Freitag, 19. April 2024

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Positionsbestimmung
Deutschland nach der Wahl und in Europa

Zeit für Fragezeichen: Wo steht Deutschland nach dieser Bundestagswahl? Welche Innen- und welche Außenpolitik ist möglich? Wie viel Europa tragen die Grünen mit und wo zieht die FDP die Bremse? Wie kann der Enttäuschung und den Sorgen, die sich im AfD-Votum ausdrückten, begegnet werden? 

Moderation: Stephan Detjen | 27.09.2017
    Ein Wähler gibt seine Stimme ab
    Deutschland hat gewählt. Und jetzt? (picture alliance / dpa / Ralf Hirschberger)
    Wie kann der Enttäuschung und den Sorgen, die sich im AfD-Votum ausdrückten, begegnet werden? Welche Sozialpolitik ist von Nöten? Und: Ist die SPD wirklich aus dem Spiel? Unter Leitung von Stephan Detjen (Dlf) diskutierten darüber der Bundesvorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds, Reiner Hoffmann, der Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter und die Journalistinnen Kristina Dunz und Annette Binninger.
    Alltägliche Sorgen und Abstiegsängste seien der Grund für das erschreckend starke Abschneiden der AfD bei der Bundestagswahl, sagte DGB-Chef Reiner Hoffmann im Deutschlandfunk. Der Riss, der durch die Gesellschaft gehe, habe mit der sozialen Lebenslage der Menschen zu tun, mit Verlustängsten. Auch die Gewerkschaften gehörten zu den etablierten Organisationen im Land und müssten sich damit auseinandersetzen, dass viele Menschen sich abgehängt fühlten.
    DGB-Chef Hoffmann betont Bedeutung Europas
    Dort, wo die Menschen etwa durch Tarifbindung "soziale Haltepunkte" hätten, seien auch die Rechtspopulisten nicht so stark, sagte Hoffmann. Erhebliche Zweifel habe er, was eine Jamaika-Koalition im Bund angehe und ob es gelingen werde, ein solidarisches, vereintes, soziales Europa zu entwickeln, wie es der französische Staatspräsident vorgeschlagen habe. Europa sei eine der wichtigsten Zukunftsfragen, sagte der DGB-Vorsitzende. Deutschland gehöre zu den großen Gewinnern der europäischen Integration, vor allem der Währungsunion. Deren "Webfehler" müssten nun aber korrigiert werden.
    Der Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter unterstrich, in Ostdeutschland , aber auch in Bayern hätten kommunikative Versäumnisse eine große Rolle gespielt. Das Kommunikationspotenzial des politischen Personals habe in der Vergangenheit gelitten. Wähler, die sich enttäusch abgewandt hätten, könne man aber auch zurück gewinnen.
    Binninger rät zur Gelassenheim bei Provokationen der AfD
    Die Korrespondentin der Sächsischen Zeitung, Annette Binninger betonte, in Sachsen verbuche die AfD inzwischen Erfolge auch in der bürgerlichen Mitte; es seien viele Protestwähler darunter. Die Unionsparteien hätten es nicht verstanden, den Menschen zuzuhören. Aber auch die Medien hätten ein Glaubwürdigkeitsproblem. Die AfD im Landesparlament sei unauffälliger als zunächst erwartet, die Außenwirkung werde im Bundestag zweifellos anders und intensiver sein. Binninger riet, nicht jede Provokation der AfD aufzugreifen. Gelassenheit sei wichtig.
    Die Berliner Korrespondentin der Deutschen Presse Agentur, Kristina Dunz hob hervor, die soziale Gerechtigkeit werde neben der Europapolitik die zentralen Debatten der kommenden Zeit prägen.