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Politik ist "ein Mannschaftssport"

Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Stefan Mappus (CDU), kritisiert die Bundespolitik: "Manche in Berlin müssten lernen, dass Politik eine Mannschaftssportart ist." Da keine klare Linie eingehalten würde, wüssten viele Menschen nicht, wofür die CDU stehe.

Stefan Mappus im Gespräch mit Christoph Heinemann | 16.05.2010
    Christoph Heinemann: Herr Mappus, wie ging es Ihnen am vergangenen Sonntag um 18.00 Uhr?

    Stefan Mappus: Wie es wahrscheinlich vielen Anhängern der CDU ging, dass es ein sehr enttäuschendes Ergebnis war, dass es ein Warnschuss des Wählers war. Und Warnschüsse sind dazu da, gehört zu werden. Und jetzt ist es an uns, die Konsequenzen daraus zu ziehen und den Menschen die Politik, die wir machen, die - wie ich finde - in weiten Bereichen sehr gut ist, näher zu bringen und an der einen oder anderen Stelle vielleicht auch Korrekturen anzubringen.

    Heinemann: Welche Korrekturen?

    Mappus: Ich glaube, wir schaffen es im Moment nicht, erstens in ausreichender Geschwindigkeit entsprechende Entscheidungen zu fällen. Aber wir schaffen es erst recht nicht, bestimmte Entscheidungen auch zu erklären, nehmen Sie den Bereich der Energiepolitik, nehmen Sie den Bereich der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Und es muss besser werden.

    Heinemann: Wer hat Jürgen Rüttgers zu Fall gebracht?

    Mappus: Ach, das finde ich jetzt ein bisschen martialisch, wer hat ihn zu Fall gebracht? Ich denke, es ist eine Melange aus einigen Punkten. Dass die CDU in Nordrhein-Westfalen Probleme hatte, das ist ja nicht von der Hand zu weisen, das konnten wir alle sehen.

    Da muss man halt dazu sagen, Nordrhein-Westfalen ist ja nicht gerade CDU-Stammland, das gehört zur Wahrheit auch dazu. Dann hat sicherlich das Thema Griechenland, die generelle Verunsicherung von Menschen im Zuge dieser weiteren Finanzkrise natürlich auch nicht gerade besonders geholfen bei der Wahl. Und dann war das letzte Dreivierteljahr Bundespolitik sicherlich auch nicht in der Güte, dass es grenzenlosen Rückenwind gebracht hat. Also, es ist eine Melange von vielen Punkten.

    Heinemann: Bundespolitik - was stimmte da nicht?

    Mappus: Ich glaube, dass wir in der Bundespolitik als CDU im Moment das Problem haben, dass viele Menschen nicht so richtig wissen, wo sie mit uns dran sind. Nehmen Sie mal - weil das ein sehr prägnantes Beispiel ist - die Energiepolitik. Wir hatten da ein klipp und klares Konzept, eine glasklare Linie, auch im Wahlprogramm, auch im Koalitionsvertrag, mit CSU und FDP abgestimmt. Und jeder kann jetzt sehen, dass sich in den letzten fünf, sechs Monaten nicht nur nichts in diese Richtung getan hat, sondern dass man häufig den Eindruck hat, dass es schon ein gewisses Durcheinander in diesem Bereich gibt.

    Und da kann man schlecht erwarten, dass das der Wähler honoriert. Das ist eines von mehreren Beispielen, ein sehr prägnantes. Und das muss sich ändern. Und manche in Berlin müssen lernen, dass Politik eine Mannschaftssportart ist.

    Heinemann: Durcheinander, heißt das jetzt, dass Sie die Position des Bundesumweltministers, Herrn Röttgen, kritisieren?

    Mappus: Je nach der Frage, welche Position das denn ist. Ich würde es mal so sagen: Ich kritisiere, dass das nicht umgesetzt wird, was Beschlusslage der Koalitionspartner, von Parteitagen, generell auch von Parteigremien ist. Und wenn man dem Bürger etwas verspricht und es danach nicht umsetzt und erst recht noch den Eindruck hinterlässt, dass man nicht so richtig weiß, wo man hin will, dann kann man nicht erwarten, dass der Bürger das gut findet.

