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Polizeigewerkschaft: Innere Sicherheit ist Aufgabe der Polizei

Als Konsequenz aus den Anschlägen von London will die Union zum Schutz der Fußball-WM 2006 in Deutschland auch die Bundeswehr einsetzen. Die Gewerkschaft der Polizei wandte sich dagegen, den Aufgabenbereich der Streitkräfte auszuweiten. GdP-Chef Konrad Freiberg sagte, zur Verbesserung der nach seinen Worten dramatischen Sicherheitslage müssten der Stellenabbau bei der Polizei gestoppt und wieder mehr Beamte eingestellt werden.

Moderation: Hans-Joachim Wiese | 11.07.2005
    Hans-Joachim Wiese: Am Telefon begrüße ich jetzt den Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei, Konrad Freiberg, schönen guten Morgen.

    Konrad Freiberg: Guten Morgen Herr Wiese.

    Wiese: Herr Freiberg, wären die deutschen Sicherheitskräfte in so einem Falle wie den Londoner Anschlägen genauso professionell in der Lage damit umzugehen, wie die britischen?

    Freiberg: Das lässt sich sicher sehr schwer beantworten. Ich kann nur sagen, dass unsere Sicherheitskräfte derartige Anlässe auch geübt haben, auch das Zusammenwirken zwischen Polizei und Hilfskräften wie THW, Rotes Kreuz. Das Bemühen ist also da, sich vorzubereiten auf derartige schreckliche Anschläge.

    Wiese: Nun haben die Anschläge von London naturgemäß eine Debatte über die Sicherheitslage auch hier bei uns in Deutschland ausgelöst. Die Union schreibt in ihrem Wahlprogramm, fordert in ihrem Wahlprogramm eine Verschärfung der Sicherheitsgesetze, zum Beispiel die Möglichkeit, die Bundeswehr im Inneren einzusetzen, wenn anders die terroristische Gefahr nicht abzuwenden ist. Wie reagieren Sie darauf?

    Freiberg: Da muss man ein bisschen differenzieren und das nicht so einfach sagen wie die Union. Natürlich ist die Bundeswehr auch bereit und steht auch zur Verfügung, die Polizei bei derartigen Anschlägen für Dinge, die nur die Bundeswehr beherrscht, ich sage mal biologische Angriffe, chemische Angriffe und derartige schreckliche Bedrohungen, zu unterstützen. Das ist selbstverständlich. Was die Union will, und das ist der gravierende Unterschied, ist nicht, dass die Bundeswehr dort helfen kann, wo sie nur über spezielle Befähigungen verfügt, sondern die Bundeswehr soll auch hier eine stetige Aufgabe bekommen im Rahmen der Bewachung. Und das würde bedeuten, dass die Bundeswehr einen eigenständigen Auftrag im Bereich der inneren Sicherheit hat. Das ist wirklich eine große Gefahr, was die Union dort beschreitet, weil dies Aufgabe der Polizei ist und man kann nicht als Union, und ich denke an manche unionsregierte Länder, zur Zeit die Polizei drastisch kürzen in den Ländern und dann sagen, die Polizei ist dazu nicht in der Lage. Ich glaube, das ist der falschen Weg.

    Wiese: Stichwort Personallage bei der Polizei, wie sieht das denn da überhaupt aus? Da wird ja an allen Ecken und Enden gespart. Hat denn die Polizei genug Leute, um allein oder zusammen mit dem Bundesgrenzschutz gegen den Terrorismus vorzugehen?

    Freiberg: Das ist immer eine Frage der Sicherheitslage. Wir können heute die Aufgabe wahrnehmen, aber ich sage ausdrücklich, wir sind nicht in der Lage die zunehmende Gefahr zu bewältigen. Wir haben immerhin Personalkürzungen von rund 7000 Polizisten in den letzten fünf Jahren, die weggestrichen worden sind. Weitere 4000 sind in den nächsten vier Jahren geplant und das verträgt sich nicht mit den Bedrohungen, denen wir ausgeliefert sind und deswegen muss man auch ehrlich miteinander umgehen, so schwierig die finanzielle Lage der Länder auch ist. Wir können nicht in diesem Fall weiter die Polizei streichen, sondern wir müssen auch in der Lage sein, die so genannten Topgefährder auch rund um die Uhr überwachen zu können, was wir heute nicht können.

    Wiese: Lassen Sie uns dazu etwas später kommen. Sie sind also gegen den Einsatz der Bundeswehr, stattdessen für eine personelle Aufstockung der Polizei?

    Freiberg: Ja, man darf dabei nicht vergessen, dass die Bundeswehr ja nicht mal in der Lage ist, sich selbst zu schützen. Die Bundeswehr ist so verkleinert worden, hat so viele Aufgaben dazu bekommen, dass zum Beispiel die Kasernen in Deutschen von einer privaten Sicherheit bewacht werden, weil die Bundeswehr alleine das nicht kann.

