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Popkultur-Magazin vor dem Comeback
"The Face" bekommt ein Lifting

Die Mutter aller modernen Style-Magazine kehrt zurück: "The Face". Der britische Monatstitel war in den 80er- und 90er-Jahren das Zentralorgan für Trends in Pop und Zeitgeist schlechthin. Ausgerechnet in Brexit-Zeiten soll es wiederbelebt werden. Aber braucht die Welt das neue Gesicht?

Von Robert Rotifer | 12.04.2019
Mehrere Zeitungen liegen auf einem Stapel in einem Zeitungskiosk
Vielleicht bald wieder: "The Face" in einem Zeitungskiosk in London (Archiv) (Imago/ Newscast )
Die Nachricht von der Rückkehr von "The Face" kam vorige Woche als ein willkommener Lichtblick in der andauernden Brexit-Misere. Das brachte Erinnerungen hoch an die Zeiten, als dieses Magazin den Widerstand gegen den Konservatismus der Thatcher-Ära zum Lebensstil erhob.
"The Face" war immer vorneweg, sowohl in seiner Ästhetik als auch den Reportagen und seinem Instinkt für das nächste relevante Ding. Trip-Hop, Jungle, Britpop - Wörter, die später selbstverständlich waren, wurden einem so beigebracht, dass man das Gefühl hatte, man hätte es eh schon gewusst. Und dazu die Fotos eines Jürgen Teller, Stéphane Sednaoui oder einer Corinne Day.
Pure Geldmacherei?
Der Journalist Paul Gorman hat diese Ära in seinem wunderschönen Wälzer "The Story of The Face – The Magazine That Changed Culture" heraufbeschworen. Aber er fragt sich, ob die Welt heute eine Neuauflage von "The Face" braucht. Nicht etwa wegen der Konkurrenz des Internet, den tausenden Influencern auf YouTube oder Instagram, sondern angesichts des aktuellen Booms an Print-Magazinen, die in kleinen Auflagen viertel- oder halbjährlich erscheinen:
"Zeitgenössische Mode wird schon sehr gut abgedeckt durch eine Menge Magazine, die die Welt mit frischen Augen sehen, weil sie vor allem von jungen Frauen geführt werden. Sie blicken ins Jetzt und in die Zukunft, beleuchten Mode aus postfeministischer Sicht. Es gibt auch viele neue Titel, die sich direkt an ethnische und andere Minderheiten wenden; herausgegeben von jungen Leuten, die dafür ein Sprachrohr geschaffen haben. Die Macher der Neuauflage von ‚The Face‘ sind sich dessen offenbar nicht bewusst. Der Sinn dahinter scheint mir eher zu sein, mit dem neuen ‚Face‘ Geld zu machen."
Paul Gorman nennt Magazine wie "The Gentlewoman", "Mushpit", "Skirt Chronicles", "Gal-Dem" oder "Weapons of Reason". Sie alle gibt es bei magCulture, dem Spezialgeschäft für Magazin-Kultur im Londoner Stadtteil Clerkenwell zu kaufen, wo Geschäftsbesitzer Jeremy Lesley über 500 Titel anbietet:
"Es gibt heute so viele Indie-Magazine, und viele der Leute dahinter wurden von Titeln inspiriert, die ihrerseits von ‚The Face‘ inspiriert worden waren. So, als wäre ein Staffelstab über die Generationen weitergereicht worden."
"Sie machen ein großes Geheimnis daraus"
Jeremy Lesley ist alt genug, um selbst mit "The Face" aufgewachsen zu sein. Auf dem Verkaufspult seines Ladens ist Paul Gormans Buch dementsprechend prominent platziert. Aber so wie dessen Autor hat auch er seine Zweifel am Sinn einer Neuauflage. Dabei blitzt durchaus ein bisschen Kränkung durch, denn der Laden magCulture ist ein sozialer Angelpunkt einer lebhaften Szene, zu der der Verlag Wasted Talent, der den Titel "The Face" gekauft hat, offenbar keinen Kontakt sucht. Dabei kennt Lesley natürlich einige jener 30 Leute persönlich, die in einem Londoner Büro schon seit einem halben Jahr unter dem Siegel der Verschwiegenheit an ihrem Produkt feilen.
"Sie machen ein großes Geheimnis daraus. Dass anfangs, als die Idee entstand, nichts über das Projekt nach draußen drang, konnte man ja noch verstehen. Seit die Nachricht über die Neuauflage öffentlich ist, wollten wir unserer Webseite darüber berichten. Aber wir bekamen von den Machern keine Reaktion, niemand hatte Interesse, mit uns zu sprechen. Ich gebe der Sache eine 20-prozentige Chance auf Erfolg, das neue ‚The Face‘ steht auf Messers Schneide. Ich wünsche dem Magazin das Beste und Erfolg – habe aber große Bedenken."
Als Appetitanreger für das neue "Face" wurde ein Instagram-Account eingerichtet. Dort sieht man Seiten legendärer alter Ausgaben und das berühmte Logo von Neville Brody als Boje aus Plastik in der Themse schwimmen. Dazu ein Slogan: "Still got it."
Das ist etwas, das Männer mittleren Alters sagen, wenn sie nach Jahren wieder tanzen gehen: "Still got it", ich hab's immer noch drauf. Klingt eher nicht nach dem vorwärtsgewandten Ethos von "The Face". Aber vielleicht ist das ja auch Taktik: So macht man reichlich Raum für eine positive Überraschung - wenn's dann auch wirklich erscheint.