    Heinemann: Roland Koch, Ihr Amtskollege, möchte jetzt den Bundesrat bei der Entscheidung über Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke umgehen. Ist das die richtige Antwort auf eine Wahl, auf eine Entscheidung von Bürgern?

    Mappus: Da, finde ich, haben Sie Roland Koch falsch wiedergegeben. Es geht nicht um die Frage, umgehen wir den Bundesrat. Also, die Mitglieder des Bundesrates, das sind die Ministerpräsidenten, haben ja im Regelfall kein Interesse daran, dass der Bundesrat umgangen wird. Aber man muss auch schon sehen, dass zu Zeiten von Rot-Grün, als der Ausstieg aus der Kernkraft beschlossen wurde, so wie er jetzt noch geltendes Recht darstellt, dass damals dieses Gesetz beschlossen wurde und damals Rot-Grün gesagt hat, dazu ist keine Zustimmung des Bundesrates nötig. Punkt.

    Ich stelle das fest, ich will es gar nicht werten. Aber wenn es damals so war, dann kann doch nicht die gleiche parteipolitische Konstellation, Rot-Grün, jetzt, wenn man etwas ändern will an diesem Gesetz, kommen und sagen, aber jetzt plötzlich brauchen wir den Bundesrat. Also, ich verteidige den Bundesrat wirklich, aber es kann ja nicht wahr sein, dass man den Bundesrat immer dann benutzt, wenn es einem gerade in den Sinn passt. Damals hat Rot-Grün das Gesetz beschlossen ohne Zustimmung des Bundesrates. Und dann kann es jetzt nicht sein, dass, wenn man etwas ändern will, man dann jetzt plötzlich den Bundesrat dazu braucht.

    Entweder man hätte ihn von Anfang an gebraucht, dann ist das Gesetz schlicht und ergreifend nichtig, oder man ist der Meinung, das Verfahren war damals richtig, dann braucht man den Bundesrat jetzt auch nicht. Es geht nicht um Umgehung, sondern es geht um Stringenzen der Rechtsposition.

    Heinemann: Und Sie sagen, wir brauchen ihn nicht in dieser Frage?

    Mappus: Wir haben ihn nicht zum Beschluss dieses Gesetzes gebraucht, also brauchen wir ihn auch nicht zur Änderung dieses Gesetzes.

    Heinemann: Herr Ministerpräsident, Angela Merkel hat das Gehampel um die Steuersenkungen offiziell beendet. Wieso musste sie dazu erst eine Wahl verlieren? Als Bundesvorsitzende, als Regierungschefin sitzt sie ja immer ein bisschen mit im Boot.

    Mappus: Das stimmt ja nicht so ganz. Das hat sich ja schon deutlich vor der Landtagswahl nicht nur abgezeichnet, sondern es hat sich ja auch artikuliert, dass zum jetzigen Zeitpunkt das, was wünschenswert wäre und was im Koalitionsvertrag vorgesehen ist, einfach nicht machbar ist. Politik beginnt beim Erkennen der Realität. Und wir haben einen Koalitionsvertrag, wir wollen untere und mittlere Einkommensgruppen entlasten, wir wollen die kalte Progression abschaffen.

    Übrigens, ein erster Schritt dahin wurde von der Großen Koalition beschlossen, auch von den Sozialdemokraten, auch wenn die sich in der Zwischenzeit nicht mehr daran erinnern können. Wir wollen das fortsetzen, so steht es im Koalitionsvertrag, so ist es mit der FDP vereinbart. Wir wollen das in Baden-Württemberg auch, aber im Moment geht es nicht, weil wir so eminente Steuerausfälle haben, dass wir uns weitere Ausfälle derzeit nicht leisten können. Ich denke, das gilt für 2010, es wird für 2011 gelten.

    Ich persönlich fürchte, dass es auch für 2012 oder 2013 gelten wird. Und die Bundeskanzlerin hat jetzt auch im Gesamtgang der Analyse auch der Bundestagswahl das auch nochmals deutlich gesagt. Ich bin nur nicht der Meinung, dass man der Kanzlerin jetzt quasi vorwerfen muss, sie hat bei diesem Thema zu lange nichts gesagt. Im Gegenteil.