    Wiese: Die CDU spricht von Gesetzeslücken, die sofort geschlossen werden müssen. Sie verlangt die Einrichtung einer Anti-Terror-Datei in der alle bekannten Terroristen und Extremisten erfasst werden. Bringt so eine Datei etwas? Und wie müsste sie aussehen?

    Freiberg: Die Datei hätte schon lange stehen müssen, das muss man ausdrücklich sagen. Wenn sie in der Berichterstattung zurückschauen, nach Madrid haben das alle Politiker gefordert, auch vor Madrid schon und wir sind nicht in der Lage, die Informationen von Verfassungsschutz und Polizei, von Bund und Ländern zusammenzuführen in eine Anti-Terror-Datei, weil der Parteienstreit sich gegenseitig blockiert, so dass diese Datei bisher nicht zustande gekommen ist.

    Wiese: Und dann haben Sie eben ja auch noch ein Stichwort geliefert. Die Überwachung, der große Lauschangriff, die elektronische Wohnraumüberwachung. Das Bundesverfassungsgericht hat das gerade eingeschränkt. Behindert das denn die Polizeiarbeit?

    Freiberg: Man muss eindeutig sagen, das Bundesverfassungsgericht, das letztes Jahr im März dieses Urteil gefällt hat, hat ein Urteil gefällt, was für uns wirklich dramatische Auswirkungen hat. Wir konnten nachweisen, dass der so genannte große Lauschangriff in den einzelnen Fällen, wo er angewandt wurde, ich sage ausdrücklich Einzelfälle in Deutschland, wirklich Erfolge gebracht hat. Wir konnten sogar Terroristen hier bei uns in Deutschland festnehmen. Von daher ist dieses Urteil sehr, sehr unglücklich und behindert unsere Bekämpfung.

    Wiese: Wenn jetzt zum Beispiel ein Verdächtiger Terrorist in irgend einem Wohngebiet sich versteckt hat, da lässt sich gar nichts mehr machen für die Polizei, den jetzt technisch, elektronisch zu überwachen?

    Freiberg: Doch, es gibt nach wie vor natürlich die Wohnraumbewachung. Aber was es der Polizei erschwert, sind einerseits die Voraussetzungen, vor allem aber die Durchführung ist für uns das Problem. Wir müssen so genannte Wohnraumüberwachungen leisten, das bedeutet ein großer Personaleinsatz und es bedeutet auch, dass wir ständig rund um die Uhr Dolmetscher dabei haben müssen. Wir verfügen ja über keine eigenen Dolmetscher in diesem Maße bei der Polizei und vor da her ist das wirklich ein sehr, sehr schwieriges Instrument geworden, dass wirklich vielleicht nur noch in ganz, ganz wenigen Fällen anwendbar ist, in vielen Fällen nicht mehr und das bedauern wir wirklich.

    Wiese: Ein Instrument, das die Bundesregierung gegen den Terror eingesetzt und geschaffen hat, ist das Terrorismusabwehrzentrum in Berlin-Treptow. Bayerns Innenminister Beckstein fordert die Schaffung eines gemeinsamen Anti-Terrorzentrums von Nachrichtendiensten und Polizeibehörden. Ist so etwas nicht schon durch dieses Terrorismusabwehrzentrum geleistet worden?

    Freiberg: Das Terrorabwehrzentrum in Berlin ist ein Fortschritt, das muss man ausdrücklich sagen. Natürlich gibt es ein gewisses Maß an Behinderung, weil es unterschiedliche Aufgabenstellungen zwischen den Nachrichtendiensten und der Polizei gibt. Die Experten sagen alle, es funktioniert in der Praxis, dass die Informationen auch dort landen, wo sie hingehören. Ich glaube, es ist mehr oder weniger ein politischer Streit, ob es sich jetzt um zwei Zentren dort handelt, nämlich Nachrichtendienste und Polizei oder um ein Zentrum. Da muss man schauen in der Wirklichkeit, die Erfahrungen die wir sammeln, ob hier die bürokratischen Hürden die Arbeit behindern.

    Wiese: Letzte Frage: Wie schätzen Sie die Sicherheitslage in Deutschland im Moment allgemein ein?

    Freiberg: Die Sicherheitslage ist bei uns dramatisch, das muss man ganz deutlich sagen. Es hätte auch in Deutschland passieren können. Wir haben mittlerweile 160 Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit den islamistischen Terrorismus hier in Deutschland. Wir haben Leute erwischt, die hier anwerben wollten, Leute die in den Irak, nach Afghanistan, gehen wollten als Gotteskrieger. Wir haben sogar hier Leute festgenommen, die hier bei uns Anschläge machen wollten und von dort her dürfen wir uns nicht zurücklehnen, nach dem Motto, wir sind ja nicht betroffen. Nein, das nächste Mal können wir das sein, das muss man deutlich sagen.

    Wiese: Das war den Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Konrad Freiberg. Schönen Dank und auf Wiederhören.