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Polen und seine großen Ressourcen an Erdwärme

In Karlsruhe beginnt heute ein dreitägiger Geothermiekongress. Es geht also um die Nutzung der Erdwärme, bei den erneuerbaren Energien ein Bereich, der noch ein absolutes Schattendasein führt. Über große Ressourcen an Erdwärme verfügt unser Nachbarland Polen. Die erste Anlage ging hier bereits Anfang der 90er Jahre ans Netz. Justyna Bronska hat eine Erdwärmeanlage in der Nähe von Stettin besucht und sich dort bei Experten über die weiteren Zukunftsaussichten bei der Nutzung der Erdwärme in Polen erkundigt.

Von Justyna Bronska | 11.11.2008
    Die Tennisplatzgroße Halle in Pyrzyce ist vollgestopft mit einem Geflecht von riesigen Rohren. In der Mitte stehen die Wärmetauscher, das Herzstück der Anlage. Die Energie vom heißen Wasser aus der Tiefe wird hier in das Städtische Fernwärmenetz übertragen. Werksleiter Zbigniew Kulik zeigt auf der großen Karte das weit verzweigte Netz:

    "Anfang der 90er Jahre musste die Stadt die alten Fernwärmeanlagen erneuern. Die kommunale Behörde stand also vor der Frage, eine Gasanlage oder etwas Modernes, Neues zu bauen. Und da es hier in der Gegend gute, heiße Quellen gibt, hat man sich für die Geothermie entschieden."

    Gut die Hälfte der Haushalte und alle öffentlichen Gebäude der Stadt werden mit der Wärme aus der Tiefe geheizt. Kulik zieht sein blaues Hemd zurecht und zeigt lächelnd auf eine Seite mit rund 20 Namen:

    "In der letzten Zeit haben wir auch immer mehr Nachfragen von privaten Hausbesitzern, die sich an unser Fernwämenetz anschließen möchten. Sie spüren den Preisanstieg zum Beispiel für Gas. Demgegenüber bleiben wir mit unserer geothermischen Energie weitgehend konstant."

    In Polen gibt es derzeit fünf Fernwärmenetze mit Geothermie, ein sechstes wird gerade gebaut. Nach Ansicht von Aleksandra Gozdur könnten es davon einige Hundert sein. Die junge Ingenieurin forscht in diesem Bereich an der technischen Universität Stettin:

    "Das sind doch nur einzelne Vorzeigeanlagen in verschiedenen Regionen des Landes. Bislang haben wir in Polen die Bohrungen genutzt, die schon früher gebohrt wurden, als in Polen nach Öl gesucht wurde. Zufällig hat man dabei die heißen Quellen gefunden. Polen ist eigentlich wie ein Schweizer Käser, hat wegen der alten Bohrungen sehr viele Löcher. Und nur deshalb wissen wir, dass wir dieses große geothermische Potential haben."

    Das Potential reicht, um Rund ein Drittel aller polnischen Häuser mit Heizenergie zu versorgen, heute sind es gerade mal 0,1 Prozent. Expertin Gozdur schüttelt mit dem Kopf:

    "Die Hauptbarriere für den geothermischen Ausbau sind unsere großen Kohlevorräte. Damit könnten wir noch lange heizen. Aus diesem Grund gibt es keinen Druck, Geothermie zu nutzen und Anlagen zu bauen."

    Dies könnte sich nach Einschätzung von Gozdur aber auch bald ändern. Macht die EU mit dem Klimaschutz Ernst und versteigert bereits ab 2013 alle CO2-Zertifikate für die Stromgewinnung, würde die Kohleverstromung für Polen teurer und dann auch der Strom aus Geothermie interessant. Ausländische Investoren äußerten bereits Interesse, in diesen Markt zu investieren:

    "Ich denke schon in zwei bis drei Jahre werden wir in Polen die erste Geothermieanlage zur Stromerzeugung haben. Und dann weitere, das ist nur eine Frage der Zeit. Wir brauchen einen Pionier in diesem Bereich, so dass dann die Ideen in andere Regionen Polens übertragen werden."