    Also, im Gegensatz zu ihrem Vorgänger sagt sie halt nicht fünf mal in der Woche 'Basta', sondern es geht im Regelfall um Kommunikation. Ich glaube, jeder, der es sehen wollte, konnte sehen, dass der Kurs klar ist. Wir wollen die Steuervereinfachungen, eine gewisse Steuerentlastung machen, aber im Moment geht es halt einfach nicht.

    Heinemann: Wünschten Sie sich vielleicht einmal im Monat ein 'Basta' von Angela Merkel? Jetzt geht es vielleicht weiter mit der Kopfpauschale.

    Mappus: Ich wünsche mir klare Aussagen dann, wenn sie notwendig sind und wenn sie in die Landschaft passen.

    Heinemann: Hat sie zu lange gezögert in dem Fall Steuersenkung?

    Mappus: Ich glaube nicht, dass Angela Merkel zu lange gezögert hat. Im Gegenteil. Ich mache mir allmählich mehr Sorgen darum, dass der Chor innerhalb der Koalition, aber auch innerhalb der CDU etwas zu vielstimmig ist und dass das Ganze in puncto melodischer Harmonie durchaus optimierungsfähig ist. Ich rate sehr dazu, dass man bestimmte Dinge in Gremien abstimmt, beschließt und sie dann gemeinsam nach außen trägt. Das kann man ja auch in den letzten zwei, drei Tagen sehr schön sehen, dass das Gegenteil, das wir im Moment praktizieren, mit Sicherheit nicht erfolgsversprechend sein wird.

    Heinemann: Vielstimmiger Chor, welche Stimme ist überflüssig?

    Mappus: Ja gut, wenn jeden Tag drei Ministerpräsidenten und die Kanzlerin, dann noch zwei Koalitionsfraktionen - die Koalition besteht ja bekanntermaßen aus drei Parteien - sich äußern, und im Regelfall divergent, dann kann man nicht erwarten, dass da ein gemeinsames Ganzes entsteht.

    Heinemann: Herr Ministerpräsident, seit dem vergangenen Montag ist Sparen kein Fremdwort mehr. Ihr Amtskollege und Parteifreund Roland Koch, Ministerpräsident in Hessen, möchte bei Kinderbetreuung und Bildung den Rotstift ansetzen. Die Kanzlerin lehnt das entschieden ab. Sollte man am Nachwuchs sparen? Wie bewerten Sie diesen Vorschlag?

    Mappus: Also, in Baden-Württemberg war das Thema Sparen noch nie ein Fremdbegriff. Bei uns können Sie in den letzten Jahren übrigens sehr schön sehen, wir hatten 2008 und 2009, einem absoluten Krisenjahr, eine Nullverschuldung. Ich glaube, arg viel besser geht es nicht.

    Wir haben im Jahre 2008 einen Haushaltsüberschuss von einer halben Milliarde erzielt. Den geben wir jetzt übrigens vollständig aus für Bildung, aber nicht schuldenfinanziert, sondern erwirtschaftet. Und ich persönlich bin der Überzeugung, dass wir den Rotstift ansetzen müssen, dass wir ihn nach der Krise intensiver denn je ansetzen müssen. Ich würde aber allen raten, wenn überhaupt, dann beim Thema Kinder und Bildung ihn als Allerletztes einzusetzen. Ich gehe in Baden-Württemberg so weit, zu sagen: Wir werden an manchen Stellen sparen, aber mit Sicherheit nicht im Bereich der Bildung. Und deshalb bin ich der Meinung, dass sowohl die Vereinbarungen zum Thema Kinderbetreuung als auch die Vereinbarungen zum Thema Weiterentwicklung von Bildung, wenn es irgendwie geht, eingehalten werden müssen.

