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Polen
Regierung reagiert gelassen auf EU-Verfahren

Aus dem EU-Verfahren gegen Polen entstehen offenbar kaum Konsequenzen für die rechtskonservative Regierung. Ministerpräsidentin Beata Szydlo (PiS) hofft sogar darauf, dass die polnische Gesellschaft jetzt noch weiter zusammenrückt - zumindest die Wähler ihrer Partei.

Von Florian Kellermann | 14.01.2016
    Man sieht viele Fernsehmonitore in einem Geschäft in Warschau - zu sehen ist Ministerpräsidentin Beata Szydlo.
    Polens Ministerpräsidentin Beata Szydlo - hier im polnischen Fernsehen. (picture-alliance / dpa / Leszek Szymanski)
    Kein Grund zur Beunruhigung - diese Botschaft sandte die polnische Ministerpräsidentin Beata Szydlo nach der Entscheidung in Brüssel an ihre Landsleute.
    "Die EU-Kommission spricht von einer ersten Beurteilung der Situation. Polen wird also keinesfalls unter Aufsicht gestellt, wovor Oppositionspolitiker gewarnt haben. Polen führt seit langem einen Dialog mit der EU-Kommission. Ich lade alle EU-Kommissare nach Polen ein. Das wird unsere guten Beziehungen, an denen uns sehr liegt, nur noch vertiefen."
    Schon zuvor hatte Szydlo die Vorwürfe aus der EU als Missverständnis dargestellt. Der Demokratie in ihrem Land gehe es gut, sagte sie im Parlament. Als Argument führte sie die Demonstrationen gegen die Regierung an, die es seit einigen Wochen in vielen polnischen Städten gibt.
    Szydlo und andere Politiker der rechtskonservativen Regierungspartei PiS gaben zu verstehen, ihrer Ansicht nach wollten die westlichen EU-Länder mit ihrer Kritik an Warschau von eigenen Problemen ablenken.
    "Europa hat heute viel ernstere Problemen, mit denen es nicht zurechtkommt. Die PiS hat schon viel früher davon gesprochen, dass entschiedene Schritte notwendig sind. Das Problem der Immigranten und die naive Herangehensweise haben Folgen gezeigt, die viele Staaten heute verschweigen und beschämt vergessen wollen. Die Ereignisse in Deutschland sind eine Warnung an ganz Europa."
    Polnische Kommentatoren erklärten die gelassene Haltung der Regierung damit, dass sich aus dem EU-Verfahren kaum Konsequenzen für Warschau ergeben dürften. Denn diese müsste der EU-Rat letztendlich einstimmig beschließen - und hier kann Polen auf die Unterstützung aus Ungarn und aus der Slowakei zählen. Die Konfrontation mit Brüssel könne der Regierung sogar nutzen, meint der Warschauer Politologe Bartolomiej Biskup.
    "Wenn wir uns das Beispiel Ungarn ansehen: Dort haben scharfe Worte aus der EU gegen Ministerpräsident Viktor Orban die Gesellschaft stets zusammenrücken lassen. So auch hier: Die Kritik an der polnischen Regierung wird zumindest die Stammwähler der PiS konsolidieren. Diese Kritik scheint auch die Behauptung der PiS zu bestätigen, dass die polnische Opposition mit Brüssel unter einer Decke steckt."
    Die Opposition kommentierte die Brüsseler Entscheidung gestern eher vorsichtig, so Agnieszka Pomaska von der rechtsliberalen "Bürgerplattform":
    "Nun beginnt ein systematischer, rechtlich geregelter Dialog zwischen der EU-Kommission und Polen. Es ist wichtig, dass er sich auf Tatsachen und Argumente stützt - und nicht über die Medien betrieben wird oder weiterhin Botschafter, wie kürzlich der deutsche, zum Gespräch zitiert werden. Das würde die Position Polens in Europa ganz sicher nicht stärken."
    An der Politik der PiS wird sich, da sind sich die Beobachter einig, zunächst einmal nichts ändern, sagen Beobachter. Gestern kündigten wieder mehrere langjährige Mitarbeiter des öffentlichen Rundfunks, weil sie nicht unter der strengen Kontrolle der Regierung arbeiten wollen, die das neue Mediengesetz vorsieht.