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Politisch aktiv in der Fremde

Sie leben und arbeiten in Frankreich, ihr politisches Interesse gilt aber einer deutschen Partei: Der "Freundeskreis SPD" in Paris hat bereits 130 Mitglieder, Deutsche und Franzosen, und könnte nach eigenen Angaben bald sogar als Ortsverein anerkannt werden.

Von Ursula Welter | 15.01.2013
    "Der Freundeskreis in Paris, der wurde gegründet in den 90er-Jahren unter dem Namen Willy-Brandt-Freundeskreis."

    Ortsverein- SPD kann sich die Pariser Gruppe offiziell noch nicht nennen, aber die Partei in Deutschland arbeite daran, die Auslandsstrukturen anzupassen, sagt Elisabeth Humbert-Dorfmüller, die den Kreis derzeit leitet. 130 Mitglieder, über ganz Frankreich verteilt, Deutsche, Franzosen, die mit der SPD sympathisieren und alle, die sich der deutsch-französischen Sache nahe fühlen.

    "Deswegen werden wir wahrscheinlich vom Freundeskreis zum Ortsverein mutieren, in den nächsten vielleicht 24 Monaten."

    Elisabeth Humbert-Dorfmüller lebt seit Langem in Frankreich, hat als Unternehmensberaterin in beiden Ländern gearbeitet, pflegt enge Kontakte zur Parteizentrale der Sozialisten in der Rue Solferino, in Paris.

    "Unsere Mitglieder treffen sich alle vier bis sechs Wochen, wir machen keine Veranstaltungen, in denen wir nur Laufendes zu besprechen haben, wir möchten immer ein herausragendes Thema diskutieren, und dann treffen wir uns in den Räumlichkeiten der "PS", in der Rue de Solférino, die uns da immer freundlicherweise Räume zur Verfügung stellt."

    Und dann wird diskutiert: Demografie, warum ist die französische Geburtenrate so viel höher, als die deutsche? Wie könnte eine deutsch-französische Führung Europas aussehen?

    "Wir haben natürlich Mitglieder unterschiedlichen Ursprungs. Es gibt Leute wie mich, die seit Jahrzehnten in Frankreich leben, mit einem Franzosen verheiratet sind und dann irgendwann mal in die SPD eingetreten sind bzw. auch in die "Parti Socialiste". Wir haben viele Doppelmitgliedschaften. "

    Mitarbeiter von internationalen Organisationen, von denen es in Paris viele gibt, UNESCO, OECC, Botschaftsmitglieder, wollen auch in der Ferne ihre Parteimitgliedschaft pflegen, aber auch Rentner, die in ihrem Landhaus in Südfrankreich sitzen – das seien allerdings meist eher passive Mitglieder, sagt Humbert-Dorfmüller.

    Warum zieht es einen beim Umzug nach Frankreich in den SPD-Ortsverein, warum nicht zu den französischen Sozialisten?

    "Da finde ich, so erkläre ich das, sind die kulturellen Unterschiede doch noch relativ groß, ein französischer Ortsverein setzt sich auch ein bisschen anders zusammen, und man braucht relativ viel Zeit, um sich einzugewöhnen."

    Warum?

    "Die Art Kommunalpolitik zu betreiben ist anders. Die Parti Socialiste, kann man sagen, ist in den meisten Fragen linker als die SPD. Das ist etwas, worüber wir ganz, ganz häufig bei den deutsch-französischen Diskussionen reden."

    Französische Ortsvereine sind meist jünger, aktiver, als die SPD-Vereine in Deutschland. Aber vor allem unterscheiden sich die beiden Parteien inhaltlich, und das tritt jetzt in der Krise, besonders zutage:

    "Das Deutsch-Französich war immer konsensuell, da hatte niemand was zu bemängeln, das war nur positiv, und seit die Eurokrise ausgebrochen ist, sehe ich, dass die Unterschiede wieder verstärkt hochgehoben werden. Und wir sind gerade dabei zu verstehen, warum die anderen anders denken als wir, und wir sind noch nicht so weit, uns wieder aufeinander zu zubewegen."

    Unverständnis ernteten die deutschen Sozialdemokraten in Frankreich etwa als die Große Koalition in Deutschland das Rentenalter drastisch anheben ließ, oder als unter Gerhard Schröder die Hartz-Gesetze erlassen wurden.

    Bei allen Unterschieden: Europa bringt dann doch alle wieder zusammen, das kommunale Wahlrecht macht’s möglich:

    "Es gibt Deutsche in Frankreich, die in Stadträten sitzen und die die Parti Socialiste oder eine andere Partei vertreten."

    Und wie sieht eine deutsche SPD-Frau in Frankreich 50 Jahre Elysée-Vertrag?

    "Das Deutsch-Französische bleibt natürlich ein Rahmen, da zweifelt niemand dran, aber man sollte darüber nachdenken, wie es in Zukunft besser aufgestellt werden kann und wie man noch besser mit anderen Nationen zusammenarbeiten kann."

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    Themenseite 50 Jahre Élysée-Vertrag