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Pop-Oratorium
Gut gelaunt mit Luther

Tausende singen im Chor und mittendrin der Reformator: das ist das neue Oratorium "Luther". Den Text dazu schrieb Michael Kunze, Autor zahlreicher Hits von Udo Jürgens und Peter Alexander. Luther ist für ihn ein Star des Selberdenkens. Ist das nicht zu simpel? "Kompliziert kann jeder, einfach sein ist schwerer", sagt Kunze.

Von Irene Dänzer-Vanotti | 18.01.2017
    Das kirchliche Pop-Oratorium Luther feiert am Reformationstag, Samstag (31.10.2015), in Dortmund mit mehr als 3.000 Sängern Premiere.
    Das kirchliche Pop-Oratorium Luther feiert am Reformationstag, Samstag (31.10.2015), in Dortmund mit mehr als 3.000 Sängern Premiere. (imago stock&people)
    "Luther wurzelt ja zum großen Teil noch im Mittelalter und ist deswegen ein Mensch, den wir von seiner Mentalität und seinen Gedanken her nur rudimentär verstehen", sagt Michael Kunze. "Wir wollen die Themen, die Luther angestoßen hat, für die heutigen Menschen bewusst machen und auch wieder diskutabel machen."
    Im Lied "Selber denken" hört sich das so an:
    "Gott Du gabst mir ein Gewissen, Gott du gabst mir den Verstand, was wir glauben, was wir wissen, das liegt alles in Deiner Hand."
    Dass Martin Luther strikt seinem Gewissen gefolgt ist und sich darin von Gott geführt sah, hält der Autor Michael Kunze für den wesentlichen Charakterzug des Reformators. Trotzig fordert der Luther des Poporatoriums – dargestellt von Frank Winkels – , dass die Menschen endlich selbst die Bibel lesen dürfen und nicht mehr auf die alleinige Deutung der Priester angewiesen sind.
    "Du willst, dass wir Dich verstehn, Menschenmacht verfälscht die Wahrheit, dass die Lüge siegt, darf nicht gescheh‘n", singt er.
    Kunze: Rassismus kann man Luther nicht vorwerfen
    Michael Kunze erklärt: "Er war der Meinung, dass das Evangelium für die Menschen gemacht war als Offenbarung und dass die Menschen dadurch selbst Zugang zu Gottes Wort haben. Das war seine Überzeugung, die er bestimmt sich nicht leicht gemacht hat. Daran hat er festgehalten und er hat nach dieser Überzeugung gelebt."
    Heutige Einwände gegen Luther – die ihm etwa seine antisemitischen Schriften vorwerfen – hält der Historiker Michael Kunze für unangebracht. Sie argumentierten aus der Gegenwart. Rassismus könne man Luther nicht vorwerfen. Er habe lediglich im Geist seiner Zeit die Juden als Mörder Jesu angegriffen – und dabei übersehen, dass Jesus selbst Jude war. Im Oratorium greift er dieses Thema deshalb gar nicht auf.
    Er versteht Luther als Mensch des ausgehenden Mittelalters, der Phase der Revolution dank des Buchdrucks, der Epoche, in der die Kirche eine düstere Macht ausübt, gerade auch auf den jungen Mönch:
    "Man hat ihm angedroht 'ewiges Höllenfeuer'. Das war für ihn als Mönch natürlich auch ein Ausstoßen aus seiner Gemeinschaft, aus seinem Leben. Und dass ein Mann so stark ist, dass er sagt, ich muss meinem Gewissen folgen, das hat eine Tür aufgestoßen in eine ganz neue Zeit, in die Zeit des Individualismus. Damit hat er auch die Enge des Mittelalters gesprengt – als Einzelner, und das ist doch eine große, fast heldenhafte Leistung."
    "Kompliziert zu sein ist relativ einfach"
    In Musik und Text des Poporatoriums wirkt diese Charakteristik Luthers schlichter als in Michael Kunzes Reflexion. Das allerdings beabsichtigt der Texter: "Ich kann es nur so einfach schreiben, wenn ich die Hintergründe wirklich kenne. Kompliziert zu sein ist relativ einfach. Aber schwer ist es, einfach zu sein. Und das ist natürlich besonders notwendig bei Liedern, die man nur einmal hört."
    Und die eigens zusammengestellte Chöre von 2.000 oder 3.000 Sängerinnen und Sängern aufführen.
    Klarer – und oft poetischer – sind Michael Kunzes wirkungsvollste Lieder, mit denen er das Zeitgefühl in Deutschland – jedenfalls im Westen – sowohl beschrieben als auch geprägt hat. Etwa wenn Udo Jürgens vom Spießertum in einem "ehrenwerten Haus" sang.
    Die Luther-Lektion soll auch Spaß machen
    Dieser kritische Blick auf eine Gesellschaft mit ihrer Heuchelei, ihrer Versessenheit auf Geld und Macht prägt aber auch das Poporatorium. Rahmenhandlung ist der Reichstag von Worms im Jahr 1521, ein Gipfeltreffen der Eitelkeiten.
    Luther überlebt nur – so eine Quintessenz des Oratoriums – weil die frische Opposition gegen die Kirche den deutschen Fürsten gelegen kommt. Aber obwohl diese Umstände ihm helfen, bleibt sein persönlicher Mut bis heute inspirierend, so Michael Kunze. Die Luther-Lektion soll auch Spaß machen.
    "Ich möchte gute Laune damit machen aber ich möchte trotzdem dieser Gestalt Luther gerecht werden und das passiert auf diese Weise auch zurecht mit Musik, denn Luther ist ja jemand, der selbst auch sehr musikalisch war, der sehr viel Freude hatte an der Musik und der auch der Meinung war, dass singen an sich ein Gebet ist, ja, und das entspricht natürlich sehr auch an meiner Auffassung."