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Politikwechsel?

In der Berufsbildenden Abteilung der Gemeinnützigen Werkstätten Köln, GWK, lernt David Eickelbeck, wie man Metall mit Maschinen bearbeitet. Nach zweijähriger Ausbildung wird der leicht geistig behinderte junge Mann im Sommer in die Produktionsabteilung der GWK überwechseln. Dort wird er dann unter anderem Scharniere für Autotüren herstellen und dafür - je nach Leistung - zwischen 67 und 700 Euro im Monat bekommen. Vielleicht findet sich aber auch noch ein Arbeitsplatz auf dem ersten Arbeitsmarkt für David, hoffen seine Ausbilder. Der anstellige junge Mann hat in der Werkstatt für behinderte Menschen wertvolle Fähigkeiten erworben, wie er voller Stolz demonstriert.

Cornelia Schäfer | 18.04.2003
    Davids Ausbildung und auch die der anderen 120 geistig, körperlich oder seelisch behinderten Jugendlichen bei der GWK wird von der Bundesanstalt für Arbeit bezahlt. Seit 1979, als die Zuständigkeit dafür vom Sozialhilfeträger auf die Arbeitsverwaltung überging, gab es eigentlich kaum einmal Schwierigkeiten mit diesem Anspruch. Nun allerdings scheint - nicht nur in Köln - die bewährte Praxis gefährdet zu sein. Reinhold Albers von der Werkstattleitung berichtet:

    Das Arbeitsamt hat uns mitgeteilt, dass bis auf weiteres keine weiteren Maßnahmen finanziert werden können, aus haushaltstechnischen Gründen. Und das bedeutet für die kommenden Schulabgänger, wenn es im Herbst noch so ist, dass die keine Aufnahme in die Werkstatt finden können. Das sind insgesamt 143 Menschen hier in Köln, die direkt betroffen sind zum Herbst hin, und wie viel das im Laufe der Zeit werden, kann man ja nicht sagen.

    Ungewissheit quält auch Anne und Michael Opladen. Ihre Tochter Maria beendet im Sommer die Schule für Körperbehinderte und möchte dann in einer Werkstatt für Behinderte weiterlernen.

    Ja, vom Arbeitsamt haben wir eigentlich zunächst mal nur erfahren, dass der Antrag jetzt läuft, und wir haben dann in einem Gespräch in der Werkstatt dann erfahren, dass das Arbeitsamt nicht bereit ist, die Kosten für diesen Berufsbildungsbereich, also die ersten circa zwei Jahre zu übernehmen. Daraufhin haben wir das Arbeitsamt angeschrieben und um einen schriftlichen Bescheid gebeten. Das Arbeitsamt hat sich dann nur mündlich gemeldet und hat gesagt, dass wir keinen Anspruch auf einen Bescheid hätten, dass Maria angemeldete wäre, dass auch die volle Zeit im Berufsbildungsbereich bewilligt ist, aber dass sie zur Zeit die Kosten nicht übernehmen können. Mehr wissen wir nicht. Wir haben bis heute keinen schriftlichen Bescheid."

    Verwirrung und Sorge nicht nur unter Kölner Betroffenen: In Niedersachsen ist die Aufnahme des gesamten nächsten Werkstattjahrgangs ungesichert, in Darmstadt will das Arbeitsamt den Beginn der Maßnahme womöglich verschieben und die zweijährige Ausbildung um ein Jahr kürzen, das Landesarbeitsamt Sachsen hat die Kostenerstattung für die Auszubildenden gekürzt, in Schleswig Holstein verschob das Arbeitsamt Neumünster den Beginn der Ausbildung aus Kostengründen um eineinhalb Monat - nicht nur Anne und Michael Opladen fragen sich, was sie machen sollen, wenn ihr behindertes Kind nach der Schule auf der Straße stehen sollte.

    Das wäre für Maria natürlich sehr schlimm, weil sie dann ja kaum noch soziale Kontakte haben würde, beziehungsweise wir müssten sehr viele Anstrengungen unternehmen, um ihr das zu ermöglichen. Dann ist es bei ihr so, dass sie ihre Fähigkeiten eigentlich ständig trainieren muss, sonst gehen die verloren, das würde bedeuten, entweder sie verliert diese Fähigkeiten oder wir müssen enorme Anstrengungen unternehmen, um sie weiter zu fördern, versuchen, ihr sinnvolle Aufgaben zu übertragen, was natürlich schwierig ist, weil wir sind ja Laien, wir sind ja keine ausgebildeten Heilpädagogen. Dazu kommt natürlich auch, dass die Zeit einfach schwierig ist, die Zeit aufzubringen: Ich bin voll berufstätig, um die Familie zu ernähren, mein Mann ist Frührentner, ist schwer krank, und kann eigentlich sehr wenig machen, und von daher wäre das sehr schwierig.