    Wir in Baden-Württemberg werden es jedenfalls praktizieren. Ich glaube, Bildung ist ein Zukunftsthema, da sollte man, wenn es irgendwie geht, nicht nur nicht sparen, sondern im Gegenteil es weiter entwickeln, allerdings nicht nur durch einen dicken Scheck, sondern vielleicht auch mal durch die Frage, ob das eine oder andere noch effizienter geht.

    Heinemann: Das heißt, Sie stehen zum Bildungspakt, zu der Verabredung, bis 2015 zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes in Forschung und Bildung zu stecken?

    Mappus: Sie sprechen jetzt mehrere Dinge an. Zunächst mal ging es gerade um Kinderbetreuung. Da bin ich der Überzeugung, dass wir die Vereinbarung einhalten müssen. Da sind wir in Baden-Württemberg auch auf gutem Wege. Also, es sind die berühmten 35 Prozent bis zum Jahre 2014, die werden wir hier vollziehen. Das Thema zehn Prozent vom Bruttoinlandsprodukt für Forschung und Bildung, also für Forschung und Schule und Hochschule, ist ein Thema, das wir angehen, das in der Größenordnung wünschenswert ist, wo ich noch nicht definitiv sagen kann, ob man es mit der Geschwindigkeit erreichen kann, die wir ursprünglich vorhatten.

    Ich vermute - Stand heute - eher nicht. Aber daraus das Gegenteil zu schließen, zu sagen, man muss bei Bildung sparen, sprich man muss weniger machen, das halte ich für einen falschen Schluss. Ich glaube, dass wir die Bildungskonzepte weiterentwickeln müssen, dass wir mit Sicherheit nicht weniger machen können und dürfen, dass wir in die Richtung zehn Prozent gehen müssen. Ich würde - Stand heute - ein Fragezeichen machen, ob der Zeitplan einzuhalten ist. Vermutlich eher nicht, aber deshalb muss man - es gilt das eben Gesagte zum Thema Steuersenkung - ja nicht gleich das Ziel aus den Augen verlieren. Sparen im Sinne von weniger Geld, da bin ich definitiv dagegen.

    Heinemann: Wie lesen Sie Roland Kochs Vorschlag? War das ein Sparvorschlag oder war das der Beginn einer Diskussion über einen Kurswechsel?

    Mappus: Nein, ich glaube, dass Roland Koch, der ja einer der herausragenden Wirtschafts- und Finanzexperten der CDU ist, wie ich finde eine Reihe von Vorschlägen gemacht hat, es wird jetzt nur einer oder zwei herausgehoben, aber eine Reihe von Vorschlägen gemacht hat, wie man das Thema Sparen sprich Defizitsenkung in den nächsten Jahren angehen kann. Denn es bringt ja auch nichts zu sagen, wir müssen jetzt sparen, aber keiner darf einen Vorschlag machen und jeder Vorschlag wird sofort in der Luft zerrissen. Das bringt uns ja auch nicht so wahnsinnig weit. Ich finde es deshalb schon gut, wenn er Vorschläge macht. Und dass da auch welche drunter sind, die umstritten sind, wo man drüber reden muss, wo man vielleicht auch im positiven Sinne streitet, da habe in einer großen Volkspartei kein Problem damit.

    Heinemann: Herr Mappus, zwischen Eins und Sechs, mit welcher Note würden Sie das erste halbe Jahr der schwarz-gelben Koalition in Berlin benoten?

    Mappus: Da würde ich jetzt das baden-württembergische Benotungsmodell präferieren und sagen: Gut, dass es in den ersten zwei Schuljahren noch keine richtigen Noten gibt.

    Heinemann: Und wenn Sie gezwungen wären, jetzt tatsächlich eine Note zu vergeben?

    Mappus: Dann würde ich sagen, wir müssen uns deutlich steigern, dass wir nach dem zweiten Schuljahr ein Gut oder ein Sehr Gut erreichen können.

    Heinemann: Das klingt ungefähr nach Drei minus.

    Mappus: Ja, das könnte sich in der Größenordnung abspielen. Aber das ist ja noch nicht die schlechteste Ausgangsposition, um dann nachher bei dem Schulabschluss eine Auszeichnung zu bekommen.

