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Polens Liberale
Konkurrenz für Kaczynski und die Rechtskonservativen

Erst vor einem Jahr begann die Karriere von Ryszard Petru in Polen. Doch seine liberale Partei Nowoczesna liegt in Umfragewerten bereits bei 25 bis 30 Prozent - damit wird Petru zu einer Konkurrenz für die regierender PiS von Jaroslaw Kaczynski. Petru sieht sich als Sprachrohr eines europäischen Polens, das seiner Jugend endlich eine Perspektive bieten will.

Von Sabine Adler | 22.04.2016
    Ryszard Petru, Chef der polnischen Partei "Modernes Polen"
    Ryszard Petru, Chef der polnischen Partei "Die Moderne" (picture alliance / dpa - Laurent Dubrule)
    Ryszard Petru würde die abgehängten EU-Fahnen in Warschau vermutlich am liebsten sofort wieder aufziehen. Der inzwischen wichtigste Oppositionspolitiker schaut Ministerpräsidentin Beata Szydlo genau auf die Finger. Als ein Mann der Zahlen rechnet er nach, ob und wie die PiS-Regierung ihre Versprechen umsetzt. Der Chefökonom hat eine Bilderbuchkarriere als Bankfachmann und Mitarbeiter von Polens erstem Wirtschaftsreformator Leczek Balcerowicz hinter sich. Petrus jüngster Erfolg: der Sprung mit der von ihm neu gegründeten Partei Nowoczesna", die Moderne, aus dem Stand ins Parlament. Mit 7,6 Prozent der Stimmen. Würde heute gewählt, wären es schon fast 30 Prozent. Er wird der Partei von Jaroslaw Kaczynski immer gefährlicher wird. Am Brandenburger Tor präsentierte sich Petru als Europäer aus Überzeugung.
    "Some call it Europe - I call it home" – einige nennen es Europa ich nenne es zu Hause. Der 43-Jährige, der keine Angst vor starken Worten hat, sendet klare Botschaften aus. Aber ein Anheizer, der Öl ins Feuer gießt, ist er nicht.
    "Sie möchten uns spalten. Das dürfen wir nicht zulassen."
    "Die Polen wollen kein Chaos und sie wollen nicht, dass man sich sogar zu Hause am Familientisch streitet. Wir sind nicht auf einen Maidan aus, uns stört, dass Polen gegen Polen aufgebracht werden. Sie wollen uns jeden Tag weismachen, dass wir geteilt sind. Aber das ist nicht so, sie möchten uns spalten. Das dürfen wir nicht zulassen."
    Der 43-Jährige eilt von Demonstration zu Demonstration - schick wie ein Vertreter der Cappuccino-Fraktion aus dem fernen Warschau, doch er stammt aus Breslau und in der Heimatstadt ermuntert er die Mitstreiter, nach neuen Gleichgesinnten zu suchen, beim politischen Gegner, nicht bei denen, die sowieso schon auf ihrer Seite sind.

    "Wir müssen mit den Abgeordneten von Recht und Gerechtigkeit im Parlament reden. Mit denen, die Zweifel haben, aber noch auf den Präsidenten hören. Wir müssen sie überzeugen, dass sie Schlechtes tun. Es würden sechs Abgeordnete genügen, um die Mehrheit zu brechen. Ich weiß, dass ihr nicht auf seine guten Absichten vertraut. Aber ich als ein tief gläubiger Mensch will euch daran erinnern, dass wir uns auch mit den Kommunisten an einen Tisch setzen mussten. Damals gingen wir auf die Straßen, um das System zu verändern. Heute muss man protestieren, damit das System nicht verändert wird."
    Jugend ist von Arbeitslosigkeit am stärksten betroffen
    In Berlin wie auch bei anderen Auftritten äußerte er immer wieder seine Sorge um die jungen Leute, die von der Arbeitslosigkeit am stärksten betroffen sind. Für seine Generation, die zwar keinen Krieg dafür aber Mauern in Europa erlebt habe, stand fest, dass sie besser leben würde als die Eltern, eine Gewissheit, die heute nicht mehr gelte.

    "Über die Grenzen hinweg brauchen wir ein neues Wirtschafts- und Sozialmodell, Bedingungen, die Jugendliche wieder optimistischer machen, dass sie sich ihre Träume erfüllen können. In ganz Europa ist ein Protestwahlverhalten zu beobachten, von Spanien, über Frankreich bis Polen. Es ist eine europäische Aufgabe, jungen Menschen einen besseren Start ins Leben zu geben."
    Der polnische Oppositionsführer versprach in seiner Berliner Rede für die Freiheit, sich einsetzen für eine solidarische EU, die gemeinsam die Grenzen sichert, die Flüchtlingskrise löst und im Kampf gegen den Terror Geheimdienst-Informationen austauscht.