Dienstag, 19. März 2024

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Präsidentschaftswahlen in den USA (1/4)
Der lange Weg zur Rassistenpartei

Zwischen Abraham Linclon und Donald Trump liegen mehr als 150 Jahre. Von der Zeit, in der der eine US-Präsident war, bis heute, wo es der andere werden will. Jahre, in denen sich ihre gemeinsame Republikanische Partei dramatisch verändert hat - und zu einer Sekte von rassistischen Krakeelern herabsinken könnte, wie unser Essayist Hannes Stein warnt.

Von Hannes Stein | 09.10.2016
    Vorbereitungen zum Parteitag der US-Republikaner in Cleveland/Ohio.
    Essayist Hannes Stein verfolgt die Geschichte der Republikanischen Partei in Amerika. (AFP - Dominick Reuter)
    Es ist ein trauriger Witz der Weltgeschichte, dass ausgerechnet die Partei Abraham Lincolns jetzt einen Präsidentschaftskandidaten aufgestellt hat, der offen den Hass gegen Mexikaner und Muslime predigt. Eigentlich verraten die Republikaner damit ein großartiges Erbe. Die Republikaner waren im 19. Jahrhundert die Anti-Sklaverei-Partei; die Demokraten waren dagegen die Partei der Besitzstandswahrung, des Status quo und des Rassismus'.
    Der Ku Klux Klan war eigentlich der bewaffnete Arm der Demokratischen Partei. Die Abschaffung der Sklaverei (13. Amendment) und die Gewährung voller Bürgerrechte für alle im Land Geborenen, unabhängig von der Hautfarbe (14. Amendment), waren Errungenschaften der Republikaner. Noch der Civil Rights Act wurde vor allem mit den Stimmen republikanischer Abgeordneter verabschiedet.
    Erst unter Nixon fingen die Republikaner an, jene Wähler in den Südstaaten einzufangen, die zuvor für die rassistischen "Dixiecrats" gestimmt hatten. Aber damit wurden die Republikaner nicht automatisch zur Rassistenpartei. George W. Bush – was immer man sonst von ihm halten mag – hat sich für Einwanderer eingesetzt und war alles andere als islamophob. Die härteste Anti-Einwanderer-Rhetorik kam bis vor Kurzem von ökologisch argumentierenden Leuten, die die Bevölkerungszahl in den USA niedrig halten wollten, nicht von Republikanern.

