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Polens Außenminister
Waszczykowski auf Konfrontationskurs mit der EU

Ein Staatsstreich in Polen? "Abwegig". Die Neubesetzung der Chefposten in den öffentlich-rechtlichen Medien? "Ein Schritt zu mehr Meinungsvielfalt". Polens Außenminister Witold Waszczykowski hat in einem Zeitungsinterview die Reformen der neuen polnischen Regierung verteidigt und Kritik von Seiten der EU zurückgewiesen.

04.01.2016
    Polens Außenminister Witold Waszczykowski
    Polens Außenminister Witold Waszczykowski (dpa / picture-alliance / Pawel Supernak)
    Eigentlich sei alles gar nicht so, wie es derzeit dargestellt werde, sagte Polens Außenminister im Interview mit der "Bild"-Zeitung. Die Reformen, die unter anderem die Arbeitsprozesse des Verfassungsgerichts beeinflussen und eine Neubesetzung der Chefposten in den öffentlich-rechtlichen Medien durch die Regierung vorsehen, hält er für notwendige Schritte. "Wir wollen lediglich unseren Staat von einigen Krankheiten heilen, damit er wieder genesen kann."
    Das Verfassungsgericht war seiner Meinung nach nie unabhängig. Es sei schon immer eine "politisch besetzte Einrichtung", so Waszczykowski. Die konservative polnische Regierung hatte zuletzt mehrere neue Richter in das Gericht berufen.
    Zustände "wie im russischen Fernsehen"
    Und das Gesetz, das der Regierung mehr Einfluss auf die öffentlich-rechtlichen Medien verschafft, sei gerechtfertigt. Die Medien hätten zuletzt "extrem einseitig" gegen die polnische Regierung berichtet. Es gebe keine Konservativen und Katholiken als Gesprächspartner in Fernsehdiskussionen - das seien Zustände "wie im russischen Fernsehen". "Deshalb werden wir ehrenwerte, unabhängige Intendanten einsetzen, die eine Vielfalt von Meinung und Information garantieren", so Waszczykowski. Noch ist das Gesetz nicht in Kraft. Präsident Andrzej Duda hat es noch nicht unterschrieben.
    Nicht nur bei der polnischen Opposition, sondern auch bei der EU sieht man die Entwicklungen allerdings anders als Waszczykowski. Sie befürchten, die konservative Partei PiS schaffe die Demokratie ab. Der Präsident des Europaparlaments, der SPD-Politiker Martin Schulz, hatte Mitte Dezember im DLF gesagt, was sich in Polen abspiele, habe "Staatsstreich-Charakter".
    "Timmermans kein legitimierter Partner"
    Der stellvertretende EU-Kommissionspräsident Frans Timmermans forderte in einem offenen Brief von der polnischen Regierung kürzlich weitere Informationen über die Gesetzesänderungen beim Verfassungsgericht und verlangte, die Änderungen aufzuschieben. Waszczykowski bezeichnete Timmermans nun als einen EU-Beamten, "der durch politische Beziehungen ins Amt kam". Er sei kein legitimierter Partner.
    Die Spannungen zwischen der EU und Polen dürften noch weiter zunehmen. Am Wochenende teilte die Kommission mit, man werde die Lage am 13. Januar diskutieren. Das gilt als erster Schritt in einem möglichen Verfahren, in dem die Rechtsstaatlichkeit Polens untersucht wird. Sollte die Kommission Verstöße feststellen, könnte Polen am Ende sein Stimmrecht bei Ministerräten und EU-Gipfeln verlieren.
    (pr/dk)