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Polen
Proteste gegen Regierungskontrolle der Justiz

Die polnische Regierungspartei PiS bringt seit Ende 2015 nach und nach die Gerichte im Land unter ihre Kontrolle. Zuerst legte sie das Verfassungsgericht lahm, um es dann mit Richtern zu bestücken, die ihr gegenüber loyal sind. Nun macht sich die PiS an die ordentliche Gerichtsbarkeit. Das ruft Widerstand hervor.

Von Florian Kellermann | 16.07.2017
    Proteste in Warschau vor dem Präsidentenpalast gegen die umstrittenen Justizreformen der nationalkonservativen polnischen Regierung.
    Proteste in Warschau vor dem Präsidentenpalast gegen die umstrittenen Justizreformen der nationalkonservativen polnischen Regierung. (dpa / picture alliance / Stach Leszczynki)
    Die Initiative für die Proteste ging von Bürgerinitiativen aus, Oppositionsparteien schlossen sich. "Wir werden die Demokratie verteidigen", skandieren die Versammelten. Denn in einer Blitzaktion hat die rechtskonservative Regierungspartei PiS in dieser Woche zwei Gesetze verabschiedet. Sie führen dazu, dass die Regierung bei der Ernennung und Beförderung von Richtern de facto das letzte Wort haben wird, zudem kann der Justizminister Gerichtspräsidenten beliebig berufen und abberufen.
    Doch mit einem dritten Gesetzesprojekt, das seit Donnerstag im Parlament liegt, geht die Regierung noch einen Schritt weiter. Bei der Demonstration heute vor dem Parlament sagte Krzysztof Lozinski, Vorsitzender des Komitees zur Verteidigung der Demokratie:
    "Wir haben es hier mit der Abschaffung des Rechtsstaats zu tun. Der Justizminister, der in Amtseinheit Generalstaatsanwalt ist, soll Richter ernennen können. Da ist doch klar, dass Angeklagte vor Gericht keine Chance haben. Damit führt uns die Regierung nach und nach aus der Europäischen Union. Denn so ein Staat, wie sie ihn errichtet, widerspricht den Grundwerten, auf denen die EU geschaffen wurde."
    Das vorliegende Gesetz sieht vor, dass die Regierung das gesamte Verfassungsgericht neu besetzen. Alle Richter sollen automatisch in den Ruhestand versetzt werden. Justizminister Zbigniew Ziobro kann entscheiden, wer von ihnen doch bleiben darf. Die restlichen Stellen wird er mit Richtern seiner Wahl besetzen können, wenn sie mindestens zehn Jahre ihren Beruf ausüben.
    Wichtige Entscheidungsbefugnis für Justizminister Zbigniew Ziobro
    Polens Justizminister Zbigniew Ziobro.
    Polens Justizminister Zbigniew Ziobro. (picture alliance / dpa / Pawel Supernak)
    Für die Opposition ist das Ziel klar: Die Regierung will ihr gegenüber möglichst loyale Richter in das höchste polnische Gericht bringen. Denn es entscheide in Gerichtsverfahren, die für den polnischen Staat entscheidend seien, so Krzysztof Lozinski heute:
    "Der Oberste Gerichtshof stellt auch fest, ob bestimmte Wahlen gültig waren. Wenn Justizminister Zbigniew Ziobro die Richter ernennt, ist klar: Wahlen, die die PiS verliert, werden als ungültig gelten. Wahlen, die von der PiS gefälscht werden, werden dagegen für gültig erklärt."
    Die amtierende Vorsitzende des Obersten Gerichtshofs, Malgorzata Gersdorf, gilt als PiS-Kritikerin. Sie wehrte sich in den vergangenen Tagen gegen die Vorwürfe, die ihr aus der Regierung gemacht wurden:
    "Es ist nicht wahr, dass der Oberste Gerichtshof zu langsam arbeitet. Im Durchschnitt dauert es sieben Monate, bis wir einen Prozess abgeschlossen haben. Derzeit bearbeiten wir über 7.000 Berufungsverfahren. Unsere Arbeit ist auf höchstem Niveau."
    Die Regierung gibt sich, zumindest nach außen, gelassen gegenüber den Protesten. Sie setze nur ihr Wahlprogramm um, dazu gehöre eine Reform des polnischen Justizwesens. Am Obersten Gerichtshof soll eine neue Kammer entstehen, die sich mit Disziplinarverfahren gegen Richter befasst, erklärte Justizminister Zbigniew Ziobro:
    "Wenn ein Richter eine Straftat begeht oder sich als Richter unwürdig verhält, arrogant auftritt oder unverschämt, dann soll es unabhängiges Organ geben, in dem Personen mit hohen ethischen Standards sitzen, wo man gegen diese Richter vorgehen kann. Der Justizminister wird dort entsprechende Klagen einreichen können."
    Beobachter sind skeptisch, ob die heutige Demonstration die Regierung stoppen wird. Vor das polnische Parlament kamen zwar einige Tausend Menschen. Die Rekordzahlen vom vergangenen Jahr, als über 100.000 gegen die Reform des Verfassungsgerichts demonstrierten, wurden jedoch nicht erreicht.