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Politthriller "The Report"
Wenn der Staat foltert und es vertuscht

Basierend auf wahren Begebenheiten erzählt der Politthriller „The Report“ davon, wie ein Mitarbeiter einer US-Senatorin einen Bericht über das sogenannte „Haft- und Vernehmungsprogramm“ der CIA zu verfassen sucht, um damit die Folterpraktiken des US-Geheimdienstes ans Tageslicht zu bringen.

Von Hartwig Tegeler | 05.11.2019
Adam Driver sitzt am Schreibtisch hinter zwei großen Papierstapeln
Sucht die Wahrheit in den Aktenstapeln: Adam Driver als Daniel Jones in "The Report" (www.imago-images.de / Amazon Studios)
"Nach 9/11 haben alle Angst gehabt, Angst, dass es wieder passiert."
Auch Daniel Jones. Am 09. September 2001 beginnt er sein Studium, am 11. September findet der Terroranschlag auf das World Trade Center statt, am 12. September studiert Daniel Nationale Sicherheit. Einige Jahre später ist er Mitarbeiter bei der US-Senatorin Dianne Feinstein:
Millionen für sogenannte erweiterte Verhörtechniken
"Haben sie gelesen, was heute in der New York Times steht? - Die CIA-Aufnahmen von Verhören von Al-Quaida-Häftlingen wurden vernichtet. - Ich möchte, dass Sie genau herausfinden, was die haben, und alles Wort für Wort lesen."
Sechs Jahre lang wird Daniel Jones - gespielt von Adam Driver – zusammen mit ein paar wenigen Mitarbeitern im Kellergeschoss eines Regierungsgebäudes verbringen, Akten wälzen und u. a. erfahren, dass ein Psychologe das sogenannte Programm "erweiterte Verhörtechniken" für ein Salär von 80 Millionen Dollar entwickelte:
"Habt ihr das vorher schon mal gemacht. - Wir haben uns mal ein Video angesehen."
Während offiziell galt...
"Die Vereinigten Staaten foltern nicht".
... tat die CIA genau dies: foltern. Unter anderem wurde einer der mutmaßlichen Drahtzieher der Anschläge von 2001 dem Waterboarding unterzogen, und zwar 183 Mal. Aber, so resümiert Daniel Jones, nach Aktenlektüre:
Unmoralisch und ineffektiv
"Alles, was er ihnen gegeben hat, war entweder gelogen, oder etwas, was sie längst wussten."
Die Senatorin stellt die naheliegende Frage:
"Wenn etwas angeblich so gut funktioniert, warum ist es dann nötig, es 183 Mal durchzuführen. - Diese Frage werden sich hoffentlich viele stellen, wenn der Bericht erscheint."
Im Dezember 2014 wurde schließlich – nach vielfältigen Widerständen aus dem Geheimdienst und der Regierungsadministration – ein 525-seitiger Bericht veröffentlicht, bekannt als "Folter-Bericht". Sein Ergebnis: Diese Praxis war nicht nur unmoralisch, sondern auch ineffektiv. Die Behauptung ihrer Befürworter, dass mit Folter amerikanische Leben gerettet worden wären, diese Rechtfertigung der Barbarei erwies sich als systematische Lüge.
Beklemmendes Szenario: Der Staat selbst ist die Gefahr
"The Report" rekonstruiert dies historische Geschehen als packenden Thriller, der seine besondere Spannung dann bekommt, wenn CIA und das Weiße Haus alles versuchen, die Veröffentlichung des "Folter-Berichtes" zu verhindern. Was übrigens nicht nur während der Regierungszeit von George W. Bush, sondern auch unter Barack Obama geschah.
"The Report" erzählt die Geschichte eines mutigen Alltagshelden. Aber dazu tritt noch etwas, was wie ein untergründiger Strom die Dynamik dieses Films befeuert: Es ist das Gefühl, es ist diese Unsicherheit, das Misstrauen, dass die demokratischen Grundwerte gefährdet sind. Und dass der Staat und seine Institutionen an dieser Zerstörung mit arbeiten. So wird "The Report" zu einer aktuellen Version der Politthriller der 1970er Jahre wie "Die Unbestechlichen" oder "Die drei Tage des Condor" oder "Zeuge einer Verschwörung", die nach dem Vietnamkrieg und nach Watergate ebenfalls von dieser Grundstimmung geprägt waren. Wenn dann in "The Report" CIA bzw. die staatliche Administration zurückschlagen und denjenigen verfolgen und bedrohen, der diese staatliche Lügen, Vertuschungen und Geheimnisse aufzudecken sucht, und zwar als Senatsmitarbeiter, der einen offiziellen Bericht verfassen will, spätestens da bekommt "The Report" kafkaeske Züge.
Ein Plädoyer gegen Fake News
Scott Z. Burns, Autor und Regisseur dieses brillanten Films zu diesem Sündenfall der Folterpraktiken der CIA: "Unsere Gesetze und Ideale sind nicht fü̈r Zeiten gedacht, in denen wir ein sorgenfreies Leben führen, sondern für die, in denen Terror und Grausamkeiten unsere Welt zerstören. Die Weisheit dieser Gesetze soll uns leiten, wenn wir vor Wut und Trauer blind sind."
Das ist ein Demokratie-Credo, das Allgemeingültigkeit besitzt. Übrigens ist "The Report" auch ein beeindruckendes Plädoyer gegen Fake News. Denn dieser Daniel Jones rekonstruiert aus Daten und Fakten die Wahrheit. So unangenehm sie auch vielen war und ist.