Freitag, 29. März 2024

Archiv

Polizei und Justiz in den USA
Die Technologie als Hilfssheriff

Simultanübersetzungen für Verhöre mit Ausländern, Kollegen-Radar oder virtuelle Gerichtssäle: Ein Bericht aus den USA zeigt, welche Internet-Technologien sich Polizei und Justiz zunutze machen könnten - für die allerdings viele Daten benötigt würden. Manfred Kloiber über Möglichkeiten und Risiken der technisierten Strafverfolgung.

Manfred Kloiber im Gespräch mit Lennart Pyritz | 17.08.2015
    Fahrzeuge der Polizei und Feuerwehr mit Blaulicht während eines Einsatzes in Magdeburg.
    Forscher machen sich auch Gedanken darüber, wie selbstfahrende Autos mit der Polizei zusammenarbeiten könnten. (picture alliance / dpa / Jens Wolf)
    Lennart Pyritz: Die RAND-Corporation, ein halbstaatlicher Thinktank in den USA im Bereich von Rüstungsforschung und öffentlicher Daseins-Vorsorge hat heute ein Papier herausgegeben zum Thema: zukünftige Internet-Technologien im Bereich der Strafverfolgung und Justiz. Manfred Kloiber: Worum geht es in diesem Bericht genau?
    Manfred Kloiber: Der Bericht basiert auf den Erkenntnissen eines Expertenpanels, dass das US-amerikanische Justizministerium beauftragt hat. Und es hat für drei Kernbereiche, nämlich der Polizeiarbeit, dem Gerichtswesen und dem Strafvollzug Vorschläge gemacht, welche Internet-Technologien besonders hilfreich sein könnten oder in Zukunft werden und deshalb auch genutzt werden sollten. Darunter finden sich viele banale Dinge...
    Pyritz: Zum Beispiel?
    Kloiber: Etwa Videokonferenzen oder auch Schulungen für die Beschäftigten. Ambitionierter wird es dann schon, wenn zum Beispiel biomedizinische Sensoren gefordert werden, die permanent den Gesundheitszustand der Polizisten im Einsatz überwachen. Oder ein Kollegen-Radar, der zum Beispiel auf einem Wearable, beispielsweise einer speziellen Uhr, anzeigt, ob hinter der nächsten Tür ein Kollege steht und ein Gangster mit gezogener Waffe. Weiter wird eine einheitliche semantische Datenbank für das Strafregister gefordert und elektronische Simultanübersetzer für Verhöre und Befragungen mit Ausländern. Ganz visionär wird es allerdings, wenn der Bericht sich mit selbstfahrenden Autos beschäftigt.
    Computerisierte Polizeiautos
    Pyritz: Weshalb?
    Kloiber: Weil sich hier die Forscher Gedanken machen, wie die selbstfahrenden Autos mit der Polizei zusammenarbeiten sollen. Das wird im Bericht ganz nett anhand von fiktiven Unfallszenen klar gemacht. So fordern sie für selbstfahrende Autos eine Gestenerkennung, die auf optische Anweisungen von Polizisten reagiert, um ein Auto rauszuwinken oder es an der Kreuzung zum Halt zu bringen. Es soll eine Automatik bekommen, dass die Polizei es zwangsversetzen kann, wenn es vor einem Hydranten falsch parkt oder akute Gefahr besteht. Bei Autos mit Fahrer wird über Zwangsstilllegungen nachgedacht, wenn Fluchtgefahr besteht. Und das Auto soll demnächst auch die Insassen und die zurückgelegte Fahrstrecke gegenüber der Polizei ausweisen. Also: Es geht zum einen darum, selbstfahrende Autos nicht nur technisch in den Straßenverkehr zu bringen, sondern auch organisatorisch. Und es geht darum, das moderne computerisierte Auto auch zu einer Art Hilfssheriff zu machen.
    Pyritz: Das ist ein US-amerikanischer Bericht, europäischen Datenschützern würden jetzt sicher die Nackenhaare hochstehen?
    Kloiber: Natürlich macht der Bericht klar, dass alle Maßnahmen immer nur nach der erforderlichen juristischen Klärung erfolgen dürfen. Die allerdings könnte in Zukunft auch elektronisch erfolgen, denn der Bericht fordert auch virtuelle Gerichtssäle. Hinzu kommt auch, wenn ein Polizist unmittelbar Einfluss auf ein selbstfahrendes Auto nehmen kann, dann wird es auch anfällig gegenüber unerlaubten Eingriffen. Auf der anderen Seite - das ist eine Wunschliste der Experten, darunter übrigens auch Vertreter der Electronic Frontier Foundation, der wohl wichtigsten Datenschutzorganisation in den USA. Was davon dann wirklich umgesetzt werden wird, das ist ja eine ganz andere Frage.