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Post (SPD) zu Reform des Paragrafen 219a
"Daran wird die Große Koalition nicht zerbrechen"

Nach der Reform des Paragrafen 219a müsse gewährleistet sein, dass Ärztinnen und Ärzte auf ihrer Homepage straffrei darauf hinweisen können, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, sagte der SPD-Politiker Florian Post im Dlf. Wenn das nicht der Fall sei, werde er dem Gesetzentwurf nicht zustimmen.

Florian Post im Gespräch mit Martin Zagatta | 13.12.2018
    Florian Post von der Bayern-SPD, aufgenommen am 08.12.2012 in Dingolfing (Bayern) während der Landesvertreter-Versammlung der Bayern-SPD.
    Florian Post will, dass Ärzte auf ihrer Homepage auf Abtreibungen hinweisen dürfen (picture-alliance / dpa / Armin Weigel)
    Martin Zagatta: Im Streit um das Informationsverbot für Schwangerschaftsabbrüche wollte die SPD, wollten weite Teile der SPD und Oppositionsparteien den sogenannten Paragraphen 219a abschaffen. Das ist jetzt nach langem Hin und Her nicht gelungen.
    Am Telefon ist der SPD-Bundestagsabgeordnete Florian Post, der zu denen gehört, der den Paragraphen 219a am liebsten ganz abschaffen würden – glaube ich zumindest. Guten Tag, Herr Post!
    Florian Post: Guten Tag.
    Zagatta: Herr Post, wie bewerten Sie jetzt diesen Kompromiss? Hat sich da die SPD über den Tisch ziehen lassen?
    Post: Zunächst mal möchte ich auf Ihre Einleitung eingehen. Ich gehöre nicht zu denen, die den Paragraphen 219a ersatzlos streichen wollen. Was will ich? Ich will, dass Ärztinnen wie beispielsweise die angesprochene Kristina Hänel künftig auf ihrer Homepage darauf hinweisen dürfen, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Was will ich nicht? Ich will nicht, dass künftig beispielsweise Werbung auf Litfasssäulen oder auf U-Bahnen, Trambahnen für Schwangerschaftsabbrüche stattfindet. Aber es muss möglich sein, dass beispielsweise Kristina Hänel so darauf hinweist, wie sie es in der Vergangenheit getan hat, ohne dass sie künftig Strafandrohung nach 219a fürchten muss. Wenn das gewährleistet ist, bin ich zufrieden.
    Zagatta: Ist das denn gewährleistet? Die von Ihnen eben angesprochene Ärztin, Frau Hänel, die hat in einer gemeinsamen Erklärung mit anderen Ärztinnen, die aufgrund des Paragraphen 219a entweder verurteilt wurden oder denen eine Verurteilung droht, schon Stellung genommen. Die Ärztinnen sagen, sie seien entsetzt, und sprechen von einer Nullnummer. Können Sie das nachvollziehen?
    Post: Das kann ich in diesem Fall nicht nachvollziehen, weil der konkrete Gesetzestext noch nicht vorliegt. Es sind die Eckdaten erklärt worden. Der Bundesminister Helge Braun hat ja auch erklärt, dass es künftig möglich sein soll, dass die Ärzte von sich aus auf die Möglichkeit des Schwangerschaftsabbruches hinweisen. Ich kenne den genauen Gesetzestext noch nicht. Frau Hänel kann ihn auch nicht kennen, weil er noch nicht vorliegt. Dementsprechend kann ich da keine abschließende Bewertung vornehmen.
    "Wenn es nach uns gegangen wäre, hätten wir ja schon im März eine Lösung gehabt"
    Zagatta: Das heißt, das Ganze ist mal wieder auf die lange Bank geschoben?
    Post: Es hat sehr lange gedauert. Das lag aber nicht an der SPD. Wenn es nach uns gegangen wäre, hätten wir ja schon im März eine Lösung gehabt. Damals kam Frau Nahles, sage ich mal, kulanter Weise dem Volker Kauder, dem damaligen Unions-Fraktionsvorsitzenden entgegen, weil er Probleme in der eigenen Fraktion hatte. Wenn es nach der SPD gegangen wäre, wäre das Thema schon vor Start der Großen Koalition abgehakt gewesen.
    Zagatta: Sie sagen, kulanter Weise. Man kann das ja auch vorauseilenden Gehorsam nennen. So habe ich das auch schon mal gelesen.
    Post: Ja, man kann natürlich vieles reininterpretieren. Ich würde es in dem Fall aber, weil ich die Frau Nahles schon kenne, …
    Zagatta: Das sollen Sie gesagt haben, Herr Post. Sind Sie da auch falsch zitiert?
    Post: Ich habe gesagt, dass es so interpretiert werden könnte, was natürlich sehr schlecht ist, wenn das unterstellt wird. Aber es war in dem Fall wirklich so, dass Volker Kauder in der eigenen Fraktion große Probleme hatte mit der Durchsetzungsfähigkeit und Andrea Nahles ihm hier kulanter Weise entgegengekommen ist.
    Zagatta: Sie sollen ja auch gesagt haben oder angekündigt haben, wenn man da jetzt nicht eine Lösung findet, dann wollten Sie in dieser Woche in der Fraktion darauf drängen, dass man bei der Abstimmung sofort Gewissensfreiheit erklärt und dass man das abstimmen kann. Halten Sie daran noch fest, oder wurden Sie inzwischen schon ein bisschen zur Ordnung gerufen?
