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Präsidentschaftswahl in Litauen
Zwei Finanzexperten in der Stichwahl

Zehn Jahre lang lenkte Dalia Grybauskaite die Geschicke Litauens. Nun geht ihre Ära als Präsidentin zu Ende. Wer ihre Nachfolge antritt, wird in zwei Wochen in einer Stichwahl entschieden. Radikale Neuanfänge sind mit keinem der beiden Kandidaten zu erwarten, aber eine sozialere Wirtschaftspolitik.

Florian Kellermann | 13.05.2019
Wer wird am Ende das neue Staatsoberhaupt Litauens: Der ehemalige Chefökonom einer Privatbank, Gitanas Nauseda oder die frühere Finanzministerin Ingrida Simonyte?
Wer wird am Ende das neue Staatsoberhaupt Litauens: Der ehemalige Chefökonom einer Privatbank, Gitanas Nauseda oder die frühere Finanzministerin Ingrida Simonyte? (AFP/Petras Malukas)
Zwei Finanzexperten werden sich in zwei Wochen gegenüberstehen. Gitanas Nauseda war bis vor kurzem Chefökonom der größten Privatbank in Litauen. Der 54-Jährige betonte, dass er auch in die Stichwahl als unabhängiger Kandidat gehen werde:
"Wir verhandeln mit keiner Partei, die mich unterstützen könnte. Denn das würde ja nicht bedeuten, dass mich auch deren Wähler unterstützen. Die Litauer sind weise und können selbst entscheiden. Ich denke, viele, die normalerweise die Sozialdemokraten wählen, dürften mir ihre Stimme geben."
Denn der parteilose Nauseda hatte im Wahlkampf vor allem mit dem Wort "Sozialstaat" geworben. Er werde die drastischen Einkommensunterschiede bekämpfen und Steuern erhöhen, erklärte er. Mehr Geld solle vom Staat umverteilt werden. Bisher ist die Staatsquote in Litauen so niedrig wie in kaum einem anderen EU-Land - also die Ausgaben des Staats gemessen am Bruttoinlandsprodukt.
Niedrigere Steuern oder einen besseren Sozialstaat
Nauseda wird Ingrida Simonyte gegenüberstehen. Die 44-Jährige war früher Finanzministerin und unterrichtet Wirtschaftswissenschaften an der Universität Vilnius. Sie werde als Präsidentin der Nation die Frage stellen, ob das Land weiter niedrige Steuern behalten oder einen besseren Sozialstaat aufbauen wolle:
"Ich kann mit solchen politischen Parteien zusammenarbeiten, die einen festen Standpunkt haben, egal, ob links, rechts oder in der Mitte. Aber sie sollten nicht alles gleichzeitig sein wollen. Ich kann sowohl mit Liberalen als auch mit Sozialdemokraten diskutieren. Ich habe vor ersten Wahlrunde auf populistische Versprechen verzichtet und werde das auch vor der Stichwahl tun."
Simonyte wird von den Christdemokraten unterstützt, die im Parlament in der Opposition sind. Weltanschaulich zeigte sie sich am liberalsten: Sie trat für eine eingetragene Partnerschaft auch für homosexuelle Paare ein.
Auch der amtierende Ministerpräsident Saulius Skvernelis hatte sich Chancen ausgerechnet, in die Stichwahl zu kommen. Doch er landete abgeschlagen auf Platz drei. Skvernelis wird von der wertekonservativen "Union der Bauern und Grünen" unterstützt. Er hatte gedroht, bei einer Niederlage sein Regierungsamt niederzulegen. Am Wahlabend wiederholte er das:
"Dass ich nicht in die Stichwahl gekommen bin, ist eine Bewertung meiner Arbeit als Politiker. Und ich akzeptiere diese Bewertung. Daraus muss ich die Konsequenzen ziehen. Vielleicht trifft das auf andere nicht zu, aber für mich ist es wichtig, die Unterstützung der Menschen zu haben."
Beobachter waren sich uneins, wie ernst Skvernelis seine Drohung meinte. Er könne sie auch nur benutzt haben, um seine Anhänger maximal zu mobilisieren, meinten einige.
Linie der Vorgängerin fortsetzen
Der Präsident soll in Litauen laut Verfassung vor allem die Außenpolitik gestalten. In diesem Punkt waren sich die wichtigsten Kandidaten weitgehend einig: Sie wollen die Linie der scheidenden Dalia Grybauskaite im Großen und Ganzen fortsetzen. Litauen gilt unter ihr als loyaler Partner in der EU und der Nato. So hat das Land den Euro als Zahlungsmittel eingeführt und Flüchtlinge aufgenommen, die von Brüssel zugeteilt wurden.
Dalia Grybauskaite profilierte sich auch als eine der schärfsten Russland-Kritikerinnen in der EU. Während Ingrida Simonyte hier voll in ihre Fußstapfen treten dürfte, hat Nauseda angekündigt, zumindest rhetorisch etwas leisere Töne anzuschlagen.