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Polen
Studenten-Proteste gegen geplante Hochschulreform

Polens rechtskonservative Regierungspartei PiS will nach Justiz und den Medien jetzt auch die Hochschulen reformieren: Elite-Universitäten nach angelsächsischem Vorbild soll es geben, bessere Qualität, Stipendien. Doch viele Studierende sind skeptisch. Sie fürchten den Einfluss der Politik.

Von Florian Kellermann | 14.06.2018
    Protestplakate gegen die geplante Reform an den Hochschulen am Uni-Campus
    Protestplakate gegen die geplante Reform an den Hochschulen am Uni-Campus (Florian Kellermann / deutschlandradio)
    Viele Studierende der ehrwürdigen Warschauer Universität bleiben immer noch erstaunt vor dem Gebäude des Rektors stehen, halten ihre Smartphones hoch und knipsen: Seit Jahrzehnten hat es hier keinen großen Protest mehr gegeben - nun hängt der Balkon des sogenannten Kazimierz-Palasts voll mit Spruchbändern und einer Regenbogenflagge.
    Das sogenannte "Akademische Protest-Komitee" hat im Palast einen Streik organisiert - Studierende, die sich von den offiziellen studentischen Vertretungen nicht angemessen repräsentiert fühlen. Zu ihnen gehört Ida Slezak, eine 22-jährige Philosophie-Studentin. Ihre Kritik: Die geplante Hochschulreform solle Elite-Universitäten nach angelsächsischem Vorbild schaffen:
    "Die großen Universitäten sollen noch stärker werden - zu Lasten der kleineren Hochschulen. Da scheint es paradox, dass ausgerechnet wir hier in Warschau mit dem Protest begonnen haben. Wir haben von Anfang an gehofft, dass sich kleinere Hochschulen anschließen."
    "Anschlag auf unsere Unabhängigkeit"
    Das ist inzwischen passiert: Auf einem Band, das vom Balkon hängt, stehen zehn andere Städte, wo Studierende protestieren.
    Dabei gehe es nicht nur ums Geld, sondern auch um die Autonomie der Hochschulen, meint Aleks Wojtowicz:
    "Die Reform bedeutet, dass wir uns ins feudale Zeitalter zurückbewegen. Politiker werden mitbestimmen, was hier passiert. Das ist ein Anschlag auf unsere Unabhängigkeit."
    Damit spricht Aleks die Beiräte an, die künftig die Geschicke der Universitäten wesentlich mitbestimmen sollen. Denn sie sollen überwiegend von Personen besetzt werden, die nicht der Hochschule angehören. Die Befürchtung: Die Universität wird dorthin vor allem Personen berufen, die der Regierung nahestehen. Denn von dort kommt letztendlich das Geld für den Hochschulbetrieb.
    "Immer noch müssen wir um Elementares kämpfen"
    Der Vorwurf lautet also nicht, dass die Regierung den Hochschulen unmittelbar vorschreiben wolle, was geforscht und gelehrt wird. Aber über die Beiräte könnte sie die Richtung verändern, in der sich die Universität bewegt - und bestimmte Schwerpunkte setzen.
    Der 25-jährige Aleks studiert an der Kunstakademie, die sich dem Protest angeschlossen hat. Einige Studierende von dort haben einen nackten Mann auf einem Stuhl vor das Gebäude geschoben - eine Gipsfigur.
    "So geduckt wie er dasitzt, drückt er eine gewisse Resignation aus. 40 Jahre sind die großen Studierendenproteste von 1968 her (Anm. d. Redaktion: Es sind 50 Jahre) - und immer noch müssen wir um elementare Dinge kämpfen."
    Minister verspricht mehr Qualität und Stipendien
    Hochschulminister Jaroslaw Gowin hat seiner Reform den Titel "Verfassung für die Wissenschaft" gegeben. Sein Ziel ist es, dass die Qualität der Lehre und der Forschung steigen soll. Dafür soll schrittweise mehr Geld aus dem Haushalt an die Universitäten fließen. Außerdem will Gowin wissenschaftliche Karrieren erleichtern: Doktoranden sollen ein Stipendium erhalten, und das Habilitationsverfahren wird vereinfacht.
    In der Debatte sprach Gowin immer wieder über internationale Rankings, in denen die polnischen Universitäten weit hinten liegen.
    Konkrete Folgen der Reform nur schwer abzusehen
    Um das zu ändern, sollen sie effizienter werden - mit mehr Macht für den Rektor. Auch die Beiräte, die künftig an der Universität mitbestimmen sollen, verteidigt Gowin:
    "Alle Mitglieder werden vom Senat der Universität gewählt. Deren Autonomie bleibt also unangetastet. Solche Organe führen nach und nach auch andere EU-Mitgliedsländer ein. Es geht darum, dass die Hochschulen weniger hermetisch werden, dass sie sich für die gesellschaftliche Umgebung öffnen."
    Unter den Studierenden gehen die Meinungen indes auseinander. Viele offizielle studentische Vertretungen unterstützen die Proteste nicht. Schließlich habe die Reform auch positive Seiten, heißt es dort.
    Der Dissens rührt daher, dass die konkreten Folgen der Reform nur schwer abzusehen sind.