    Ganz im Stich lassen kann die Bundesanstalt für Arbeit die Betroffenen aber nicht. Schon weil behinderte Jugendliche, die dazu in der Lage sind, in Deutschland einen Rechtsanspruch auf berufliche Förderung haben. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen e.V. rät deshalb betroffenen Jugendlichen und ihren Eltern, notfalls gerichtlich einen schriftlichen Bescheid des zuständigen Arbeitsamtes zu erzwingen und den Werkstattplatz einzuklagen. Auch eine deutliche Verzögerung der Ausbildung müsse nicht hingenommen werden, so der Geschäftsführer der Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung in Marburg, Klaus Lachwitz,

    Wir raten den Jugendlichen dazu, Eilanträge zu stellen. Also, sich darauf zu berufen - und das ist eigentlich bei Menschen mit geistiger Behinderung auch ganz gut nachweisbar - wenn sie die Schule verlassen und dann vier oder fünf Monate gar nichts mehr tun, dann ist also das Förderungspotenzial, das man in der Schule erreicht hat, schon wieder gefährdet, und damit kann man sicherlich dann auch einen Eilantrag begründen...bis hin zu der Überlegung, ob man sich nicht diese Leistung selbst beschafft - das ist der Fachbegriff - das heißt, man vereinbart mit der Werkstatt, dass man diesen Berufsbildungsplatz zunächst selbst finanziert, vorfinanziert, und dann schickt man der Bundesanstalt die Rechnung. Das ist rechtlich denkbar, man könnte sogar die Zinsen in Rechnung stellen.

    Auch an anderer Stelle versucht die Bundesanstalt für Arbeit, im Behindertenbereich Gelder einzusparen. So werden Anträgen von Werkstätten auf Förderung der baulichen Sanierung oder Erweiterung nicht stattgegeben, auch wenn sie im letzten Jahr schon mit der Arbeitsverwaltung abgestimmt worden waren und erste Schritte bereits eingeleitet sind. Die Gelder für solche sogenannten investiven Maßnahmen stammen zu großen Teilen aus der Ausgleichsabgabe, dem Topf also, in den Arbeitgeber einzahlen müssen, die weniger als 5 Prozent schwerbehinderte Menschen beschäftigen. Davon profitieren normalerweise auch die bundesweit 350 Integrationsfirmen, Unternehmen des ersten Arbeitsmarktes, die zu einem überwiegenden Prozentsatz leistungsgeminderte, meist psychisch behinderte Mitarbeiter eingestellt haben und dafür gefördert werden. Rund 5000 schwerbehinderte Mitarbeiter beschäftigen diese Firmen, aber nun haben auch sie Probleme mit den Arbeitsämtern bekommen. Seit einigen Monaten bemühen sie sich in vielen Fällen erfolglos um die notwendigen Eingliederungsmittel, wie der Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsfirmen, Arnd Schwendy, berichtet:

    Die persönlichen Zuschüsse für die Lohnkosten, die bisher drei Jahre dauerten und ungefähr 50 Prozent betrugen, sind ratz auf Fatz ohne jede Vorankündigung von der Bundesanstalt in diesem Jahr eingestellt worden, obwohl es dafür überhaupt keine Rechtsgrundlage gab, und auch die Gelder aus dem Ausgleichsfond nicht reduziert worden sind, also wir standen alle vor einem Rätsel, und es hat dazu auch keine schriftlichen Ablehnungsbescheide gegeben, sondern nur Anrufe: Tut uns leid, die Kassen sind leer, wir können nicht zahlen.

    Der Kölner Betrieb, in dessen Vorstand Arnd Schwendy sitzt, musste soeben drei Mitarbeitern eine Weiterbeschäftigung versagen. Sie waren ein Jahr lang vom Sozialamt gefördert worden, der nun erwartete Eingliederungszuschuss vom Arbeitsamt wurde jedoch nicht bewilligt.

