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Politologin: UN-Sicherheitsratserklärung zu Syrien ist zahnlos

Der UN-Sicherheitsrat hat - einschließlich des sonst syrienfreundlichen Russlands - Syrien dazu aufgefordert, den Friedensplan des Vermittlers Kofi Annan umzusetzen. Das sei ein Zeichen für das Assad-Regime, sagt die Politologin Margarete Klein, doch ohne Sanktionsandrohungen und Ultimaten sei die Erklärung "zahnlos".

Das Gespräch führte Rainer Brandes | 22.03.2012
    Christoph Heinemann: Der UN-Sicherheitsrat unterstützt einstimmig die Vermittlungsbemühungen des Syrien-Gesandten Kofi Annan. Die 15 Mitglieder verabschiedeten gestern in New York eine Erklärung, in der sie Regierung und Opposition zur "unverzüglichen Umsetzung" von Annans Friedensplan auffordern. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon rief die syrischen Konfliktparteien auf, aufrichtig mit Annan zusammenzuarbeiten. Russland und China haben der Erklärung zugestimmt, allerdings handelt es sich nur um eine Erklärung, nicht um eine Resolution.
    Ist das jetzt eine Wende in der russischen Außenpolitik, oder nur ein kleines Zugeständnis an den Westen, das keine praktischen Konsequenzen hat? Diese Frage hat mein Kollege Rainer Brandes Margarete Klein von der Stiftung Wissenschaft und Politik gestellt.

    Margarete Klein: Ich glaube, dass das keine grundlegende Kehrtwende ist, sondern eher der Versuch, Schadensbegrenzung zu betreiben, indem man sich in gewisser Weise und zu einem sehr moderaten Grad von Assad distanziert, denn das, was die russische Seite ja versucht hat, war ein recht schwieriger Drahtseilakt zwischen dem Wunsch, einerseits den wichtigsten Partner in der Region zu unterstützen und dessen politisches Überleben zu stützen, und auf der anderen Seite nicht in den Sog der Isolation des Assad-Regimes gezogen zu werden. Und in den letzten Monaten hat man doch gesehen, dass die russische Seite ihren Drahtseilakt immer schwieriger vollführen konnte und eigentlich gedroht hat, wirklich in die Sackgasse sich hineinzumanövrieren, und da versucht man, sich jetzt mit ganz kleinen Schritten der Annäherung wieder herauszuholen.

    Rainer Brandes: Sie sagen, das Ganze ist ein Schritt der Schadensbegrenzung. Verstehe ich Sie da richtig, dass Sie sagen, diese nicht bindende Erklärung wird praktisch kaum Einfluss auf die Gewalt in Syrien haben?

    Klein: Ich denke, es ist schon ein Zeichen für das Assad-Regime, dass es seinen wichtigsten Verbündeten nicht mehr hundertprozentig hinter sich hat. Von daher kann es schon eine gewisse diplomatische Signalwirkung haben und man sollte diesen Schritt nicht unterschätzen von der russischen Seite. Aber die ganzen grundlegenden Fragen sind ja nach wie vor eigentlich offen, es gibt ja keine Sanktionsandrohungen, kein Ultimatum, bis wann Assad diese Schritte, diesen Friedensplan von Kofi Annan umsetzen muss. Von daher ist es noch recht zahnlos und die Frage wird dann kommen, was macht man eigentlich, wenn sich nicht viel ändert nach dieser Erklärung.

    Brandes: Sie haben den Friedensplan von Kofi Annan angesprochen. In diesem Plan ist eine sofortige Waffenruhe vorgesehen. Die hätte aber ja nur Aussicht auf Erfolg, wenn Russland auch keine Waffen mehr an Syrien liefern würde. Wird Russland darauf wirklich verzichten?

