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Polnisch-deutsche Beziehungen
Die drohende Abkühlung

Die neue rechtskonservative Regierung in Polen schlägt nicht nur im eigenen Land harte Töne an: Die Regierungspartei PiS richtet sich mit Verbalattacken gegen Deutschland. So verglich Jaroslaw Kaczynski Kritik aus Deutschland an der neuen Regierung mit der Vorbereitung des Zweiten Weltkriegs. Besonders in Westpolen ist man um die Beziehungen zu Deutschland besorgt.

Von Florian Kellermann | 17.12.2015
    Der polnische PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski vor dem Logo der Partei.
    PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski (AFP / Janek Skarzynski)
    Jaroslaw Kaczynski hat sich noch nie als großer Freund Deutschlands gegeben. Schon während der ersten Regierungszeit seiner Partei "PiS" vor knapp zehn Jahren nutzte er antideutsche Ressentiments. Bei den damaligen Verhandlungen um den Lissabon-Vertrag etwa erinnerte er an die polnischen Opfer des Zweiten Weltkriegs, um damit seine Forderung nach mehr Stimmen im EU-Rat zu begründen. Den liberalen polnischen Politikern warf er dagegen Unterwürfigkeit gegenüber Berlin vor.
    So aggressiv wie zurzeit spielte er die antideutsche Karte allerdings noch nie aus. Kritik aus Deutschland an der amtierenden PiS-Regierung verglich er mit dem Jahr 1968, mit dem Einmarsch sowjetischer Truppen in der Tschechoslowakei und der Niederschlagung des Prager Frühlings. Doch damit nicht genug:
    "Diese Kampagnen in Deutschland, schon in den vergangenen Jahren, das Lächerlichmachen von Polen, die Witze, das alles erinnert leider sehr an die Weimarer Republik. Erinnern wir uns, wohin das geführt hat: Es gibt sehr ernsthafte Historiker, die sagen: Ohne diese Vorbereitung, ohne das Schüren von Verachtung gegenüber Polen, dieses Hasses, wäre der Zweite Weltkrieg nicht möglich gewesen. Deshalb waren einfache Deutsche, nicht nur SS-Leute, bereit, ein Haus zu umstellen und dort alle zu ermorden, auch kleine Kinder."
    Polen und Deutsche haben sich in den letzten Jahren angenähert
    Kritische Bemerkungen aus Deutschland an der heutigen polnischen Regierung gleichgesetzt mit der Vorbereitung auf einen rassistisch unterlegten Angriffskrieg? Solche Töne nähren vor allem in Westpolen die Sorge, dass sich die deutsch-polnischen Beziehungen deutlich abkühlen könnten. Die Menschen dort hätten sich nämlich daran gewöhnt, dass das Verhältnis zu ihrem Nachbarland immer besser geworden sei, betont Aleksander Gleichgewicht, Vorsitzender der jüdischen Glaubensgemeinde in Breslau und kritisiert anschließend Kaczynskis Position:
    "Ich halte diese Politik für dumm, anders kann ich sie nicht nennen. Wir haben gemeinsam ein europaweit positives Beispiel gegeben - dass Länder mit einer so schwierigen Geschichte eine gemeinsame Sprache finden. Nicht nur in Sonntagsreden: Es gibt Austausch, es gibt sogar die gemeinsame Universität Viadrina. Wir sind uns auch kulturell nicht so fremd, das sieht man zurzeit auf dem Breslauer Marktplatz: Polen lieben den Weihnachtsmarkt genauso."
    Umfragen bestätigen seit vielen Jahren, dass sich Polen und Deutsche näher kommen. Die Zeit der beleidigenden Polen-Witze ist längst vorbei, eine überwiegende Mehrheit hüben und drüben hat keinerlei Problem mehr damit, Polen beziehungsweise Deutsche als Familienmitglieder zu akzeptieren.
    "Die Zivilgesellschaft ist sehr stark"
    Die persönlichen deutsch-polnischen Kontakte seien inzwischen eng und stabil genug, um Äußerungen wie die von Kaczynski auszuhalten, ist sich der Direktor des Willi-Brandt-Zentrums an der Universität Breslau, Krzysztof Ruchniewicz, sicher:
    "Diese Worte sind auch in Polen kritisiert worden. Sie finden kein Medium, wo sie nicht kritisch beurteilt worden sind. Diese Demonstrationen am vergangenen Samstag haben ganz deutlich gezeigt, dass die Zivilgesellschaft sehr stark ist. Sie beobachtet ganz genau. Vielleicht wird sich daraus etwas Größeres machen, wenn die Bevölkerung feststellt, dass Errungenschaften aus den letzten 25 Jahren einfach kaputt gemacht werden."
    Deutschen Politikern empfiehlt Ruchniewicz, auf derlei verbale Kraftmeierei von Jaroslaw Kaczynski vorerst nicht einzugehen. Es sei klug abzuwarten, ob solchen Worten auch Taten folgen würden.
    Manche Beobachter sehen sogar Vorteile am Stil der neuen polnischen Führung, so wie zum Beispiel Ireneusz Karolewski, ebenfalls Professor an der Universität Breslau:
    "Es gibt einen Politikstil, der Harmonie vortäuscht im Grunde genommen und davon ausgeht, dass Kooperation stattfindet und Interessen zwar gegensätzlich sein können, aber die Bearbeitung der Konflikte im geschlossenen Zimmer stattfindet. Das war so ein bisschen das Prinzip der letzten Regierung. Heute werden diese Konflikte publik ausgetragen. Man kann den Konflikt offen ansprechen oder unter den Teppich kehren."
    Wie Kaczynskis Partei, die PiS, ihre Regierungsarbeit begonnen hat, ist mittlerweile allerdings auch schon für viele ihrer Wähler zu aggressiv. Jüngste Umfragen zeigen, dass die Partei bereits an Zustimmung verliert.