    Das heißt, die haben sich ein Jahr lang mühevoll und voller Hoffnung und auch sehr gut entwickelt und stehen jetzt vor dem Nichts, wenn nicht von der Bundesanstalt noch umgesteuert wird. Denn wir können uns das nicht leisten. Die wirkliche Leistung dieser Menschen, betriebswirtschaftlich, beträgt etwa 40-60 Prozent, und wenn das nicht kompensiert wird - und wir zahlen schon sehr niedrige Tarife - gerät der Betrieb in die roten Zahlen, und damit ist niemand gedient. Volkswirtschaftlich ist das ein Wahnsinn, denn die Menschen kriegen sonst Sozialhilfe, Arbeitslosenhilfe oder Rente und erwirtschaften nichts, und das wird unterm Strich für die Gemeinschaft der Steuerzahler sehr viel teurer, als sie zu beschäftigen. Abgesehen von der Inhumanität, die das bedeutet, einfach zu Hause zu sitzen und Däumchen drehen zu müssen.

    Betroffen von dem Kurswechsel der Arbeitsämter sind auch die bundesweit zwölf Berufstrainingszentren, die Menschen nach einer schweren psychischen Krise für einen beruflichen Wiedereinstieg vorbereiten. Hier wird mit den Rehabilitanden abgeklärt, was diese noch können und was sie erreichen möchten, berufliche und persönliche Qualifikationen werden trainiert, Betriebspraktika absolviert und nach drei bis fünfzehn Monaten eine Stelle gesucht. Ob die bewährte Arbeit auch in Zukunft so weitergehen kann, ist unklar. So gibt es unter den Arbeitsämtern die Tendenz, wie schon bei den Trägern allgemeiner Qualifizierungsmaßnahmen geschehen, auch den Berufstrainingszentren nur Mittel zu bewilligen, wenn sie mindestens 70 Prozent ihrer Klienten auch in den allgemeinen Arbeitsmarkt vermitteln- nicht leicht zu erfüllen bei der speziellen Zielgruppe. Aber auch unabhängig von der Erfolgsquote drohen Arbeitsämter in manchen Regionen mit Mittelkürzungen oder verweigern - wie in Köln geschehen - sogar jede Finanzierung. Christiane Haerlin, Leiterin des Kölner Berufstrainingszentrums:

    Wir sind praktisch fast über Nacht damit konfrontiert worden, dass gesagt wurde: Der Arbeitsamtsbezirk Köln hat keinerlei Geld mehr zur Verfügung im Augenblick für berufliche Rehabilitationsmaßnahmen, und zusammen mit anderen Einrichtungen sind wir da voll betroffen in diesem großen Ballungsgebiet, und das ist für uns natürlich ein schwerer Schlag, vor allem für die Betroffenen, die sich ja monatelang vorbereitet haben.

    Zehn psychisch behinderten Bewerbern, die eigentlich im März aufgenommen werden sollten, wurde die Maßnahme vorerst zumindest abgelehnt. Christiane Haerlin sorgt sich um die Menschen, die nun mit der Ungewissheit über ihre Zukunft zurechtkommen müssen.

    Die Spezialität bei dem Personenkreis ist ja, die gute psychische Stabilität vorher auch vorzubereiten, auch zu begleiten und den richtigen Zeitpunkt zu wählen. Und das ist gerade die Schwierigkeit, wenn der überschritten ist, dann stehen diese Leute ein paar Monate später gar nicht mehr an, weil es geht ihnen wieder schlecht, sie haben Rückfälle, sie sind vielleicht wieder in der Klinik, sie haben die Hoffnung aufgegeben. Insofern ist es für uns äußert schwierig, diesem Personenkreis, das sind über zehn Personen, die jetzt nicht beginnen können, Mut zu machen, wir werden Gespräche mit ihnen machen, dass sie durchhalten.

    Geistig und körperlich beeinträchtigte Jugendliche, die keine Zusage auf einen Ausbildungsplatz in einer Werkstatt für Behinderte bekommen; psychisch behinderte Erwachsene, denen eine Qualifizierungsmaßnahme zum Wiedereinstieg in den Beruf verwehrt wird, und solche, die umsonst auf einen Arbeitsplatz in einem Integrationsbetrieb hoffen - müssen behinderte Menschen in Zeiten steigender Arbeitslosigkeit, überlasteter Bundeshaushalte und des Umbaus der Arbeitsverwaltung um ihr Recht auf Teilhabe am Arbeitsleben fürchten?

