestagen keine Vertreter von deutscher Seite, die zum Beispiel zu den Gräbern deutsch-jüdischer Soldaten kommen würden, die im Ersten Weltkrieg fielen. Dabei fühlten sich einst diese deutschen Juden mehr mit Deutschland verbunden, als mit den Juden aus dem Osten oder Russland. Dennoch sind es heute polnische Juden und andere Polen, die aus dem Osten herzogen, sowie die Schlesier aus dieser Region, die nun das Erbe der deutschen Juden entdecken."
    Mehrere deutsch-jüdische Nobelpreisträger
    Kac verweist gerne auf vier jüdisch-deutsche Nobelpreisträger, die aus der Region stammten, darunter Maria Goeppert-Mayer und Otto Stern, beide Physiker. Und er betont die heutige Rolle polnischer Privatleute, Vereine und Stiftungen, die das neue Museum in Gliwice mit initiiert hätten. Eine dieser Organisationen ist Brama Cukermana. Piotr Jakowenko ist einer ihrer Aktiven, er arbeitet zugleich als Grafiker in einem dreiköpfigen Team, das für die visuelle Gestaltung der Dauerausstellung verantwortlich zeichnet.
    "Das Hauptaugenmerk der Dauerausstellung wird auf dem Beitrag der oberschlesischen Juden in die Entwicklung der Region liegen. Denn sie beförderten maßgeblich die hiesige Schwerindustrie, den Bau der Städte und hatten großen Beitrag in Literatur und Kunst."
    Heute gibt es in dem seit 1934 im Zentrum von Gliwice ansässigen städtischen Museum einen Workshop für Kinder. Die Kleinen wissen noch nicht, dass die im Renaissancestil errichtete Villa, das heutige Museum, einst dem deutsch-jüdischen Industriellen Oscar Caro gehörte. Nur ein paar Straßen weiter lebte die jüdische Familie Troplowitz, ihr Sprössling Oscar Troplowitz ging von hier aus nach Hamburg, wo er den Beiersdorf-Konzern aufbaute und die Nivea-Creme erfand. Immer mehr Nachfahren von solch bekannten und weniger bekannten Juden, sagt Museumsdirektor Grzegorz Krawczyk, suchen hier ihre Spuren.
    "Die Hilfe bei dieser Ahnensuche wird natürlich auch ein Bestandteil der Arbeit des neuen Museums im ehemaligen Begräbnishaus sein. Es ist unsere menschliche Pflicht gegenüber diesen Menschen. Denn es ist ihre Geschichte, genauso wie es jetzt unsere Geschichte ist."