    Post: Nein, zur Ordnung gerufen wurde ich nicht. Bei uns in der Partei darf jeder Abgeordnete seine Meinung frei äußern, wenn er das in ordentlicher Weise tut. Ich wurde nicht zur Ordnung gerufen. Allerdings ist es natürlich so: Wenn am Dienstag in der Fraktionssitzung angekündigt wird, dass man sich hier auf der Zielgeraden befindet – es hat jetzt schon lange genug gedauert -, dann will man einem solchen Prozess nicht vorgreifen. Dann kommt es auf ein paar Stunden oder paar Tage, wie es jetzt hier der Fall war, nicht an. Ob ich das aufrecht erhalte, die Forderung, dass die Abstimmung freigegeben werden sollte, hängt von der klaren Formulierung des Gesetzestextes ab und von der letztendlichen Schlussfolgerung, ob beispielsweise eine Frau Hänel nach dann neuem Gesetz nach wie vor verurteilt werden würde, wenn sie ihre Homepage wieder online stellen würde, so wie sie in der Vergangenheit gewesen ist.
    Zagatta: Im Bundestag, so sieht es ja aus, gäbe es eine Mehrheit, das Verbot abzuschaffen, oder zumindest sehr, sehr einzuschränken, und die SPD verhindert das. Ist das Fakt so?
    Post: Nein, das verhindert nicht die SPD. Die Union hat das für sich zu einer ideologischen Frage erklärt.
    Zagatta: Das ist ja Ihr Koalitionspartner.
    Post: Das ist unser Koalitionspartner, das ist richtig. Aber wie gesagt, die Betonung liegt auf Koalitionspartner und nicht unser Ehepartner. Koalitionen sind nur Zweckbündnisse. Aber es ist natürlich so, was ich schon auch kritisch anmerken möchte: Wenn die Union ihrerseits es als ideologische Frage, als ethische Frage und damit ja als Gewissensfrage betrachtet, dann frage ich mich schon, warum das Gewissen eines Unions-Kollegen mehr gelten soll als meines.
    "An der Frage 219a wird die Große Koalition sicher nicht zerbrechen"
    Zagatta: Ist das jetzt wieder die alte Debatte, Frau Nahles sagt, wir bleiben in der Großen Koalition, müssen aber unsere Positionen stärker durchsetzen, und dieser Kompromiss ist jetzt wieder die Praxis?
    Post: Schauen Sie, in einer Großen Koalition ist natürlich alles irgendwo letztendlich ein Kompromiss, es sei denn, es geht um ganz unstrittige Fragen. Aber Sie wollen ja auf was anderes hinaus, und das kann ich auch vorwegnehmen. An der Frage 219a wird die Große Koalition sicher nicht zerbrechen.
    Zagatta: Da haben Sie auch keine Probleme. Wenn das jetzt nicht zufriedenstellend geregelt wird, dann muss man das mittragen? Im Koalitionsvertrag haben Sie das ja, glaube ich, nicht reingeschrieben. Da hat die Union ja auch irgendwo recht, dass sie sagt, okay, wir bleiben bei unserer Position.
    Post: Ja, natürlich. Und wir haben das Recht auch auf unserer Seite, dass wir dasselbe behaupten. Ich habe aber gerade gesagt: Nein, wenn das nicht zufriedenstellend geregelt ist, wenn Ärzten nach wie vor Strafandrohung droht, nur weil sie auf ihrer Homepage darauf hinweisen, dass sie eine Leistung anbieten, und das dann als Werbung gilt, nur weil die Ärzte dafür auch ein Honorar kassieren, wenn das nicht gewährleistet ist, dass die Rechtssicherheit gegeben ist, dann werde ich diesem Gesetzesentwurf nicht zustimmen.
    Zagatta: Dann wird es dieses Gesetz unter Umständen so nicht geben. Aber Sie stellen deswegen auch die Zusammenarbeit mit der Union dann nicht in Frage? Dann muss man das so hinnehmen, habe ich Sie recht verstanden?
    Post: Ob es das Gesetz geben wird oder nicht, das hängt dann von den Mehrheiten im Parlament ab, wie dann letztendlich eine solche Abstimmung ausgeht.
    Zagatta: Würden Sie dann mit der Opposition stimmen?
    Post: Das habe ich doch gerade erklärt. Jawohl! Wenn das nicht zufriedenstellend geregelt ist, so wie ich es vorhin ausgeführt habe, dann würde ich diesem Gesetzesantrag meine Stimme verweigern, also gegen die eigene Fraktion abstimmen in dem Fall.
    Zagatta: Ach ja, darauf zielte meine Frage ab. Schön, dass Sie das noch gesagt haben.
    Post: Das gilt es aber zu bewerten, wenn der Gesetzestext vorliegt.
    Zagatta: Na gut! Dann warten wir mal bis ins neue Jahr.
    Post: Gut, machen wir so.
    Zagatta: Okay! – Schöne Weihnachten!
    Post: Ihnen auch! – Auf Wiederhören.
    Zagatta: Florian Post, SPD-Bundestagsabgeordneter und heute Mittag hier im Gespräch im Deutschlandfunk.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.