    Heinemann: Aber was muss sich genau in Berlin ändern, damit der Gegenwind, der Jürgen Rüttgers in Gesicht geblasen hat, für Sie in zehn Monaten, wenn in Baden-Württemberg gewählt wird, zum Rückenwind wird?

    Mappus: Eine klare Linie, schnellere Entscheidungen, Orientierung an dem, was wir vor der Wahl zugesagt haben. Und wenn wir das tun, dann ist mir gar nicht bange um zukünftige Wahlen. Aber wenn man weiterhin in manchen Fragen herumeiert und wenn es weiterhin die Situation gibt, dass ein oder zwei Kabinettsmitglieder das Gegenteil von dem machen, was vorher zugesagt war und damit auch die Öffentlichkeit irritieren, dann darf man sich nicht wundern, wenn in der Außenwirkung ein Bild entsteht, das uns nicht hilft.

    Heinemann: Wen kritisieren Sie speziell?

    Mappus: Ich glaube, das kann sich jeder ausrechnen, zumal wir vorher von Energiepolitik geredet haben. Es muss klar sein, dass das, was vereinbart ist, gilt. Und alles andere ist nicht länger akzeptabel.

    Heinemann: Ich sage Norbert Röttgen, und Sie widersprechen wahrscheinlich nicht.

    Mappus: Ja, natürlich nicht. Das ist doch klar. Was der Bundesumweltminister in den letzten Monaten abgeliefert hat, das würde sicherlich auch die Note Befriedigend nicht erfüllen, denn es ist nicht das, was wir vor der Wahl zugesagt haben. Und da sind viele verunsichert worden, sowohl bei unseren Anhängern als auch zum Beispiel im Bereich der Wirtschaft. Und solche Dinge dürfen und können wir uns nicht mehr leisten.

    Heinemann: Interview der Woche im Deutschlandfunk mit Stefan Mappus, dem Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg und CDU-Landesvorsitzender. Die Regierung ist eins, Herr Mappus, die Partei ein anderes. Am vergangenen Montag haben Sie einen Termin in Berlin wahrgenommen, zusammen mit Parteifreunden, die sich um das konservative Profil der CDU Sorgen machen. Was passt Ihnen nicht im Augenblick in der Merkel-CDU?

    Mappus: Da müsste ich Sie jetzt zunächst mal in zwei Sachen korrigieren. Erstens habe ich nicht an einem Treffen teilgenommen, sondern ich habe zu einer Gesprächsrunde eingeladen. Und das Zweite ist, dass das jetzt kein Treffen von reinen Konservativen war, sondern dass wir uns seit Jahren aus der Fraktionsvorsitzendenrunde der CDU im Bunde und im Land heraus regelmäßig treffen und uns austauschen. Und da gibt es Dinge, wo wir sagen, die laufen gut, und da gibt es Dinge, wo wir sagen, die laufen nicht so gut. Und so ein Austausch bringt ja durchaus Erkenntnisse. Aber da ging es jetzt weiß Gott nicht nur um das Thema 'konservativ', sondern da geht es regelmäßig um die Frage, wie können wir einen Beitrag dazu leisten, dass die CDU in Zukunft in Gänze optimale Wahlergebnisse erzielt. Und darüber haben wir uns ein, zwei Stunden ausgetauscht.

    Heinemann: Muss der Kurs der Partei korrigiert werden?

    Mappus: Ich glaube nicht, dass der Kurs korrigiert werden muss. Im Gegenteil, ich glaube, dass sich in den letzten ein, zwei Jahren schon manches getan hat, wo auch die drei Wurzeln der CDU, das liberale, das soziale und das konservative Element wieder sehr viel stärker gleich behandelt werden. Aber ich glaube, es gilt das vorher auch Gesagte. Sie können Programmatik haben so viel Sie wollen. Wenn Sie die nicht adäquat bei den Menschen unterbringen, wenn Sie sie nicht richtig erklären oder wenn es in der Kommunikation ein gewisses Durcheinander gibt, dann ist das nicht hilfreich. Und da haben wir sehr stark drüber diskutiert am Montagabend, wie wir alle gemeinsam dafür arbeiten können, dass das besser wird.

