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Polenz fordert deutliche Erklärungen und gezielte Sanktionen

Nach dem gescheiterten Versuch des UNO-Sicherheitsrates, die Gewalt in Syrien offiziell zu verurteilen, spricht sich Ruprecht Polenz, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, für ein geschlossenes Vorgehen der EU aus. Die Länder sollten über Sanktionen nachdenken.

Ruprecht Polenz im Gespräch mit Jasper Barenberg | 29.04.2011
    Jasper Barenberg: ... Tunesien wird es in Syrien nicht geben. Wie Libyens Gaddafi hat sich auch Assad in Damaskus entschlossen, der arabischen Revolution in seinem Land den Garaus zu machen, Krieg gegen die eigene Bevölkerung zu führen. Wird sich der Westen, wird sich Deutschland dem entgegenstellen, und wenn ja, mit welchen Mitteln? Am Telefon begrüße ich den Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag. Guten Morgen, Ruprecht Polenz!

    Ruprecht Polenz: Guten Morgen, Herr Barenberg!

    Barenberg: Herr Polenz, Deutschland hat zusammen mit Frankreich, Großbritannien im UNO-Sicherheitsrat gerade den Versuch aufgeben müssen, die Gewalt in Syrien in einer offiziellen Erklärung zu verurteilen. Ist das ein Triumph für das Regime in Damaskus?

    Polenz: Nein, das denke ich nicht. Es ist vor allen Dingen ein Versagen von Russland und China, die sich [Unterbrechung] entgegengestellt haben. Das war eine Fehleinschätzung, zu glauben, dass es richtig sei, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, der ja für den Weltfrieden eine Verantwortung hat, hier einfach nicht äußern braucht. Es wäre wichtig gewesen, mit einer klaren Stellungnahme dem Sicherheitsrat deutlich zu machen, dass die Weltgemeinschaft für Meinungs- und Demonstrationsfreiheit eintritt und dass sie Gewalt ablehnt und verurteilt.

    Barenberg: Wie schwer wirkt diese Schlappe für Europa? Jetzt haben sich die europäischen Regierungen einmal vorgewagt, eine Resolution entworfen, und sie ist abgelehnt worden.

    Polenz: Nun, jetzt muss die Europäische Union, jetzt müssen die Länder, die der Meinung sind, dass man das syrische Vorgehen verurteilen muss, zusammenschließen, müssen deutlich machen, was sie von dem Vorgehen halten. Es ist vor allen Dingen die Europäische Union, die ja auch über Wirtschaftsbeziehungen verfügt, die Möglichkeit zu gezielten Sanktionen geben, über die man jetzt nachdenken muss.

    Barenberg: Darüber wird in Brüssel heute nachgedacht, die EU-Botschafter werden das tun. Sie sind also dafür, dass man heute bereits Sanktionen beschließt gegen Syrien?

    Polenz: Ich bin dafür, dass man Syrien sehr deutlich macht, dass das Vorgehen unakzeptabel ist, dass man auch in der arabischen Welt nur dann als Regierung eine Chance hat, an der Macht zu bleiben, wenn man sich auf die Zustimmung der Bevölkerung stützen kann auf lange Sicht, und da sind Sanktionen, vor allen Dingen gezielte Sanktionen gegen die, die sich jetzt beim gewaltsamen Niederschlagen der Demonstrationen besonders unrühmlich hervortun, ein erster [Unterbrechung]

    Barenberg: Kann man mit Sanktionen Tyrannen stürzen?

    Polenz: Nein, das kann man wahrscheinlich nicht, aber es ist eben auch so, dass die Schutzverantwortung, die Responsibility to Protect, die der Sicherheitsrat gegenüber Libyen in seiner Resolution 1973 zur Grundlage einer [Unterbrechung] gemacht hat, dass in Libyen angegriffen werden konnte, dass der Sicherheitsrat sich bisher zu einem solchen Schritt nicht [Unterbrechung] hat und dass deshalb ein weiteres Vorgehen im Augenblick einer völkerrechtlichen Grundlage entbehren würde.

    Barenberg: Die Verbindung ist nicht ganz so großartig, Herr Polenz. Deswegen noch mal die Frage: Sind Sie denn für ein ebenso hartes Vorgehen gegenüber Syrien wie gegenüber Libyen?

    Polenz: Ich denke, dass man das tun muss, was man tun kann. Und was man jetzt tun kann, sind deutliche Erklärungen, es sind auch gezielte Sanktionen. Ich sehe im Augenblick keine Bereitschaft, darüber hinaus etwa Mittel zu ergreifen, wie man sie gegenüber Libyen ergriffen hat, ich denke aber, dass beispielsweise im Hinblick auf Syrien auch die Türkei eine wichtige Rolle spielen kann. Die Türkei hat sehr enge Beziehungen zu Syrien inzwischen, auch sehr enge Wirtschaftsbeziehungen, die Türkei hat das syrische Verhalten bisher bereits verurteilt, aber auch die Türkei könnte gemeinsam mit den Europäern, mit anderen Ländern bei Sanktionen noch härteren Druck ausüben.

    Barenberg: Bisher sind aber alle Vermittlungsbemühungen oder Bemühungen der Türkei, auf Syrien einzuwirken, erfolglos geblieben. Wie sollte sich das ändern?

    Polenz: Syrien hatte, bevor die Demokratiebewegung in der arabischen Welt losging, versucht, aus seiner Isolation herauszukommen, hatte dabei auch einige Erfolge. Syrien will nicht isoliert sein, das wäre für jedes Land schlecht, und wenn die Politik, die jetzt betrieben wird, erkennbar dazu führt, dass man sich mehr und mehr isoliert, vielleicht nur noch den Iran als Partner behält, dann übt das schon einen Veränderungsdruck auf das Land aus. Aber ich räume ein, man kann nicht in jedem Fall von außen in einer Weise eingreifen, wie das jetzt in Libyen passiert ist, dazu ist die internationale Staatengemeinschaft, dazu sind die meisten Staaten nicht bereit.

