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Präsidentenwahl in Uruguay
Sieg der Linken wahrscheinlich

In der ersten Runde der Präsidentenwahl in Uruguay im Oktober konnte das Linksbündnis von Tabaré Vazquez zwar nicht die absolute Mehrheit holen - ein Sieg gilt ihm in der Stichwahl dennoch als sicher. Denn der Amtsinhaber José Mujica, der ebenfalls dem Bündnis angehört, hinterlässt eine positive Regierungsbilanz.

Von Victoria Eglau | 29.11.2014
    Präsidentschaftskandidat Tabaré Vasquez (Frente Amplio) bei einer Wahlkampfveranstaltung
    Präsidentschaftskandidat Tabaré Vazquez (Frente Amplio) bei einer Wahlkampfveranstaltung (PABLO PORCIUNCULA / AFP)
    In der Altstadt von Montevideo spielt eine Blues-Band. Nichts deutet hier darauf hin, dass morgen ein neuer Präsident gewählt wird - es sind kaum Wahlplakate zu sehen, es werden keine Handzettel verteilt.
    "Es ist so ruhig, weil es nach dem Sieg der Linken im ersten Wahlgang sicher scheint, dass sie die Stichwahl gewinnen wird. Der Abstand zwischen den beiden Kandidaten ist groß," erklärt ein älterer Mann im Anzug, der den Platz der Unabhängigkeit überquert. Auch wenn Linkskandidat Tabaré Vazquez bei der Wahl im Oktober die absolute Mehrheit verfehlte - sein Sieg fiel mit 47 Prozent der Stimmen deutlich aus. Der Frente Amplio, ein Linksbündnis sozialdemokratischer Prägung, genießt nach einem Jahrzehnt an der Macht immer noch starken Rückhalt in Uruguays Bevölkerung. Adolfo Garcé, Politologe von der Universität der Republik in Montevideo:
    "Das Bruttoinlandsprodukt ist in dieser Zeit gestiegen, Armut und Arbeitslosigkeit sind gesunken, Uruguay hat seine Auslandsschuld umstrukturiert, ausländische Investitionen angezogen, und die Löhne sind gestiegen - das heißt, objektiv betrachtet ist die Bilanz der Regierung sehr positiv."
    In Lateinamerika gehört Uruguay zu den Ländern, die sich im vergangenen Jahrzehnt am dynamischsten entwickelten - mit einer Wachstumsrate von jährlich 5,5 Prozent. Besonders stark boomte der Export von Dienstleistungen und Landwirtschaftsprodukten. Uruguay profitierte von hohen Weltmarktpreisen, vor allem für Soja - Fernando Lorenzo vom Wirtschaftsforschungsinstitut CINVES:
    "Verantwortlich für das hohe Wachstum waren sowohl die günstigen internationalen Rahmenbedingungen, durch die Uruguays Exporte stiegen - als auch Investitionen in unsere Produktivität und der Anstieg des Binnenkonsums."
    Vazquez' Herausforderer orientiert sich an Positionen der linken Mitte
    Ein Wahlkampfauftritt von Linkskandidat Tabaré Vazquez, einem 74-jährigen Arzt. Mariela Othaz, die als Fußpflegerin nicht zu den Besserverdienenden gehört, ist mit einer Freundin gekommen. Sie schwenken eine blau-weiße uruguayische Fahne. Beide stimmten bereits vor zehn Jahren für den Frente Amplio, als Vazquez zum ersten Mal Präsident wurde, und wollen es nun wieder tun.
    "Der Frente Amplio hat den Armen geholfen, hat ihnen Chancen eröffnet. Das staatliche Gesundheitssystem ist besser geworden. Früher dachten die Politiker Politik nur an die Reichen, heute auch an die Armen."
    Dass die Armut in Uruguay drastisch gesunken ist - von 40 Prozent im Jahr 2004 auf heute gut zehn Prozent - lag an umfangreichen Sozialhilfen einerseits und der Schaffung von Arbeitsplätzen andererseits. Kandidat Tabaré Vazquez verspricht Kontinuität und weitere Verbesserungen:
    "Wir treten für das Recht der Bürger auf angemessene Schulen und Wohnungen ein, auf öffentliche Sicherheit und Gesundheitsversorgung. Wir wollen, dass Uruguay weiter wächst und es anständige Arbeitsplätze für unsere Bevölkerung gibt."
    Vazquez' Herausforderer Luis Alberto Lacalle Pou, Kandidat der rechtsliberalen Nationalpartei, überraschte in diesem Wahlkampf mit einem Programm, das sich stark an den Positionen der linken Mitte orientierte. So versprach er, den Elendssiedlungen ein Ende zu machen, die es in Uruguay trotz aller Erfolge bei der Armutsbekämpfung immer noch gibt.
    "Eines unserer Hauptziele ist, für 200.000 Uruguayer würdige Unterkünfte zu bauen. Es gibt 200.Uruguayer, die trotz einer florierenden Wirtschaft immer noch in einer elendigen Umgebung leben."
    Hauptthemen Bildung und Kriminalität
    Egal, wer Uruguay künftig regieren wird - er wird sich auch eines Problems annehmen müssen, das das Land mit anderen südamerikanischen Staaten teilt: der Bildungskrise. Die gravierenden Mängel der staatlichen Schulen konnte der Frente Amplio in den letzten Jahren nicht beheben. Politologe Adolfo Garcé:
    "Mit 17 Jahren machen uruguayische Schüler das Abitur, aber weniger als 40 Prozent schaffen das. Die anderen verlassen vorher die Schule - meist Jugendliche aus armen Familien. Die hohe Abbrecher-Quote verschärft die sozialen Probleme. Ein weiteres Problem: Die schlechte Qualität der Bildung - bei den Pisa-Rankings schneidet Uruguay nicht gut ab."
    Für Ernesto Talvi, Direktor des Wirtschaftsforschungsinstituts CERES, ist die Bildungsmisere ein schwerwiegendes Hindernis auf Uruguays Weg zu einem entwickelten Land:
    "Wachstum kann nur dann mit Entwicklung einhergehen, wenn sich die Bildung verbessert. Die Hälfte unserer jungen Leute ist nicht darauf vorbereitet, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Zwar ist die Kluft zwischen Arm und Reich in Uruguay nicht so tief wie im Rest Lateinamerikas, aber wir haben eines der ungerechtesten Schulsysteme."
    Neben der Bildung gehört die Unsicherheit zu den Hauptsorgen der Uruguayer. Beide Präsidentschafts-Kandidaten haben der Kriminalität den Kampf angesagt. Für den Frente Amplio ist die Legalisierung von Marihuana, die der Amtsinhaber José Mujica auf den Weg brachte, ein Versuch, die Drogenkriminalität zu bekämpfen. Vom Ausland wird das Experiment, das erst im nächsten Jahr richtig anlaufen soll, mit großem Interesse beobachtet. Es sieht ganz danach aus, als werde der Frente Amplio dieses Gesetz weiter umsetzen - denn seine Chancen auf einen Sieg bei der morgigen Stichwahl stehen gut.