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PR-Trick oder echte Begeisterung?

Bei dem Wettbewerb der Überzeugungen um Stuttgart 21 spielen die Medien eine zentrale Rolle. Einige Blogger machten nun darauf aufmerksam, dass die PR-Branche eine sogenannte Graswurzelbewegung von Pro-Stuttgart-Aktivisten vorgetäuscht habe.

Von Oliver Ramme | 09.10.2010
    Donnerstagabend in Stuttgart. 200, 300 Jogger bereiten sich auf ihren Lauf vor. "Laufen für Stuttgart – S21 macht Sinn" so ihre Devise. Sie unterstützen das Bahnhofsprojekt. Weiß jemand der Demonstranten, wer hinter der Initiative "Laufen für Stuttgart" steckt?

    "Oje, oje. Nee, ich weiß jetzt keine Namen, aber ich bekomme da immer diese Mails."

    "Was würden sie sagen, wenn hinter den Initiatoren eine Werbeagentur stünde?"

    "Das wird teilweise geschrieben, das stimmt aber nicht, das fände ich nicht gut. Das soll nicht der Fall sein."
    Das ist aber der Fall. Einer der Initiatoren von "Laufen für Stuttgart" leitet die Sitibi Werbeagentur. Für zahlreiche Blogger - viele darunter sind Bahnhofsgegner - ist damit der Fall klar: Astroturfing, also eine künstliche Grassroot-Bewegung. Belastendes Material gäbe es bereits auf der Webseite der Werbeagentur. Unter den Referenzen befinden sich die Deutsche Bahn und die Stadt Stuttgart, beide stehen für das Neubauprojekt.
    Dazu Christian List, Mitinitiator von "Laufen für Stuttgart" und Chef der Sitibi Werbeagentur:

    "Damit habe ich überhaupt kein Problem, ich hoffe sonst auch niemand, das sind Kunden, die wir mal hatten. Wir arbeiten aktuell nicht für die Deutsche Bahn. Und ich kann doch meine Meinung äußern, egal ob ich eine Kommunikationsagentur oder ein Malergeschäft habe. Ich sage meine Meinung und halte mein Personal raus."

    Dass Bürgerinitiativen mit PR- und Werbeagenturen zusammenarbeiten, ist weder etwas Neues noch ehrenrührig – so der Deutsche Rat für Public Relations auf Anfrage. Auch die Bahnhofsgegner kooperieren mit Werbeprofis.

    Verwerflich aber sei es – so der Rat, wenn PR verdeckt oder unter falschem Namen angewendet würde. Solch ein Verstoß endet meist mit öffentlichen Rügen und daraus resultierendem Imageverlust der Agenturen.

    Verstöße gab es in der Vergangenheit genügend. Einige wurden aufgedeckt, mehr noch blieben unerkannt. Eines der bekanntesten Beispiele für unlautere PR lieferte in den letzten Jahren ausgerechnet die Deutsche Bahn. Die hat 2007 damit begonnen, Millionenbeträge auszugeben, um durch manipulierte Umfragen und bezahlte Leserbriefe die öffentliche Meinung über den Konzern zu beeinflussen. Bahn-Chef Grube ließ danach verlauten, derlei PR-Maßnahmen lehne er entschieden ab und zog Konsequenzen. Die dafür Verantwortlichen wurden entlassen.

    Sollte sich nun aber Ähnliches wiederholen – beim milliardenschweren Projekt Stuttgart 21? Das Kommunikationsbüro des Projekts weist auf Anfrage sämtliche Kontakte zu den Befürworterinitiativen zurück - vor allem finanzieller Art.

    Ähnlich äußert sich auch Werbefachmann List und weist alle Bloggerbeschuldigungen von sich.
    "Ich lade jeden herzlich zu mir in die Agentur ein, ich bin völlig transparent. Es gibt E-Mail-Adressen zu unseren Blogs, die wirklich auch existent sind. Die müsste man ja alle türken. Es ist alles ehrlich mit echten Menschen dahinter. Das ist alles aus der Luft gegriffen."

    "Sie haben keinen Kontakt zum Stuttgart 21 Konsortium?"

    "Keine geschäftlichen Beziehungen oder sonst was, also irgendwoher Geld bekommen, nein!"

    Der vermeintliche Astroturfing-Fall um Stuttgart 21 ist dann wohl eher der hitzigen Lage geschuldet. Gegner und Befürworter stehen sich mehr denn je misstrauisch gegenüber – und beäugen argwöhnisch vor allem ihre PR-Aktivitäten.