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Präsidentenwahl in Litauen
Nachfolger von Dalia Grybauskaite gesucht

Neun Kandidaten bewerben sich bei der Präsidentenwahl in Litauen um die Nachfolge von Präsidentin Dalia Grybauskaite. Sie hatte vor allem außenpolitisch Akzente gesetzt. Den Kampf gegen Korruption und Vetternwirtschaft im eigenen Land hat sie allerdings verloren.

Von Carsten Schmiester | 11.05.2019
Die litauische Präsidentin Dalia Grybauskaite steht im Präsidentenpalast vor Fahnen
Dalia Grybauskaite darf nach zwei Amtszeiten nicht mehr bei den Präsidentschaftswahlen in Litauen kandidieren. (Valda Kalnina/epa)
"Ich denke, die Lage verschlechtert sich. Russland ist offen und direkt im Krieg mit der Ukraine, einem Land, das die Nähe zu Europa sucht. Damit ist Russland praktisch im Krieg mit Europa!"
Zehn Jahre lang hat die jetzt nach zwei Amtszeiten scheidende Präsidentin Dalia Grybauskaite gegen Moskau gewettert und vor Putin gewarnt. Die Angst vor Russland sitzt tief in Litauen. Die knallharte "Bernsteinlady", so ihr Spitzname, hat sie immer wieder adressiert. Wie auch das andere große Problem des Landes: Korruption und Vetternwirtschaft. Den Kampf hat sie allerdings verloren, es wird weiter geschmiert und gemauschelt. Vytautas Bruveris von der Tageszeitung "Litauens Morgen" zieht eine Bilanz:
"Grybauskaites Präsidentschaft muss man differenziert betrachten. Sie hat sowohl Gutes als Schlechtes bewirkt. Ihr Einfluss auf die Innenpolitik des Landes war zum Beispiel eher negativ. Anders als die außenpolitische Wirkung ihrer strengen Linie gegenüber dem Osten, was die Diktatur in Russland und die potenzielle Gefahr für den Westen angeht. Da hat sie sich erfolgreich für eine konsequente Politik der Sanktionen eingesetzt."
Neun Kandidaten bewerben sich für Nachfolge
Jetzt bewerben sich neun Kandidaten um ihre Nachfolge, allen voran die in Umfragen vorn liegende Wirtschaftswissenschaftlerin Ingrida Simonyte. Sie tritt für den konservativen "Vaterlandsbund" an und scheint sich außen- und sicherheitspolitisch an Grybauskaite zu orientieren. Die habe schließlich recht gehabt mit ihren frühen Warnungen.
"Litauen wurde lange Zeit als 'Ein-Fragen-Staat' verspottet, weil wir ständig über Russland und die Gefahr, die von Russland ausgeht, sprachen. Dann haben wir alle schmerzhaft erfahren müssen, dass diese Warnungen nicht unbegründet waren: Die Krim wurde besetzt, es gibt kriegerische Aktivitäten in der Ost-Ukraine. In Europa ist etwas passiert, was unvorstellbar schien: Russland hat Grenzen verschoben."
Ebenfalls gute Chancen hat Gitanas Nauseda, ein parteiloser Ökonom, der vor allem die Wirtschaft seines Landes stärker fördern will:
"Es heißt, in unserem System stimmt etwas nicht, deshalb können wir ausgewanderte Litauer, die eigentlich bereit wären, zurückzukehren und sich im Lande etwas aufzubauen, nicht dazu bewegen, das auch zu machen. Das Problem sind die gewaltigen Unterschiede zwischen den kleinen und großen Städten. Da müssen wir noch viel leisten, um diese regionalen Unterschiede zu verkleinern."
Viele Litauer sind politikverdrossen
Dritter aussichtsreicher Präsidentschaftskandidat ist Saulius Skvernelis vom "Bund der Bauern und Grünen", noch ist er Premierminister seines Landes. Skvernelis steht außenpolitisch für ein klares "Weiter-So", sieht in den USA den wichtigsten Partner des Landes, politisch und wirtschaftlich. Aber er ist eben ein Mann des Systems und überzeugt deshalb längst nicht alle Litauer. Viele sind nach diversen größeren und kleineren Korruptionsskandalen politikverdrossen und sagen das auch ganz offen, so wie Danute, eine 63-jährige Frau aus Vilnius.
"Was soll man machen, man kann ja nur wählen, wer zur Wahl steht. Ich bin mit keinem Kandidaten zufrieden. Es ist niemand da, der das Land als Präsident moralisch und stimmungsmäßig einen könnte."