    Das wäre furchtbar, wenn es so wäre und wenn die Bundesanstalt dazu einen Beitrag leisten würde, insbesondere im Europäischen Jahr der Behinderten,

    ..sagt Heinrich Alt vom Vorstand der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg,

    Natürlich haben wir begrenzte Budgets. Wir müssen auch mit diesen begrenzten Budgets umgehen. Aber auf der anderen Seite haben Behinderte auch in der Regel einen Anspruch auf eine Pflichtleistung zur beruflichen Rehabilitation, und diese Pflicht wird auch von der Bundesanstalt für Arbeit erbracht.

    Allerdings: Nicht alles, was sinnvoll ist und lange gut funktioniert hat, ist eine Pflichtleistung. So haben Werkstätten natürlich keinen fixen Anspruch auf Baugelder, auch wenn diese noch so notwendig sind, weil der Kreis derjenigen, die auf die Förderung durch die Werkstatt angewiesen sind, wächst. Auch der Eingliederungszuschuss für leistungsgeminderte schwerbehinderte Menschen unterliegt in gewissen Grenzen dem Ermessen der Arbeitsämter. Und selbst bei den eindeutigen Pflichtleistungen wie der beruflichen Förderung und Rehabilitation schwerbehinderter Jugendlicher und Erwachsener ist man neuerdings offenbar entschlossen, Abstriche zu machen. Heinrich Alt erklärt das so:

    Wir haben sehr viele Teilnehmer in Reha-Maßnahmen, wir waren also mit einem hohen Prozentsatz vorbelastet mit Leistungen, die wir schon vereinbart hatten. Der Handlungsspielraum für neue Maßnahmen war und ist relativ gering, deswegen werden wir nicht mehr alle Maßnahmen und nicht mehr alle Maßnahmen in diesem Umfang machen können, wir müssen hier steuern. Ich glaube, wir sind auch aufgefordert zu steuern, weil bei der Bundesanstalt für Arbeit in den letzten fünf Jahren die Kosten für berufliche Rehabilitation um 50 Prozent gestiegen sind. Und wir sind hier auch an einer Grenze angelangt, wo wir sicherlich mit den Beteiligten diskutieren müssen: Wie gehen wir damit um, denn wir können die 50 Prozent nicht in die Zukunft fortschreiben.

    Zwar wurden die Mittel für Rehabilitations-Pflichtleistungen 2003 gegenüber den Ausgaben des letzten Jahres um 8,8 Prozent aufgestockt. Aber: Der Vorstandsvorsitzende der Bundesanstalt für Arbeit, Florian Gerster, hat dem Kanzler bekanntlich zugesagt, wenn irgend möglich, in diesem Jahr auf einen Bundeszuschuss zu verzichten. Und so muss man jetzt mit den einmal zugesagten Mitteln hinkommen. Der Topf für Reha-Pflichtleistungen hat erstmals einen Deckel. Und wo früher nur auf den Rechtsanspruch geschaut wurde - und am Ende des Jahres zuviel ausgegebene Mittel vom Bund ausgeglichen wurden, hat man diesmal schon frühzeitig in den Topf geschaut und angesichts der wiederum gestiegenen Ausgaben gewissermaßen eine Vollbremsung vollzogen.

    Wie es weitergehen soll, beschreibt Heinrich Alt von der Bundesanstalt für Arbeit:

    Die Ämter stehen derzeit unbestritten vor einem Steuerungsproblem, und sie werden natürlich Maßnahme für Maßnahme sich anschauen und fragen: Bringt diese Maßnahme das Ziel, das wir damit verfolgen? Sind die Kosten für diese Maßnahme angemessen? Haben wir eine preiswertere Alternative, um das gleiche Ziel zu erreichen oder vielleicht einen höheren Effekt zu erreichen?

