Freitag, 29. März 2024

Archiv

Posthumes Prince-Album "Originals"
Was verbirgt sich im berühmten "Tresor" von Prince?

Prince war produktiver als andere Künstler. In seinem Tresor, der mittlerweile in einem Hochsicherheits-Gebäude in Los Angeles lagert, findet sich so viel Musik, dass es für viele weitere Jahre mit neuen Prince-Alben reicht. Der Archivar des geheimen Materials erklärt, wie er bei der Schatzsuche vorgeht.

Von Eric Leimann | 22.06.2019
Der Sänger Prince im Jahr 2010
Prince war auf fast übernatürliche Weise produktiv - in seinem Tresor lagern unzählige Aufnahmen. Nun erscheint ein zweites posthumes Album. (picture alliance / dpa / Andrew Gombert)
1987 baute Prince, damals einer der erfolgreichsten Musiker der Welt, einen riesigen, hochmodernen Studiokomplex namens Paisley Park in der Nähe von Minneapolis. Dort nahmen bald auch andere Stars ihre Alben auf, R.E.M. oder Madonna zum Beispiel.
Die "Paisley Park Studios" in Chanhassen.
Die "Paisley Park Studios" in Chanhassen. (imago/ZUMA Press)
Ende der 90er war jedoch Schluss damit. Prince hatte sich dazu entschlossen, von nun an auch in seinem Studio zu leben und fast pausenlos Musik aufzunehmen. Die hortete er in einem mysteriösen Tresor, unter Prince-Kennern "The Vault" genannt.
Im Prinzip hört man Prince beim lauten Denken zu
Nach dem Tod des Künstlers vor drei Jahren zog der Prince-Nachlass in einen Hochsicherheitstrakt nach Hollywood, Kalifornien, um. Hier trat Michael Howe Ende 2017 einen der größten Archivar-Jobs der Popgeschichte an: "Die erste Veröffentlichung aus "The Vault" war das Album "Piano & a Microphone", ursprünglich eine Kassetten-Aufnahme. Sie wurde wohl während einer Probe live auf einem Kassettenrecorder, einen klassischen Ghettoblaster, aufgenommen. Im Prinzip hört man Prince beim lauten Denken zu. Seite eins ist wie ein 22, 23-minütiges Medley, das er in einem Rutsch herunterspielte. Dann wendete er die Kassette und spielte die anderen Stücke."
Nun, ganz so elegisch wie auf dem wirklich faszinierend direkten Album "Piano & a Microphone" geht es auf "Originals", dem zweiten posthumen Prince-Album, nicht zu. Hier quäken schon mal die 80er-Jahre-Keyboards zu rudimentären Drumcomputer-Beats.
Es handelt sich um Lieder, die Prince für andere Leute geschrieben hat oder seine Version zumindest nie selbst veröffentlichte. Man könnte auch sagen: Skizzen oder Vorführsongs wie - hier zu hören "Sex Shooter", das der Meister 1983 für die von ihm protegierte Girlgroup Appolonia 6 geschrieben hatte.
Sinead O'Connor singt in ein Mikrofon und hat eine Gitarre umgehängt.
Die irische Popsängerin Sinead O'Connor bei einem Auftritt am 11. August 2013 beim Inter-Celtic-Festival im französischen Lorient (AFP / FRED TANNEAU)
Das bekannteste Stück auf "Originals" ist das Original zu Sinéad O’Connor’s Superhit "Nothing Compares 2 U", das allerdings schon mal als Single vor einigen Monaten veröffentlicht wurde.
Prince war auf fast übernatürliche Weise produktiv
Woher weiß Michael Howe, der vor seinem aktuellen Job der für Prince zuständige Manager bei der Plattenfirma Warner war, welche Stücke der Verstorbene zur Veröffentlichung frei gegeben hätte und welche besser in "The Vault" geblieben wären?
"Das ist immer schwer zu sagen. Bei jedem Superstar, der stirbt, gibt es ein neues, großes Interesse an dessen Kunst: Bowie, Tom Petty, George Michael. Da ist einfach ein gewaltiger Druck, noch etwas Wichtiges von ihnen zu finden, so makaber sich das anhören mag. Im Fall von Prince ist die Gemengelage aber komplizierter. In seinem Tresor liegt vermutlich sehr viel mehr als bei anderen Künstlern. Ein Szenario, dass man über viele Jahre immer wieder neue Musik von Prince veröffentlichen kann, ist ziemlich wahrscheinlich, Wir reden von einem Mann, der während seines Lebens auf fast übernatürliche Weise produktiv war."
Beim musikalischem Erbe reden viele mit
Prince hinterließ keine Kinder. Das Erbe teilen sich seine sechs Geschwister und Halbgeschwister. Sie engagierten Michael Howe und ein Team von Toningenieuren, um zu sichten, zu digitalisieren und alte Aufnahmen technisch zu verbessern. Unfertig klingendes Material, so Howe, wird niemals veröffentlicht werden - auch wenn er in dieser Hinsicht keine alleinige Entscheidungsgewalt besitzt. Zwei bis drei Leute, von denen er einer ist, gibt Howe etwas nebulös an, reden in Sachen Prince-Vermarktung mit.
"Originals" ist sicher ein Album, das man - gerade als Prince-Fan - verantworten kann. Die meisten Stücke stammen aus der frühen Phase der Karriere, als Prince die gesamte Popmusik mit seinem funkelnden Sound versorgte. Natürlich findet sich auch das Prince-Original des Bangles-Hit "Manic Monday", auch Hits für Sheila E. oder Country-Schmusesänger Kenny Rogers.
Alle Songs entstanden zwischen 1981 und 1990, weshalb man als Hörer mit einer gewissen Retro-Ästhetik des Sounds klarkommen muss.
Ein kompletter Künstler und aktiver als jeder andere Kreative
Michael Howe wird mit seiner Archivarbeit wohl noch einige weitere Jahren beschäftigt sein, doch die Faszination für sein Studienobjekt hat bis jetzt nicht nachgelassen: "Es ist einfach unglaublich, was dieser Typ binnen drei oder vier Minuten vor einem Mikrofon abliefern konnte - und zwar ganz spontan. Er war unglaublich begabt: als Gitarrist, Schlagzeuger, am Klavier oder Bass und natürlich auch als Sänger, Toningenieur und Produzent. Er war wirklich ein kompletter Künstler und aktiver als jeder andere Kreative, mit dem ich meinem Leben gearbeitet habe. Ich kann mir eigentlich niemanden vorstellen, der auf diesem Level - sowohl quantitativ wie qualitativ - gearbeitet hat. Und das über einen Zeitraum von 40 Jahren, nonstop! Es gab vielleicht Phasen, die etwas ruhiger waren. Aber ruhig heißt bei Prince immer noch, dass er im kreativen Sinne ziemlich laut war."