    Barenberg: Und das heißt auch, Herr Polenz, dass Präsident Assad noch ein Verhandlungspartner in Zukunft sein kann, auch für die europäischen Regierungen, auch für die Bundesregierung?

    Polenz: Man muss sich die syrische Situation genau anschauen. Ich glaube, dass Assad es in seiner ganzen bisherigen Präsidentschaftszeit nicht geschafft hat, sich völlig gegenüber den Sicherheitsdiensten und den alten Kräften durchzusetzen, auf die sein Vater seine Macht gestützt hatte. Er ist ja als Präsident mit vielen Reformvorstellungen ins Amt gekommen, die hat er nicht verwirklichen können, auch wegen dieser alten Kräfte. Er hat sich dann zwar immer fester auch etabliert, aber es spricht viel dafür, dass die Sicherheitskräfte in Syrien auch ein beträchtliches Eigenleben führen.

    Barenberg: 7:22 Uhr, Sie hören den Deutschlandfunk, wir sprechen mit Ruprecht Polenz, dem CDU-Außenpolitiker. Herr Polenz, lassen Sie uns noch kurz auf ein weiteres aktuelles Thema des Nahen Ostens zu sprechen kommen, das angekündigte Abkommen zwischen Fatah und Hamas. In dieser Hinsicht ist ja der deutsche Außenminister äußerst skeptisch.

    Guido Westerwelle: Grundsätzlich halten wir die innerpalästinensische Aussöhnung für ein wichtiges Anliegen, selbstverständliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Aussöhnung muss aber der Gewaltverzicht und die Anerkennung Israels sein. Die Hamas kann für uns so lange kein Ansprechpartner sein, wie sie das Existenzrecht Israels mit Gewalt infrage stellt.

    Barenberg: Soweit, Herr Polenz, also Guido Westerwelle, der Bundesaußenminister. Sehr große Skepsis in seinen Worten, was die Einigung angeht zwischen Fatah und Hamas, Skepsis auch bei Ihnen?

    Polenz: Selbstverständlich muss von der Hamas erwartet werden, dass sie Israel anerkennt und dass sie auf Gewalt verzichtet, das ist gar keine Frage. Aber ich würde erst mal abwarten wollen, was jetzt aus dieser Aussöhnung zwischen Hamas und Fatah, die jetzt erst mal verkündet worden ist, tatsächlich wird. Ein wichtiges Ergebnis dieser Aussöhnung sollen ja Wahlen sein, und das wäre sicherlich ein Fortschritt, denn dann würde eine neu legitimierte palästinensische Vertretung entstehen, gewählt in der West Bank und im Gazastreifen. Und vor dem Hintergrund der Umwälzung in der arabischen Welt wäre ich keineswegs sicher, dass Hamas und Fatah so erfolgreich abschneiden, wie sie sich das beide im Augenblick vielleicht vorstellen. Jedenfalls dann nicht, wenn die Wahlen tatsächlich auch neuen Gruppen eine Chance geben und wenn sie fair und frei verlaufen. Darauf sollte sich der Westen jetzt konzentrieren, dass wir Wahlen in den palästinensischen Gebieten, sowohl im Gazastreifen wie in der West Bank, tatsächlich sehen, die fair und frei sind, und wo auch neue Gruppen eine Chance haben zu kandidieren, denn die palästinensische Bevölkerung, das ist mein Eindruck, ist sowohl mit der Hamas als auch mit der Fatah ziemlich unzufrieden.

    Barenberg: Sie hat die Hamas aber allerdings auch gewählt vor vier Jahren. Ist denn ein Frieden mit Israel ohne Verständigung zwischen Fatah und Hamas ohne eine Einigung, auch ohne Gespräche des Westens mit der Hamas überhaupt möglich?

    Polenz: Man wird sehen, erstens, finden die Wahlen statt, wie gehen sie aus. Und ich darf dran erinnern, die Hamas ist damals zwar gewählt worden, aber es war nach Einschätzung aller Beobachter vor allen Dingen eine Abwahl der Fatah, der man Korruption und Misswirtschaft vorgeworfen hat, und auch das Wahlsystem hat der Hamas sehr geholfen, weil sie sich jeweils nur mit einem Kandidaten in den Wahlkreisen beim Mehrheitswahlrecht gestellt hat, während sich die Fatah teilweise gegenseitig mit mehreren Kandidaten die Stimmen weggenommen hat. Das alles muss sich beim nächsten Mal nicht wiederholen. Und noch mal: Die Umwälzungen in der arabischen Welt haben auch vor der palästinensischen Gesellschaft nicht Halt gemacht, es gibt auch dort eine Bewegung von jungen Menschen, die sich fragen, ist es eigentlich das, was wir wollen, was uns hier die Hamas, was uns die Fatah verkündet. Die Hamas - das ist auch noch ein wichtiger Punkt - ist ja eine Tochterorganisation, wenn man so will, der Moslembrüder in Ägypten. Wir sehen jetzt auch in Ägypten bei den Moslembrüdern eine beträchtliche politische Entwicklung, wir sehen Abspaltungen, und unter dem Druck eines freien demokratischen Wettbewerbs werden die Moslembrüder in Ägypten weniger Resonanz haben, ich erwarte das auch für die Hamas bei den Palästinensern.

    Barenberg: Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag heute Morgen im Deutschlandfunk. Vielen Dank, Ruprecht Polenz!

    Polenz: Bitte schön!