    Heinemann: Erstaunlich ist, Herr Ministerpräsident, es war in dieser Woche aus Brüssel zu hören von Olli Rehn, der Währungskommissar möchte, dass zum Beispiel Wolfgang Schäuble seinen Haushaltsentwurf von der EU-Kommission künftig absegnen lässt. Ist das eine gute Idee?

    Mappus: Nein, das ist keine gute Idee. Erstens ist sie auch nicht abgedeckt durch Beschlusslagen auf europäischer Ebene, zweitens sind wir ein Staatenbund, das heißt, wir sind ein Zusammenschluss von bestimmten Staaten, in dem Fall von 27 Staaten, wo klar definiert ist, was die europäische Ebene macht, was die nationale Ebene macht, was im Zuge von Regionalisierung die Länder und die Kommunalparlamente machen. Und eine Art - ich sage es mal - Oberaufsicht irgendeines EU-Kommissars in Brüssel über 26 Nationalhaushalte darf es nicht geben. Und da bin ich der Überzeugung, das wird es mit Deutschland auch nicht geben. Da, finde ich, maßt sich die Europäische Kommission etwas an, was ihr nicht zusteht.

    Heinemann: Angela Merkel hat gesagt, sie finde, das sei keine schlechte Idee.

    Mappus: Ja, das kann man unterschiedlich sehen. Ich halte es für keine gute Idee.

    Heinemann: Erst zaudern, dann Hals über Kopf - wie bewerten Sie das Krisenmanagement der Bundeskanzlerin in dieser letzten Euro-Krise?

    Mappus: Ich sah das nicht als Zaudern und dann Hals über Kopf. Im Gegenteil, schauen Sie, wenn gerade die deutsche Regierungschefin - wir sind mit Abstand der größte und wirtschaftsstärkste Staat in Europa, somit übrigens auch an eventuellen Lasten am stärksten beteiligt - in einer solchen Krise, wo es um viele Milliarden an Krediten und Garantien geht, sofort zu allem Ja und Amen sagt, dann glaube ich nicht, dass das die Verhandlungsposition wäre, die Deutschland entspricht.

    Ich glaube, sie hat eine ganze Menge herausgeholt. Und die Märkte in dieser Woche, übrigens in der Hauptsache der deutsche Aktienmarkt, zeigen doch, dass die Vorgehensweise so schlecht nicht war. Ich glaube, dass das Ziel erreicht ist, dass man den Finanzmärkten signalisiert, hier wird gegengesteuert gegen das Zocken von manchen. Ich glaube, am DAX kann man in dieser Woche sehr schön sehen, dass das erfolgreich ist. Und ich glaube, jetzt muss der weitere Schritt kommen. Und die Kanzlerin geht es ja auch an, nämlich die Fragestellung, wie müsste man ordnungspolitisch in den Finanzmärkten mehr Restriktionen einbauen, damit in Zukunft bestimmte Dinge nicht mehr passieren können. Da vernehme ich mit großer Genugtuung, dass die Kanzlerin, dass die Bundesregierung da jetzt an Tempo deutlich zulegt. Das halte ich für richtig.

    Heinemann: Nur was das Vorgehen betrifft, kann man, glaube ich, auf gut Deutsch sagen, die CSU ist stinksauer zurzeit.

    Mappus: Wissen Sie, die CDU ist eine große Volkspartei mit 600.000 Mitgliedern, die CSU ist eine große Volkspartei mit über 200.000 Mitgliedern, wohlgemerkt bezogen auf ein einziges Bundesland. Die FDP hat ja auch noch ein paar Mitglieder. Wenn Sie da Politik in einer Krisensituation so machen wollen, dass alle zufrieden sind, das ist nicht so ganz einfach. Und wenn es dann ab und zu mal ein paar Verstimmungen gibt, dann gibt es die. Dann ist das wie im richtigen Leben, dann setzt man sich danach zusammen und einigt sich wieder.

    Heinemann: Herr Mappus, Sie sind ein studierter Wirtschaftswissenschaftler. Viele Bürgerinnen und Bürger fragen sich: Entwickelt sich der Euro zur Weichwährung?

