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Polen
Mit Wölfen gegen die afrikanische Schweinepest

Etwa 2.000 Wölfe gibt es in Polen. Nicht jedem gefällt das. Aber der Nutzen durch die Tiere überwiegt. Derzeit sind sie eine Hilfe gegen die afrikanische Schweinepest - indem sie Jagd auf Wildschweine machen.

Von Florian Kellermann | 14.09.2018
    Drei Wölfe (Canis Lupus Lupus), aufgenommen am 18.01.2017 in einem Gehege des Biotopwildpark Anholter Schweiz in Isselburg (Nordrhein-Westfalen).
    Ein Wolf hat in diesem Sommer in Polen zum ersten Mal seit fast 100 Jahren Menschen angegriffen. Kein typisches Verhalten für die menschenscheuen Tiere. (dpa / picture-alliance / Bernd Thissen)
    Der Chefredakteur einer polnischen Jägerzeitung veröffentlichte auf Facebook eine Horrorgeschichte: Wölfe hätten in Westpommern zwei Jungen angefallen, nur deren Knochen seien übrig geblieben. Eine erfundene Geschichte, stellt sich heraus. Die Begründung: Er habe die Menschen warnen wollen, so der Mann, der die Forderung der Jägerlobby unterstützt, Wölfe wieder zu bejagen. Auch der Abgeordnete der Bauernpartei PSL, Mieczyslaw Kasprzak, erklärte im Parlament:
    "Ich habe ein ernsthaftes Problem mit Wölfen. In manchen Gegenden wollen die Kinder schon nicht mehr in die Schule gehen. Die Wölfe kommen immer näher an die Bauernhöfe heran, sie spazieren über die Straßen - und bald kann es zum Drama kommen."
    Tatsächlich hat ein Wolf in diesem Sommer zum ersten Mal seit fast 100 Jahren in Polen Menschen angegriffen. Zwei Kinder wurden gebissen. Die Biologin Sabina Nowak, Vorsitzende des Naturschutzvereins mit dem Namen "Wolf", erklärte:
    "Er hatte abgewetzte Krallen - so sehr, dass er wohl viele Wochen oder Monate auf Beton gelaufen sein muss. Möglicherweise wurde er gefangen gehalten. Außerdem richten manche Anwohner hier Plätze ein, wo wilde Tiere gefüttert werden - damit Touristen sie dann fotografieren können."
    Ihre Vermutung: Dieser Wolf sei erzwungenermaßen an die Nähe von Menschen gewöhnt worden. Er habe die Nahrungsbeschaffung mit der Nähe von Menschen assoziiert.
    Normalerweise meiden Wölfe den Menschen
    Im Normalfall würden Wölfe Menschen meiden, Bewohner in bewaldeten Gegenden sollten Ruhe bewahren, appellieren die Tierschützer. Die meisten Polen verstünden das, meint Robert Myslajek, der an der Universität Warschau über die Verbreitung der Tiere forscht:
    "Die Wölfe wurden in Polen nie völlig ausgerottet. Es gab ununterbrochen eine Koexistenz zwischen Wolf und Mensch. Allerdings durfte unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg jeder Wölfe jagen. Deshalb überlebten sie nur im Osten, in den Karpaten und den Steppen. Seit 1998 sind die Wölfe eine geschützte Art. Seitdem kehren sie auch in ihre angestammten Reviere in Westpolen zurück."
    Von dort stammen auch die allermeisten Wölfe in Deutschland. In Polen gibt es heute wieder rund 2.000 Wölfe. Noch etwa zehn Jahre werde es dauern, bis sie ihren größtmöglichen Bestand erreicht haben, meint der Forscher. Dann sei die Population auch in den Wäldern Westpolens gesättigt. Myslajek sieht sogar eine ganz besondere Beziehungen zwischen den Polen und dem Wolf:
    "Der Wolf, das Symbol für die sogenannten verfemten Soldaten, die nach dem Zweiten Weltkrieg als Partisanen gegen die kommunistischen Machthaber kämpften. Und in Ostpolen gibt es eine Kapelle, wo eine Wolfsfigur als Heiligtum verehrt wurde."
    Für die Landwirte bringen die Wölfe Vor- und Nachteile, rechnet Myslajek vor: Die Regierung müsse die Bauern entschädigen, wenn Wölfe deren Tiere rissen. Allerdings ernährten sich die Wölfe unter anderem von Bibern, die in der Landwirtschaft wesentlich größere Schäden verursachen. Und mit ihrer Jagd auf Wildschweine trügen die Wölfe dazu bei, dass sich die afrikanische Schweinepest langsamer verbreite.
    In Polen stünden also nicht nur - in Anführungszeichen - "linke Naturschützer" auf der Seite der Wölfe, so das Fazit des Wolfsforschers.