Mittwoch, 24. April 2024

Archiv

Portugal
Geplantes Steuergesetz in der Kritik

Portugals sozialistischer Regierungschef António Costa plant das Bankgeheimnis ab einem Vermögen von 50.000 Euro aufzuheben. Dies stößt auf Widerstand, nicht nur bei der Opposition, sondern auch bei Datenschützern und Steuerexperten.

Von Tilo Wagner | 26.09.2016
    Der portugiesische Ministerpräsident Antonio Costa bei einer Ansprache anlässlich der Parlamentsdebatte des portugiesischen Finanzausschusses in Lissabon am 22.02.2016.
    Portugals Premierminister António Costa möchte mit einem neuen Gesetz die Macht der Finanzämter weiter ausbauen. (picture alliance / Tiago Petinga)
    Premierminister António Costa hat in diesen Tagen Erklärungsbedarf: Sein Plan, das Bankgeheimnis ab einem Vermögen von über 50.000 Euro künftig lüften zu können, sei der richtige Schritt, um ein gerechteres Steuersystem zu schaffen und die Steuerhinterziehung zu unterbinden, so der Regierungschef.
    Doch das neue Gesetz stößt nicht nur bei den konservativen Oppositionsparteien im Parlament auf Widerstand. Die unabhängige Kommission für den Datenschutz hat auf die Gefahren hingewiesen, dass selbst unschuldige Bürger kontrolliert werden können, auch wenn keine Hinweise auf ein Fehlverhalten vorlägen.
    Für den Steuerexperten Ernesto Pinto vom Verbraucherschutzverband Deco hat sich Portugal in eine "Diktatur der Zahlen" verwandelt. Egal ob die Regierung aus dem linken oder rechten Lager stamme, seit der Finanz-Krise habe sie nur noch ein Ziel vor Augen: Möglichst viele Steuern eintreiben, um damit Haushaltsdefizit und Staatsschulden in den Griff zu bekommen. Das neue Gesetz sei eigentlich gar nicht notwendig, sagt Pinto:
    "In Portugal existieren schon eine ganze Reihe von Kontrollinstrumenten im Steuersystem, die vollkommen ausreichen, um Vergehen aufzudecken. Das Bankgeheimnis kann jetzt schon aufgehoben werden, und dafür braucht es nicht einmal handfeste Beweise – der reine Verdacht reicht aus."
    Katalog finanzpolitischer Änderungen
    Das neue Gesetz der sozialistischen Regierung reiht sich ein in einen ganzen Katalog von finanzpolitischen Änderungen, mit denen in den vergangenen Jahren das digitale Steuerkontrollsystem effizienter gestaltet wurde. So zahlt der Staat einen Teil der Mehrwertsteuer an die Bürger zurück, die bei ihren Einkäufen eine Rechnung mit ihrer Steuernummer verlangen und damit den Verkäufer zwingen, die umgesetzte Summe abzurechnen. Das Finanzamt gebe damit die Kontrollfunktion praktisch an den Bürger weiter, sagt Ernesto Pinto:
    "Die Regierung sagt, dass wir, wenn wir in ein Restaurant gehen und eine Rechnung mit unserer Steuernummer verlangen, aktiv die Steuerhinterziehung bekämpfen würden. Tatsächlich scheint es aber, als ob wir nun alles kostenlos fürs Finanzamt als Steuerfahnder arbeiten würden. Und das hat auch bedenklichen Folgen für uns Bürger: Denn auf dem digitalen Finanzportal können alle Rechnungen, die ich habe ausstellen lassen, aufgerufen werden und so entsteht ein Bild von all meinen Finanz-Bewegungen, die ich getätigt habe. Das zieht natürlich Fragen des Datenschutzes nach sich."
    Fehlende Flexibilität des digitalen Finanzportals in der Kritik
    Mittlerweile müssen fast alle Unternehmen und Bürger ihre Steuerangelegenheiten über das digitale Finanzportal klären. Die Online-Funktionen arbeiten größtenteils einwandfrei. Doch Probleme entstehen, wenn der Bürger und das Finanzportal unterschiedlicher Meinung sind. Auf E-Mails antwortet das System nicht, die Antworten über eine Hotline sind nicht rechtsbindend und in den Finanzämtern haben die Beamten häufig selbst keine Möglichkeit, in das System einzugreifen.
    Der deutsche Unternehmensberater Stephan Stieb, der seit drei Jahrzehnten in Portugal arbeitet, bemängelt die fehlende Flexibilität im System:
    "Der portugiesische Staat möchte den gläsernen Bürger. Er möchte ihn zu jemand erziehen, der – eben anders als im normalen Leben – absolut pünktlich und ordentlich und sachgemäß seine Erklärung abgibt. Das ist ja nun mal nicht so typisch für den Portugiesen, für uns, die wir hier so leben. Und wenn Sie sich überlegen, dass Sie in Deutschland mit ihrem Sachbearbeiter vereinbaren können, eben durch die Hilfe des Steuerberaters, die Erklärung wird sechs Monate später abgegeben und so, das hat keine Folgen. Aber hier hat das zum Teil dramatische Folgen, weil der Staat einfach der Auffassung ist, das gehört relativ stark bestraft."
    Wenig Widerstand von der Bevölkerung
    Gegen die wachsende Übermacht des Finanzamtes regt sich in Portugal relativ wenig Widerstand. Der Datenschutz wird von den politischen Parteien und von der Zivilgesellschaft stiefmütterlich behandelt. Institutionen wie die "Kommission für den Datenschutz" haben im Parlament nur beratende Funktion, ihre Weisungen sind nicht rechtsbindend. Der Steuerexperte Ernesto Pinto glaubt, dass sich hinter dieser passiven Haltung auch eine Reaktion auf die Krise versteckt:
    "Die Enttäuschung über die allgemeine Lage wirkt sich in Portugal negativ auf die Zivilgesellschaft aus. Es scheint, als ob um uns herum ein Big Brother aufgebaut wird, der alles kontrolliert, was wir tun und was wir sagen. Und die Bürger wehren sich nicht, so als ob sie schon am Abgrund stehen würden, und es ihnen nichts mehr ausmacht, wenn sie jemand hinunterschupst."