    Mappus: Diese Diskussion hatten wir schon bei der Beschlusslage zum Euro. Da gab es auch einige Wirtschaftsprofessoren, auch aus Baden-Württemberg, die damals gesagt haben, der Euro wird weich. Jetzt haben wir bald zehn Jahre Euro hinter uns. Es ist eine der stärksten Währungen dieser Welt. Sie lag jetzt bis zu Beginn der Krise häufig übrigens höher, als es manchem recht war. Da habe ich immer gelesen, der Euro ist eigentlich zu hoch, was vor allem die Exporte schwierig gemacht hat. Jetzt sind wir im Bereich der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise mit einigen Problemen behaftet, übrigens vielen Problemen, die nichts mit dem Euro zu tun haben, sondern die etwas damit zu tun haben, dass wir Stabilitätskriterien, die Bedingung für den Euro waren und Beschlusslage waren, nicht eingehalten wurden und dass sich eine Reihe von Staaten, übrigens auch Deutschland, zu hoch verschuldet hat.

    Das Problem ist also nicht der Euro. Der Euro ist hart, er wird auch hart bleiben. Ich glaube auch nicht, dass es jetzt eine Welle der Inflation geben wird, so wie das manche befürchten. Aber klar ist, man muss die Kriterien auch einhalten, sprich man muss die Spielregeln, die man vor Beginn des Spiels vereinbart hat, auch einhalten. Wenn Sie die Spielregeln nicht einhalten, dann ist es völlig egal, ob Sie den Euro oder die D-Mark oder sonst irgendwas haben, dann haben Sie im Währungsbereich ein Problem. Und deshalb würde ich mir wünschen, dass dort die Europäische Union zum einen das Zahlenmaterial liefert, aber zum anderen auch etwas stärker hinschaut. Wir müssen einfach dafür sorgen, dass die Spielregeln von allen Ländern eingehalten werden. Bei Griechenland war das offensichtlich nicht der Fall. Im Gegenteil, Griechenland hat sogar vorsätzlich falsche Zahlen geliefert. Solche Dinge dürfen in Zukunft nicht mehr passieren. Den Euro halte ich nach wie vor für das einzig Richtige.

    Heinemann: Verstehen Sie die Politik der Europäischen Zentralbank noch, die jetzt Schrottanleihen aufkauft?

    Mappus: Die Europäische Zentralbank, die sich in den vergangenen nunmehr neun Jahren wirklich als exzellentes Instrument erwiesen hat, geht in der Tat im Moment einen ungewöhnlichen Weg, aber sie geht ihn natürlich auch in einer außerordentlich schwierigen Situation. Wenn Sie die reine Lehre nehmen, ist es schwer nachvollziehbar. Situationsbezogen ist es, glaube ich, als Ausnahmesituation richtig, weil die Alternative mit Blick auf die Märkte sicherlich sehr viel schlechter wäre. Aber es darf nicht Schule machen und es wird im übrigen auch nicht Schule machen.

    Heinemann: Wo sind die Grenzen einer Wirtschaftsregierung für Sie? Man kennt den Vorschlag von Christine Lagarde, der französischen Finanz- und Wirtschaftsministerin, die gesagt hat, die Deutschen müssen die Exporte drosseln und die Nachfrage steigern. Ist das Aufgabe von Brüssel oder von Paris?

    Mappus: Das ist weder Aufgabe von Brüssel noch ist es Aufgabe von Paris noch ist es Aufgabe von Berlin, denn - mit Verlaub - Planwirtschaft gibt es im Sozialismus. Das Zeitalter haben wir ja, in Europa jedenfalls, im weitesten Teil hinter uns. Bei allem Respekt vor den Kollegen in Frankreich, aber dieser Vorschlag von Madame Lagarde bildet wirklich nicht das Hoch französischer Politik, denn Sie können doch Exporte in ihrem Volumen nicht steuern. Wie soll denn das funktionieren? Sie können doch nicht irgendwelchen Partnern in Europa quasi sagen, ab Oktober dürft ihr keine deutschen Waren mehr kaufen, weil sonst ein zu hoher Exportüberschuss erzielt wird. Ich glaube, dass Deutschland so stark ist, zeigt nur, dass wir in den letzen Jahren unsere Hausaufgaben gemacht haben, dass die deutsche Wirtschaft stark aufgestellt ist. Alles andere, was da an Äußerungen kam, sollte man, glaube ich, auch nicht so wahnsinnig hoch nehmen.

