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Politik in der Kunst
Schwamm drüber

Das neue Kunstwerk von Michel Abdollahi ist ein riesiger Schwamm. Gelb-porös und meterhoch steht er dort, wo Hamburg eigentlich besonders sauber ist: in Hamburgs Hafencity. Auch hier gebe es gesellschaftliche Missstände, die es wegzuputzen gilt, meint der Künstler. Doch die Installation verfehlt ihr Ziel.

Von Juliane Reil | 10.10.2016
    Installation und Kunstperformance "Der Schwamm – Weg mit dem Schmutz" des deutschen Conférenciers, Performance-Künstlers, Malers, Journalisten und Literaten Michel Abdollahi im Hamburger Stadtteil HafenCity.
    Installation und Kunstperformance "Der Schwamm – Weg mit dem Schmutz" von Michel Abdollahi. (Deutschlandradio / Juliane Reil)
    "Das ist das Original. Das ist richtig "Glitzi"-Schwammmaterial."
    Erklärt Michel Abdollahi und streicht zufrieden über die gelb-poröse Schaumstoff-Oberfläche eines überdimensionalen Küchenschwamms. Zwei Meter mal vier Meter ist der 500 Kilo schwere Schwamm-Koloss groß. Inmitten der Hamburger Hafencity auf den Marco-Polo-Terrassen, wo Touristen flanieren, dicke Autos vorbeifahren und immer noch Kräne neue Luxus-Apartments hochziehen, steht seine neue Installation. "Der Schwamm – Weg mit dem Schmutz" will auf gesellschaftliche Missstände wie Rechtspopulismus und Fremdenhass aufmerksam machen. Aus gutem Grund, meint der 35-Jährige, und lehnt entspannt mit dem Rücken an seiner Skulptur.
    "Die Globalisierung hat uns zusammengebracht, das Netz hat uns zusammengebracht, und es überfordert die Menschen, jeden Tag mit Hass und Wut und Rassismus konfrontiert zu werden. Und für all die habe ich diesen großen Schwamm gebaut, die meinen, es ist vielmehr geworden. Und ich sag "Nee, es ist sichtbarer geworden. Und wenn Ihr der Meinung seid, wir müssen das irgendwie wegbekommen, diesen Hass und diese Wut, dann brauchen wir dafür einen großen Schwamm. Ein sichtbares Zeichen. "
    Bereits in der Vergangenheit hat sich der Hamburger Performance-Künstler und Journalist mit iranischen Wurzeln durch ähnlich politische Aktionen einen Namen gemacht.
    Zum Beispiel 2015. Mit einem großen Schild und dem Aufdruck "Ich bin Muslim. Was wollen Sie wissen?", stellte sich Abdollahi in die Hamburger Innenstadt.
    Und jetzt steht er eben in der Hafencity. Also dort, wo die Hansestadt besonders teuer und eigentlich auch besonders sauber ist. Trotzdem braucht es auch hier – symbolisch gesprochen – einen Schwamm zum Putzen, denkt Abdollahi.
    "Die Hafencity ist ein Ort, wo viele sagen, warum war das so teuer, musste das sein. Und dann können sie sich darüber Gedanken machen, ob das ein Ort ist, den man so bisschen vom Mief vielleicht, von Schulden, von "warum hat man den Bürger nicht gefragt" – von all diesen Dingen – sauber machen möchte oder nicht sauber machen möchte."
    Politisches Kunstprojekt mit Schwachstellen
    Wie das mit dem Saubermachen genau funktionieren soll, verrät der Künstler nicht. Vermutlich ist das auch nicht sein Anliegen. Trotzdem ist man irritiert: Wie geschmeidig sich dieser glatte, saubere Schwamm in seine Umgebung einfügt – fast wie ein weiteres Design-Element. Seitlich zur Flaniermeile verstellt er den Fußgängern nicht einmal den Weg - geschweige denn die Sicht. Aber Michel Abdollahi stört es nicht, dass seine Installation nicht stört. Gutgelaunt in Wintermantel und Turnschuhen sitzt er unter einem kleinen blauen Sonnenschirm. Über ihm der graue Herbsthimmel. Hinter ihm die Schwamm-Skulptur, vor ihm auf einem Tisch eine Plastikwanne mit Spülwasser. Darin Schwämme und eine einzelne Tasse. Manchmal treten Passanten ran, befühlen bestaunend den riesengroßen Schwamm und werden von Abdollahi angesprochen.
    Abdollahi: "Wir säubern auch Gedanken, ne. Falls Sie irgendwas gedacht haben in letzter Zeit. Müssen Sie mir nicht sagen. Können Sie in die Tasse reinfühlen. Das tut gut. Kommen Sie her. Ich mach es für Sie weg. Es ist jetzt bei mir. Sie können sich davon lösen." Passantin: "Okay." Michel Abdollahi: "Ist jetzt weg."
    Einige der Passanten bekommen auch noch einen kleinen Schwamm in die Hand gedrückt. Zusammen mit der Aufforderung, ihn dort hinzulegen oder zu putzen, wo für sie Schmutz liegt. Was dieser "Schmutz" sein kann, ist dabei jedem selbst überlassen. Allein bei der Wortwahl kann einen Unbehagen erfassen. "Reinigen", "Säubern", "Dreck" oder "Abfall" ist das Vokabular von Kreisen, gegen die Abdollahi mit seiner Aktion ja eigentlich vorgehen will. Dass es sich bei seiner Installation um ein politisches Kunst-Projekt handelt, drängt sich in der Art der Präsentation nicht zwangsläufig auf. Einige verwechseln es sogar irrtümlich mit einer Werbe-Kampagne für Küchenschwämme. Wie diese Passantin:
    "Echt gutes Guerilla-Marketing. Ist echt gut umgesetzt. Aber wir kennen die Marke."
    Wie die Pop-Art der 50er Jahre spielt Abdollahi mit der Darstellung des Trivialen, jedoch ohne eine weitere Ebene zu eröffnen. Damit macht es sich der Hamburger etwas zu einfach und trivialisiert seine eigenes Projekt.