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Politikwissenschaftler: Papandreou hat eine sehr schwierige Zeit hinter sich

Dass die Regierungs- und die Oppositionspartei in Athen einen Konsens gefunden haben, hält der Politikwissenschaftler Janis Emmanouilidis für eine gute Nachricht. Wichtig sei nun, einen Ministerpräsidenten zu bestimmen, den beide Parteien akzeptieren.

Janis Emmanouilidis im Gespräch mit Friebert Meurer | 07.11.2011
    Friedbert Meurer: Griechenland bekommt einen neuen Ministerpräsidenten. Gestern Abend hat Giorgos Papandreou angekündigt, von seinem Amt zurückzutreten. Vielleicht heute schon soll sein Nachfolger gekürt werden. Er wird an der Spitze einer Übergangsregierung stehen, an der sich auch die Konservativen beteiligen wollen. Für Resteuropa bleibt es aber dabei: Griechenland muss sparen, sich an die Beschlüsse halten, sich reformieren. Der bange Blick geht darüber hinaus auch in Richtung Italien. Thema das alles heute wieder einmal für die Euro-Finanzminister.
    In Athen jagte am Wochenende regelrecht eine Sitzung die nächste. Der Staatspräsident wurde immer wieder eingeschaltet und am Ende einigten sich dann die Sozialisten und die Opposition auf eine Übergangsregierung, ohne wie gehört Papandreou als Ministerpräsident.
    Also in Athen haben sich die Parteispitzen endlich auf eine Übergangsregierung geeinigt. Papandreou wird als Ministerpräsident zurücktreten. Neuwahlen wird es geben im Februar und alles in allem, der politische Druck wird natürlich enorm weiterhin lasten auf jedweder Regierung in Athen.

    Darüber will ich jetzt reden mit Janis Emmanouilidis, er ist Politikwissenschaftler und Berater am European Policy Centre in Brüssel. Guten Morgen, Herr Emmanouilidis.

    Janis Emmanouilidis: Guten Morgen, Herr Meurer.

    Meurer: Wie gut finden Sie die Einigung vom Wochenende?

    Emmanouilidis: Das ist eine gute Nachricht, denn beide Seiten, die regierende Pasok-Partei und die Oppositionspartei Nea Dimokratia, haben zumindest einen Konsens gefunden. Und diesen Konsens, den gab es über die letzten 20, 22 Monate nicht; von daher ist es eine gute Nachricht, sowohl für Griechenland, denn die Gefahr eines Staatsbankrotts wird dadurch hoffentlich abgewandt, und auch für die EU, denn wir brauchen auch in Athen Stabilität, damit die Krise nicht in anderen Ländern sich verschärft, wie vor allem in Italien.

    Meurer: Bedauern Sie es, dass Giorgos Papandreou nicht mehr Ministerpräsident bleibt?

    Emmanouilidis: Ich glaube, dass er keinen Rückhalt mehr hat, weder in seiner eigenen Partei, noch in der Regierung, oder nicht ausreichenden Rückhalt in der Regierung, und auch in der Bevölkerung nicht, und von daher war es der richtige Schritt, um die schweren Aufgaben, die jetzt anstehen, denn es handelt sich ja hier um einen schweren Marathon und keinen Sprint, erfüllen zu können.

    Meurer: Bei uns in Deutschland und in anderen Ländern ist Papandreou regelrecht zumindest teilweise ein gefeierter Mann gewesen, ein mutiger Mann, endlich jemand, der nicht einfach nur Wohltaten verspricht, sondern seinem Volk einiges zugemutet hat, auch wenn es ihn am Ende jetzt das Amt gekostet hat. Haben wir Papandreou vielleicht zu positiv gesehen?

    Emmanouilidis: Nein. Ich glaube, dass er eine sehr schwierige Zeit hinter sich hat, sowohl im Inland wie auch im Ausland. Der Druck war immens, innen und außen, und von daher hat er eine gute Arbeit geleistet in sehr, sehr schwierigen Zeiten. Also ich hätte nicht gerne in seiner Rolle gestanden in den letzten 20, 22 Monaten, und ich glaube auch, dass viele andere Regierungschefs es auch so sahen und sich gefragt haben, wie kann er es überhaupt so lang politisch überleben.

    Meurer: Gab es etwas, das Papandreou falsch gemacht hat?

    Emmanouilidis: Ich glaube, dass nicht nur Papandreou, sondern auch insgesamt die Regierung am Anfang nicht vehement genug durchgegriffen haben. Sie haben zu lange gezaudert und haben notwendige Reformmaßnahmen erst spät umgesetzt. Und dann zu einem späteren Zeitpunkt, vielleicht seit Anfang diesen Jahres, war es klar, dass man zu einem gewissen Maße die Kontrolle verloren hat, aufgrund vor allem auch der fehlenden Unterstützung, auch von den anderen Parteien. Von daher war die Aufgabe seit Anfang des Jahres immer schwieriger.