    Heinemann: Herr Mappus, Sie sind seit knapp 100 Tagen Ministerpräsident, Stichtag nächste Woche, Nachfolger von Günter Öttinger. A propos, sprechen Sie Englisch?

    Mappus: If you want to do it, we can try the interview in english.

    Heinemann: Great. Günter Öttingers englischer Vortrag ist ein Renner auf YouTube. Können Sie darüber lachen?

    Mappus: Wissen Sie, als Politiker müssen Sie manches ertragen. Aber manche Medien müssen sich meines Erachtens auch mal fragen, ob das, was sie auch mit Politikern veranstalten, da in Ordnung geht. Günter Öttinger ist einer der intelligentesten Köpfe, die ich kenne, der viel für dieses Land getan hat, der nach meiner Überzeugung einen exzellenten Job machen wird auf der Ebene der Europäischen Union. Und vielleicht sollte man sich da etwas mehr auf die Inhalte konzentrieren.

    Heinemann: Worin unterscheiden Sie sich von Ihrem Vorgänger?

    Mappus: Das überlasse ich anderen. Ich urteile nicht über mich selber, aber ich glaube, die Unterschiede sind relativ offensichtlich. Insofern dürfen das andere beurteilen.

    Heinemann: Also, Sie würden keine Kaltgetränke aus Damenschuhen zu sich nehmen?

    Mappus: Ich würde mich vor allem nicht zu allem äußern. Auch nicht zu diesem Punkt.

    Heinemann: Stichwort nicht zu allem äußern. Bundespolitisch sind Sie in den vergangenen hundert Tagen noch nicht so stark in Erscheinung getreten, jedenfalls gemessen mal an den Alphatieren Koch, Wulf, Müller vielleicht noch, Tillich. Noch nicht, haben Sie das vor? Kommt das noch?

    Mappus: Also, die Qualität von Politik bemisst sich weder an der Frequenz noch an der Lautstärke von Wortmeldungen. Ich melde mich dann zu Wort, wenn ich das für notwendig halte. Ganz abgesehen davon ist es sicherlich auch richtig, dass man zu Beginn einer Amtszeit sich zunächst einmal um das kümmert, was originär die Aufgabe ist, das ist das Land. Dass wir natürlich bundespolitisch immer eine gewisse Rolle gespielt haben und sie auch immer spielen werden, ist richtig. Und da gilt der Grundsatz: immer alles zum richtigen Zeitpunkt.

    Heinemann: Darf ich Sie um eine Antwort bitten auf die vermutlich letzte Frage mit Ja oder Nein. Könnten Sie Kanzler?

    Mappus: Die Frage stellt sich ja jetzt wirklich nicht. Außerdem, auch da rate ich jedem, übrigens auch jedem Ministerpräsidenten, dass er da weder öffentlich drüber diskutiert noch da sich in Eigenurteilen ergeht. Angela Merkel ist völlig unumstritten. Und das Törichste, was man in der CDU oder generell in Deutschland machen könnte, ist, wenn man jetzt möglichst viel über Personen redet. Und dazu bin ich nicht zu gewinnen.

    Heinemann: Und spielt in Ihrer Lebensplanung auch noch keine Rolle?

    Mappus: In meiner Lebensplanung hat bisher immer eine Rolle gespielt, dass ich das, was ich mache, in möglichst hoher Qualität mache, dass wir dann in Baden-Württemberg gute Wahlergebnisse erzielen. Und ich kann Ihnen nur sagen, und das ist wirklich meine tiefe Überzeugung, ich habe eines der schönsten Ämter, das es überhaupt gibt. Und ich wüsste nicht, warum ich mir über anderes Gedanken machen soll.

    Heinemann: Herr Mappus, Dankeschön für das Gespräch.