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Polen
Regierung will Einfluss auf Gerichte vergrößern

Die polnische Regierung hat die Gerichte im Land ins Visier genommen. Am Mittwoch hat die Parlamentsmehrheit zwei Gesetze verabschiedet, die - so fürchtet die Opposition - die Unabhängigkeit der Richter schwächt und damit die Gewaltenteilung aushebelt.

Von Florian Kellermann | 13.07.2017
    Jaroslaw Kaczynski sitzt auf einer Abgeordnetenbank, Zbigniew Ziobro redet auf ihn ein.
    PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski spricht während der Parlamentssitzung mit Justizminister Zbigniew Ziobro. (picture alliance / dpa / Rafal Guz)
    Immer wieder hatte die rechtskonservative Regierungspartei PiS die Abstimmung über die beiden Gesetze verschoben. Gestern hob sie diese dann unerwartet auf die Tagesordnung. Aus ihrem Ziel machte sie dabei kein Hehl: den Einfluss von Parlament und Regierung auf die ordentlichen Gerichte zu erhöhen. Justizminister Zbigniew Ziobro:
    "Das System, wie in Polen Richter berufen werden, ist äußerst undemokratisch. Dieses System beruht nämlich auf dem Prinzip der Kooptierung: Die bestehenden Richter nehmen neue Richter auf. Damit wollen wir Schluss machen und demokratischen Sauerstoff in das System lassen."
    Die PiS argumentiert so: Das Parlament und die Regierung sind demokratisch gewählt. Wenn sie kontrollieren, wer Richter wird, dann handele es sich demnach um eine demokratisch legitimierte Kontrolle.
    Das erste beschlossene Gesetz betrifft den Landesjustizrat. Bisher wurde die meisten Mitglieder dort von den Richtern selbst bestimmt. Künftig soll der Rat aus zwei Kammern bestehen. Die eine wird von Politikern dominiert, in der anderen sitzen Richter, die vom Parlament gewählt werden. Die PiS bestimmt somit in beiden Kammern, wer dort das Sagen haben wird. Ein Skandal, meint Katarzyna Lubnauer von der liberalen Partei "Nowoczesna" - "Die Moderne":
    "Indem ihr den Landesjustizrat zerstört, zerstört ihr das Fundament des Rechtsstaats. Es wird nicht mehr sichergestellt sein, dass der sprichwörtliche Kowalski vor Gericht genauso behandelt wird wie jemand, der ein PiS-Parteibuch hat."
    Justizminister erhält unmittelbar großen Einfluss auf die Gerichte
    Der Landesjustizrat spielt nämlich eine wichtige Rolle bei der Ernennung von Richtern und bei Disziplinarverfahren gegen Richter. Besonders umstritten ist ein Passus im Gesetz der PiS, der die Amtszeit der amtierenden Ratsmitglieder vorzeitig beendet.
    Das zweite Gesetz gibt dem Justizminister unmittelbar großen Einfluss auf die Gerichte. Er wird, sobald das Gesetz in Kraft getreten ist, Gerichtspräsidenten eigenmächtig berufen und abberufen können. Für die Opposition heißt das: Zbigniew Ziobro wird seine Günstlinge in wichtige Positionen hieven. Arkadiusz Myrcha von der rechtsliberalen "Bürgerplattform":
    "Die Änderungen ähneln denen, die ihr in der Staatsanwaltschaft eingeführt habt. Hier habe ich das Foto das Landesstaatsanwalts, der vor der PiS-Parteizentrale in seinen Dienstwagen steigt, nach einer politischen Beratung. So funktioniert bei uns inzwischen eure unabhängige Staatsanwaltschaft, und so werden auch eure unabhängigen Gerichte funktionieren."
    Experten rätseln, warum die PiS die beiden Gesetze nun so plötzlich auf die Tagesordnung gehoben hat. Eine Erklärung: Sie hat gleichzeitig auch eine unpopuläre Erhöhung der Benzinsteuer ins Parlament eingebracht. Diese Maßnahme geht nun im Streit um die Gerichtsreform unter.
    Oppositionspolitiker meinen, die neuen Gesetze würden auf den Widerstand der EU-Kommission stoßen. Doch Experten sind skeptisch. Denn auch um das Rechtsstaatsverfahren gegen Polen, das wegen des Streits um das Verfassungsgericht eingeleitet wurde, ist es in den vergangenen Monaten ruhig geworden. Ein Grund dafür dürfte sein, dass Sanktionen gegen Polen letztendlich im EU-Rat beschlossen werden müssten, und zwar einstimmig. Ein unwahrscheinliches Szenario.
    Dabei könne der Umbau des Justizsystems Polen auf viele Jahre hinaus bestimmen, meint der Bürgerrechtler Krzysztof Izdebski:
    "Ich befürchte, dass die PiS hier die Büchse der Pandora aufgemacht hat und wir sie nie wieder schließen können. Auch für folgende Regierungen stellt das Gesetz eine große Versuchung dar, die Gerichte von Fall zu Fall zu beeinflussen."
    Die beiden Gesetze müssen noch vom Oberhaus, dem Senat, beschlossen werden. Auch dort verfügt die PiS über die absolute Mehrheit.