    Klein: Die Waffenruhe selbst hat ja noch nicht so viel damit zu tun, ob die Waffen geliefert werden oder nicht. Das ist eine Frage, ob das syrische Regime sich dazu entschließt, die Waffenruhe einzuhalten oder nicht. Die Waffenlieferungen von Russland ist natürlich was, was diesen Schritt auch in gewisser Weise ein bisschen konterkariert, denn damit unterstützt man das Regime langfristig ja trotzdem weiterhin. Die Waffen, die geliefert werden, sind ja in erster Linie jetzt nicht unbedingt solche, die gegen die Bevölkerung eingesetzt werden, es sind Luftabwehrraketen, Antischiffswaffen, aber trotzdem: Es ist doch ein Zeichen diplomatisch-militärischer Unterstützung, wenn man weiterhin diese Waffen liefert.

    Brandes: Sie haben eben schon gesagt, diese Erklärung könnte ein erster Schritt dahin sein, dass sich das Regime Assad nicht mehr ganz auf seinen Verbündeten Russland verlassen kann. Wie weit geht denn dieser Schritt? Ist das wirklich eine Abkehr von dem Regime Assad?

    Klein: Ich glaube, so weit geht die russische Seite noch nicht. Sie beobachtet sehr klar, ob sich dieses Regime halten kann oder nicht, und ich glaube, in der Kosten-Nutzen-Kalkulation der russischen Führung hat sich in den letzten Wochen doch die Einsicht durchgesetzt, dass es schwierig werden könnte und dass das Überleben des Assad-Regimes nicht unbedingt eine gesetzte Karte ist und dass man deswegen versuchen muss, seinen internationalen Einfluss, aber auch sein Standing in der Region, beispielsweise gegenüber den Golf-Monarchien, aber auch für eine mögliche Post-Assad-Lösung in Syrien selbst, also durch Kontakte mit der Opposition, nicht aufs Spiel zu setzen.

    Brandes: Heißt das, dass auch die russische Führung inzwischen mit einem Ende des Regimes Assad rechnet?

    Klein: Das ist eine Frage, die ich nicht wirklich beantworten kann. Da sind die transparenten Entscheidungsprozesse nicht so da auf der russischen Seite, das kann man schlecht einschätzen. Aber ich glaube, die Einsicht, dass es schwierig wird für Assad, die ist auf der russischen Seite schon erkennbar, eben durch diese für russische Verhältnisse recht scharfe Verurteilung Assads in den letzten ein, zwei Wochen, die Lawrow ja gemacht hat, wo man gesagt hat, die syrische Seite hätte nicht auf die russischen Vorschläge gehört, die Reformen seien ungenügend umgesetzt worden, das ist ja schon ein Ton, den man so vorher noch nicht gehört hat.

    Brandes: In dieser UNO-Sicherheitsratserklärung heißt es ja auch, dass dem Regime weitere Schritte angedroht werden, wenn es nicht auf diese Erklärung reagiert, also wenn es keine Waffenruhe einhält. Würde Russland bei solchen weiteren Schritten, also zum Beispiel stärkere Sanktionen oder gar einem Militärschlag, denn am Ende auch mitmachen?

    Klein: Bei Sanktionen ist die Frage, glaube ich, noch offen. Waffenembargo kann ich mir nicht vorstellen, dass die russische Seite zustimmen würde, auch vor dem Hintergrund, dass hier manche Golf-Monarchieländer jetzt beginnen, die Opposition zu bewaffnen und die russische Seite damit natürlich argumentieren kann, dass von anderer Seite auch geliefert wird, und zwar auch die Seite der sogenannten nicht staatlichen Stellen. Eine militärische Option kann ich mir überhaupt nicht vorstellen, dass die russische Seite zustimmt. In Libyen hat man diese Option ja quasi durch die Enthaltung möglich gemacht, aber in der russischen Rückschau auf den Libyen-Konflikt ist eigentlich die Interpretation da, dass das ein falscher Schritt war und dass man so ein Szenario in Zukunft wieder verhindern sollte.

    Heinemann: Margarete Klein von der Stiftung Wissenschaft und Politik.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.