    Meurer: Der Führer der Nea Dimokratia, Samaras, hat ja seine Meinung geändert und will sich jetzt an einer Übergangsregierung beteiligen. Zumindest seine Partei soll sich daran beteiligen. Wie sehr glauben Sie, Herr Emmanouilidis, wird jetzt die konservative Opposition wirklich bereit sein, die Sparanstrengungen und Reformen mitzutragen?

    Emmanouilidis: Ich glaube, dass sie sie jetzt unterstützen muss. Das ist jetzt auch ihre Übergangsregierung und nicht nur die Übergangsregierung von Pasok. Es ist eine Regierung der nationalen Einheit, von daher muss sie das unterstützen, worum es jetzt geht: vor allem die Sicherung der sechsten Tranche und die Umsetzung der Beschlüsse vom 26., 27. 10.. Eine große Frage wird sein, was passiert nach den Wahlen, und das war das vornehmliche Ziel der Oppositionspartei und von Samaras, dass es Wahlen gibt, ob man auch danach weiterhin eine konsensorientiertere Politik führen wird, und das ist eine Frage, die man sich jetzt bereits stellen muss und die dann auch wichtig sein muss nach dem Wahltermin, wann immer der genau sein wird, aller Voraussicht nach am 19. Februar, aber das ist noch nicht sicher.

    Meurer: Wie viel oder wie wenig spricht denn dafür, dass beide Seiten pfleglicher miteinander umgehen werden?

    Emmanouilidis: Zum einen: die Tatsache, dass Papandreou nicht mehr Teil oder nicht Teil dieser Übergangsregierung sein wird, wird es sicherlich vereinfachen. Die Tatsache, dass ein Regierungschef gefunden wird, dem beide zustimmen, der auch hohes Ansehen aller Voraussicht nach, wenn es Papademos ist, sowohl zu Hause wie auch im Ausland genießt, all das wird dazu führen, dass beide Seiten entsprechend auch diese Regierung unterstützen. Aber es kann natürlich in jeder Phase auch noch Probleme geben, von daher abzuschätzen, wie genau es verlaufen wird, ist sehr, sehr schwierig.

    Meurer: Was trauen Sie denn Loukas Papademos zu? Er ist der ehemalige Vizepräsident der EZB, der Europäischen Zentralbank. Für welche Politik steht er?

    Emmanouilidis: Also es ist noch nicht hundert Prozent sicher, dass er es sein wird. Aber wenn er es sein würde, steht er für eine Politik des Vertrauens. Sowohl nach innen wie auch nach außen genießt er hohes Vertrauen, und das braucht das Land, denn Vertrauen und Stabilität wurden verloren. Und von daher jemanden zu haben, der dieses Vertrauen genießt, wird auch dem Land sicherlich gut tun. Aber die Aufgabe, vor der er und auch alle anderen Regierungsmitglieder stehen werden, wird immens sein.

    Meurer: Er wird ja, wenn überhaupt, dann nur für eine Übergangszeit Ministerpräsident sein. Nehmen wir einfach jetzt mal an, die konservative Nea Dimokratia wird die Wahl im Februar gewinnen, diese Partei hat schon gesagt, dann stellen wir als Erstes wieder die 30.000 Beamten ein, die Pasok entlassen will. Was macht Sie glauben, dass auch eine konservative Regierung Reformen betreiben wird?

    Emmanouilidis: Wenn wir die Umfragen anschauen, und die sind seit relativ geraumer Zeit stabil, sieht es so aus, dass Nea Dimokratia keine alleinige Regierung wird stellen können. Von daher wird auch Nea Dimokratia nach den Wahlen aller Voraussicht nach abhängig sein von anderen Parteien. Wer weiß – man kann das jetzt nicht absehen -, welche Parteien das sein werden und worauf man sich dann einigt. Von daher wird Nea Dimokratia nicht alleinig für den Kurs auch nach Februar verantwortlich sein, davon gehe ich eher aus.

    Meurer: Das war Janis Emmanouilidis, Politikwissenschaftler am European Policy Centre in Brüssel, zur großen Frage, wie es jetzt wohl weitergehen mag in Griechenland, nach dem angekündigten Rücktritt von Giorgos Papandreou. Besten Dank, Herr Emmanouilidis, für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Emmanouilidis: Danke schön. Auf Wiederhören!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.