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Popmusik
Die Kraft der Symbole

Madonnas Koketterie mit dem Kruzifix, die Zunge der Rolling Stones, das "Symbol" des R&B-Musikers Prince: Symbole in der Popmusik gibt es wie Sand am Meer. Sie können lustig sein, satanisch, sexy oder geheimnisvoll.

Von Raphael Smarzoch | 11.12.2013
    Schwere Akkorde, Rückkopplungen und tiefer gestimmte Gitarren, das sind die Markenzeichen der Doom-Metal Band Sunn O))). Ein Blick auf ihr Bandlogo offenbart neben dem Namen einen Kreis, dem auf der rechten Seite drei geschlossene Klammern folgen.
    "Dunkle, langsame und schwere Musik hat mich schon immer angezogen. Bei uns geht es nicht ums Gitarre spielen, sondern um die Manipulation und das Arrangieren von Klängen, das Arbeiten mit purem Sound."
    Gitarrist Greg Anderson deutet die Klammern im Logo seiner Band, die sich gerne in Mönchskutten ablichten lässt, als Wellen, als Klangwellen, die aus den Verstärkern dröhnen und jedes Live-Konzert zu einem körperlichen Erlebnis werden lassen. Die akustische Kraft der Musik von Sunn O))) wird durch ein Symbol dargestellt.
    Die visuelle Kultur des Heavy Metal lebt von Symbolen. Man denke nur an Motörheads Verwendung des deutschen Umlauts oder an AC/DCs Blitz im Bandlogo. Dann gibt es noch Pentagramme, Schädel, geheimnisvolle magische Insignien und verdrehte Kreuze. Im Black Metal stößt man immer wieder auf den Slogan Trve Kvlt, echter Kult, der in Bezug auf Bands benutzt wird, die besonders authentisch wirken, den dunklen Lifestyle dieser Musik angeblich leben. Anstelle des U wird ein V verwendet. Die Form des Buchstabens erinnert an die Spitze eines Dolches und verstärkt das satanische Image dieser Musik.
    Symbole transportieren Bedeutungen. Madonnas Koketterie mit Kruzifixen und religiösen Gegenständen rückt die Musikerin in ein ambivalentes Licht. Sie spielt mit ihren Hörern, ist Verführerin und Jungfrau zugleich. Die Zunge der Rolling Stones verspricht sexuelle Befriedigung. Das durchgestrichene Kreuz der Band Bad Religion steht für eine Punk-Attitüde, Rebellion und gesellschaftlichen Nonkonformismus. Symbole funktionieren unmittelbarer als Text. Sie sind direkt erfahrbar und werden zum Markenzeichen, zum Brand, eines Künstlers, das über seinen Erfolg entscheidet - ein starkes Symbol vergisst man nicht. Das Plattencover des zweiten Albums der britischen Band The XX, die über Nacht berühmt wurde, ziert bloß ein minimalistisches X.
    Symbole können auch ausschließen. Geheimbünde benutzen visuelle Codes, die nur Eingeweihten bekannt sind. Ende 2009 feiert die Witch House Szene ihre Blütezeit. In den digitalen Räumen des Internets richtet sie eine geheime Parallelwelt ein. Der Eintritt in diese mysteriöse Zone ist nicht leicht. Viele Witch House Künstler verschleiern den Zugang. Zum Beispiel mit ihren Projekt- und Bandnamen. Sie benutzen seltsame Zusammenstellungen aus Zeichencodes und okkulten Symbolen. Der Musiker Grill Grill verwendet anstelle des Buchstabens i ein Kreuz. Kreuz, Doppelkreuz, Kreuz, steht für den Namen Rituals. o, Null, o, Null, Null (o0o00) wird o ausgesprochen.
    "Zuerst kam dieser Silverstrain Name. Ich habe mit Schriften so ein bisschen rumexperimentiert und dann hatte ich halt diese zwei Schriften übereinander, also zwei Worte übereinander gelegt und die beiden s waren übereinander. Dann habe ich gedacht, so, wie schreibe ich das jetzt hin und dann habe ich dieses Paragraphen S gesehen."
    Benjamin Parmentiers Projekt Silverstrain, wird mit einem Paragraphen-Symbol abgekürzt. Bei dem Versuch ihn aufzuspüren, kapituliert jede Suchmaschine. Hinter dieser bedeutungsschweren und undurchsichtigen Zeichensprache scheint sich eine marktwirtschaftliche Verweigerungshaltung zu verbergen. Der Wunsch, kapitalistische Mechanismen zu überwinden, Plattenfirmen zu umgehen und unter sich zu bleiben. Ein Plan, der allerdings nicht ganz aufgegangen ist. Die schottische Band Chvrches, die momentan durch die Blogosphäre geistert, in ihrem Look und Sound ein wenig die Mysterien des Witch House reanimiert, schreibt sich absichtlich mit einem v. Grund dafür: Sie möchte gefunden werden. Schrieben sich Chvrches mit u, stieße man bei einer Suche im Netz nur auf Kirchen.
    Aus dem Underground-Phänomen Witch House und seiner sozialen Abgeschiedenheit ist ein profitabler Massenmarkt geworden. Geheimnisvolle Dreiecke, Kreuze und okkulte Symbole zieren seit einigen Jahren Designer-Jutetaschen und haben sich auf den Laufstegen der Modewelt etabliert. Symbole können auch einen reinen ästhetischen Wert haben. Manchmal sehen sie einfach nur gut aus.