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Porträt Eusébio

Wenn Fußballfans über die besten Spieler aller Zeiten sprechen, dann fällt nach Pele und Beckenbauer früher oder später auch der Name Eusébio. Im EM-Gastgeberland Portugal ist bis heute niemand so populär wie der Wunderstürmer der 60er Jahre. Aber auch in Mocambique, seiner eigentlichen Heimat, wird Eusébio verehrt.

Von Marco Bertolaso | 05.06.2004
    Das Munzinger-Personen-Archiv nennt ihn sogar "den ersten Superstar des afrikanischen Kontinents". In dem Leben des heute 62-jährigen spiegelt sich die Geschichte Portugals und seiner früheren Kolonien im 20. Jahrhundert.

    Eusébio da Silva Ferreira wurde 1942 in der Nähe von Lourenco Marques geboren, dem heutigen Maputo. Er wuchs in äußerst schwierigen Verhältnissen auf. Seine Mutter zog neun Kinder ohne Vater groß. Es gab kaum das Nötigste. An Ausbildung war nicht zu denken. Eusébio berichtet, statt dessen habe er schon als kleiner Junge mit seinen Freunden auf der Straße Fußball gespielt, barfuss und mit einem aus Lumpen gedrehten Ball.

    Die portugiesischen Vereine hatten ihre Talentsucher in den Kolonien. Eusébio wurde mit 18 Jahren in die Metropole geholt. Benfica Lissabon bekam den Zuschlag. Eusébio hatte maßgeblichen Anteil daran, dass sein Verein in den 60er Jahren Titel an Titel reihte und zeitweilig die Nummer eins in Europa war.

    1966 war er Torschützenkönig und für viele der überragende Spieler der WM in England. Er schoß die Tore zum sensationellen Sieg über Titelverteidiger Brasilien. Legendär wurde aber das Viertelfinale gegen Nordkorea. Portugal lag mit 0:3 zurück - und gewann doch noch mit 5:3. Eusébio drehte das Spiel mit vier Treffern im Alleingang.

    Auch andere Afrikaner garantierten damals die Erfolge der portugiesischen Mannschaften. Ohne es zu wollen, leisteten sie der Salazar-Diktatur einen wichtigen Dienst. Denn Sport, Volkstümelei und Religion waren die Mittel, um das Volk ruhig zu halten. "Fußball, Fado, Fatima" nannte man das damals.

    Für die Propaganda waren die schwarzen Spieler aber auch aus einem anderen Grund nützlich. Als die Befreiungskriege begannen, sollten sie der Welt beweisen, dass die Kolonien fest zum Mutterland gehörten. Und sie sollten zeigen, dass es in Portugal keinen Rassismus gebe.

    Das war aber nur Propaganda. Starfußballer hin oder her - viele blickten selbst auf Eusébio von oben herab, wegen seiner Hautfarbe. Auch beim Geld gab es Unterschiede. Mehrfach wollte Eusébio lukrative Angebote aus dem Ausland annehmen. Doch Salázar ließ ihm mitteilen, er gehöre dem portugiesischen Volk. Auch darauf gründet das traurige Wort vom "Fußball-Sklaven".

    Erst als die Diktatur gefallen war, ging er für ein paar Jahre ins Ausland. Eusébio musste Geld verdienen. Beim Zusammenbruch der Kolonialmacht in seiner Heimat Mocambique hatte er viel verloren. Außerdem sahen im revolutionären Portugal viele in Eusébio einen Mann, der dem alten Regime nahe gestanden hatte.

    1975 war er schon zu alt für die großen Vereine in Europa. Also tingelte er durch Mexiko, Kanada und die USA, schoß weiter Tore und holte Titel. 1978 beendete der größte Fußballer Portugals seine Laufbahn bei den "New Jersey Americans". Unter dem Strich stand eine Karriere mit 715 offiziellen Spielen - und 727 Toren.

    Anders als manche seiner Freunde ging Eusébio nicht nach Mocambique zurück. Mário Coluna etwa, sein Kapitän bei Benfica und in der Nationalmannschaft, wagte den Schritt. Coluna war später Sportminister in Mocambique und ist heute Präsident des Fußballverbandes.

    Eusébio dagegen entschied sich auch nach den Jahren in Amerika wieder für Portugal. Dort hatten sich die Verhältnisse beruhigt. Politisch und wirtschaftlich schlug das Land stabilere Bahnen ein, und auch Eusébio fand wieder einen festen Platz.

    Gesendet im Deutschlandfunk, "Sport am Samstag”, 5. Juni 2004