    Hoffnung setzt die Bundesanstalt dabei auf alles, was die Arbeitslosen - auch diejenigen, die eine Behinderung haben - in den allgemeinen Arbeitsmarkt bringen könnte: Ich-AG und Personalserviceagenturen zum Beispiel, wie sie von der Hartz-Kommission konzipiert wurden und bereits als Instrumente der Arbeitsmarktpolitik zur Verfügung stehen. Oder die Integrationsfachdienste, die Behinderte in Erwerbsarbeitsplätze vermitteln. Aber diese Instrumente allein werden wohl überwiegend nur den leichter Beeinträchtigten zugute kommen. Dass die neuen Maßnahmen Gelder kosten, die dann etwa bei Werkstätten oder Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen wieder eingespart werden müssen, wird dennoch sehenden Auges hingenommen. Werden sie wenigstens den erhofften Erfolg bringen? Nach der Arbeitsplatzoffensive für Schwerbehinderte, die im letzten Jahr rund 50 000 Menschen in Arbeit brachte, hat die Arbeitslosigkeit in diesem Bereich schon wieder um Tausende zugenommen.

    Klaus Lachwitz, Geschäftsführer der Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung, beklagt denn auch ein kurzsichtiges Fixiertsein auf den ersten Arbeitsmarkt und einen entsprechenden Wandel des Menschenbildes bei der Bundesanstalt für Arbeit.

    Es ist so eine scheinbar moderne Terminologie, die jetzt einreißt. Man spricht nicht mehr von Arbeitsämtern, man spricht von Jobcentern, alles wird in englischer Sprache ausgedrückt, und wenn man dann so hinter die Kulissen steigt, dann stellt man fest, dass der arbeitsmarktfähige Mensch im Vordergrund der Bemühungen steht, der integrationswillige arbeitsmarktfähige Mensch. Und das muss man dann so ein bisschen abklopfen, um festzustellen, dass sich alle Kräfte der BA in Zukunft darauf konzentrieren sollen, Menschen in den ersten Arbeitsmarkt einzugliedern. Das ist sicherlich für den Normalverbraucher auch sinnvoll, denn die meisten Arbeitslosen wollen ja, wenn überhaupt, dann zurück auf den Ersten Arbeitsmarkt. Nur: Es gibt auch einen sehr großen Zweiten Arbeitsmarkt, für den die Bundesanstalt für Arbeit zuständig war, und dazu zählen die Werkstätten für behinderte Menschen.

    Ein Kurswechsel, der die Behinderten ihre Chancen kosten wird? Dass die Zuständigkeit für die Rehabilitation der Behinderten beim Bundesministerium für Gesundheit geblieben ist, während die Politik der Bundesanstalt für Arbeit vom Ministerium für Wirtschaft und Arbeit kontrolliert wird, werten Beobachter als eine Schwächung der Behindertenbelange. n Sparanstrengungen betrieben wurden, gibt zu denken. Da erleichtert auch die jüngste Ankündigung Kanzler Schröders wenig, die Behinderten müssten sich keine Sorgen machen, es würde schon darauf geachtet werden, dass die Schwächsten nicht durch den Rost fielen. Arnd Schwendy von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsfirmen jedenfalls bleibt besorgt.

    Wir haben ne vierzigjährige Sozialstaatstradition, in der es einen derartig radikalen - und ich muss auch sagen, fast menschenverachtenden - Einschnitt durch eine Sozialbehörde, wie wir sie jetzt erlebt haben, noch nicht gegeben hat. Es ist vorher nicht kommuniziert worden, es ist auch nie bei der Verabschiedung des Bundeshaushaltes für dieses Jahr über so was geredet worden. Alle Politiker sind aus allen Wolken gefallen, als sie das gehört haben. Und es ist schon ne Chuzpe sondergleichen, praktisch ohne sich politische Beschlüsse zu holen, derartig die gesetzlichen Vorgaben zu unterlaufen.

    Eins ist klar. Das Thema wird so schnell nicht vom Tisch sein. Denn der Verteilungsspielraum wird enger. Und während manches Land und manche Kommune im Vorgriff auf die Hartzsche Zusammenlegung der Arbeits- und Sozialämter bereits jede eigene Förderungsmaßnahme für behinderte und benachteiligte Menschen einstellt, überlegen die Verantwortlichen in der Bundesanstalt für Arbeit ihrerseits, wie sie sich von dem größer werdenden Druck auf ihren Haushalt befreien können. Heinrich Alt:

    Wenn die Zusammenlegung der Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe kommt, und sie wird kommen, sie ist ja angekündigt, und wir die erwerbsfähigen Personen übernehmen, muss der Steuerzahler auch die aktive Arbeitsmarktpolitik für diesen Personenkreis tragen.