    20 Dollar bekommt, wer die folgende Frage richtig beantwortet: Welcher politischen Partei gehörte Andrew Jackson an?
    Jackson wurde 1829 ins höchste Amt gewählt, das die amerikanische Republik zu vergeben hat. Er regierte dann bis 1837. Andrew Jackson war ein harter, kompromissloser Mann. Als er Präsident wurde, hatte er zwei Kugeln im Leib stecken. Die eine befand sich ganz in der Nähe seines Herzens - er hatte sie bei einem Duell abbekommen, bei dem es um die Ehre seiner Frau ging. Sein Kontrahent hatte zuerst gefeuert - und getroffen. Aber Andrew Jackson fiel nicht um, sondern blieb blutend stehen. Er zielte lange und sorgfältig und verwundete seinen Gegner tödlich. Die zweite Kugel ruhte in seiner Schulter - auch sie eine Duellverletzung. Jackson ließ das Geschoss 1832 entfernen - ohne Narkose, versteht sich. Außerdem trug Andrew Jackson eine rote Narbe von einem Säbelhieb auf dem Schädel. Diesen Hieb hatte er kassiert, als er 14 Jahre alt war: Die Briten hatten ihn und seinen Bruder gefangen genommen. Ein britischer Offizier befahl, ihm den Schlamm von den Stiefeln zu säubern. Jackson weigerte sich, der Schlag mit dem Säbel war die Quittung.
    Der Demokrat Andrew Jackson: Auflösung der Zentralbank und Indianer-Vertreibung
    Als Präsident verfügte Jackson im Wesentlichen zwei Maßnahmen. Erstens: Er sorgte für die Auflösung der amerikanischen Zentralbank, weil er sie für das Zentrum einer kapitalistischen Verschwörung hielt. Sie barg in seinen Augen den Kern für die Entstehung einer Geldaristokratie. Erst 1913 wurde mit der Federal Reserve eine neue amerikanische Zentralbank geschaffen, dazwischen regierte ein wirtschaftliches Durcheinander und Durchgewurschtel, das von gelegentlichen Bankenpaniken unterbrochen wurde.
    Zweitens: Andrew Jackson verfügte die Vertreibung der "fünf zivilisierten Indianernationen", also der Choctaw, Creek, Chickasaw, Cherokee und Seminolen. Sie wurden in ein Gebiet westlich des Mississippi vertrieben, in das heutige Oklahoma. Ein Viertel der Cherokee ist dabei elend krepiert - vor allem Kinder und alte Leute. Als die Cherokee gegen den Austreibungsbeschluss vor dem Obersten Gerichtshof in Washington klagten und die Richter ihnen Recht gaben, reagierte Andrew Jackson mit einer zynischen Frage. Er erkundigte sich, ob der Oberste Gerichtshof denn wohl über Truppen verfüge. Gegner der Sklaverei hat Jackson als "Ungeheuer" bezeichnet und er hielt selber schwarze Sklaven.
    Mit anderen Worten: Andrew Jackson war ein Populist und Rassist. Seine Politik gegenüber den Indianern würde heute wahrscheinlich als genozidal eingestuft werden. Vielleicht würde er sogar vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag landen. Nun also: Welcher politischen Partei gehörte Jackson an?
    Er war Demokrat. Genauer gesagt war Jackson der erste Präsident, der der gerade eben gegründeten Demokratischen Partei angehörte. Und er war der Held der europäischen Linken seiner Zeit, denn er machte Ernst mit einer revolutionären Losung: "One Man, One Vote".
    Das heißt: Jeder weiße Mann durfte seine Stimme abgeben, auch wenn er ein armer Schlucker war und über keine Ländereien verfügte. Unter Andrew Jackson verwandelten sich die Vereinigten Staaten in eine wahre Volksherrschaft. Bis heute ist sein Konterfei auf jedem 20-Dollar-Schein zu sehen.
    Die Demokraten waren die Partei des Rassismus
    Ist es ein Zufall oder ein Irrtum, dass Andrew Jackson der Demokratischen Partei angehörte? Keineswegs. Die Demokraten waren im 19. Jahrhundert die Partei der armen weißen Volksmassen. Das aber bedeutet: Sie waren die Partei des Rassismus.
    Ganz besonders deutlich wurde das in der Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs, der von 1861 bis 1865 dauerte. Die Demokraten in den Nordstaaten fanden sich zwar widerwillig bereit, den Krieg gegen die Abtrünnigen im Süden zu unterstützen. Aber nur unter einer Bedingung: Die Sklaverei durfte nicht angetastet werden. Der offizielle Slogan der Demokraten in den Kriegsjahren war:
    "Die Union, wie sie war [...] die Verfassung, wie sie war [...] und die Neger, wo sie sind."
    Übrigens gab es in den Vereinigten Staaten jede Menge Leute, die den Bürgerkrieg rundheraus ablehnten. Manche waren Pazifisten, andere glaubten, es lohne sich nicht, wegen etwas so Unwichtigem wie der Sklaverei in den Krieg zu ziehen. Eines hatten all diese Kriegsgegner gemeinsam - sie waren Demokraten.
    Nach dem Bürgerkrieg taten die Demokraten alles, um die Neugestaltung der Südstaaten zu sabotieren. Die weiße Herrenrasse sollte weiter die Zügel in der Hand behalten. In Tennessee wurde eine Geheimgesellschaft gegründet, die wehrlose Menschen an Bäumen aufknüpfte. Ihr Name war Ku-Klux-Klan. Der Ku-Klux-Klan war nichts anderes als der bewaffnete, der terroristische Arm der Demokratischen Partei. Rhetorische Flankenhilfe gaben ihm Politiker wie Thomas Hendricks, der es unter Grover Cleveland bis zum amerikanischen Vizepräsidenten brachte. Der Demokrat aus dem Bundesstaat Indiana erklärte:
    "Ich glaube nicht, dass die Negerrasse und die weiße Rasse sich bei der Ausübung politischer Macht mischen und der Gesellschaft gute Ergebnisse bringen können. Die weiße Rasse hat eine aufwärtsstrebende, die farbige Rasse eine abwärtsstrebende Tendenz [...]"
    …etcetera.
    1877 zogen sich die letzten Soldaten der Unionsarmee aus dem Süden der USA zurück. Von da an regierten sich die ehemaligen Sklavereistaaten selbst. Das war der Anfang der Jim-Crow-Gesetze - so genannt nach einer schwarzen Kunstfigur, die rassistische Weiße sehr lustig fanden.
    Das Ziel der Jim‑Crow‑Gesetze war angeblich nur die Trennung der Rassen. In Wirklichkeit ging es darum, die Schwarzen unten zu halten, wenn nötig, durch Terror. Sie mussten im Bus hinten sitzen. Ihre Kinder durften nur in Schulen gehen, die schlechter ausgestattet waren als die Schulen der Weißen. Sogar die Bedürfnisanstalten waren nach Hautfarben getrennt. Und bis 1967 war es in den Südstaaten verboten, dass Weiße und Schwarze einander heirateten. Diese grausamen, rassistischen Regelungen wurden allesamt von Demokraten erdacht, gebilligt, durchgesetzt. Kein Politiker der Gegenseite hätte auch nur den Schatten einer Chance gehabt, gewählt zu werden.
    Der Republikaner Abraham Lincoln gegen die Sklaverei
    Dies bringt uns nun zur zweiten Preisfrage, für die es diesmal allerdings nicht 20, sondern nur fünf Dollar gibt. Bitte: Welcher politischen Partei gehörte Abraham Lincoln an?
    Er war Republikaner. Selbstverständlich Republikaner. Und bis heute ist dieser vielleicht verehrungswürdigste aller amerikanischen Präsidenten auf jedem Fünf-Dollar-Schein zu sehen.
    Die Republikanische Partei wurde 1854 als Abspaltung der amerikanischen Whig-Party gegründet. Die Whig-Party war eine wirtschaftsliberale Partei. Das neue Element, das die Republikanische Partei auszeichnete, war ihre entschiedene Ablehnung der Sklaverei. Zunächst einmal ging es um die Frage, ob die Sklaverei sich in die neuen Territorien ausbreiten sollte, die im Westen der Republik erschlossen wurden. Die Republikanische Partei sagte entschieden: Nein. Für die Ablehnung der Sklaverei gab es sowohl handfeste wirtschaftliche als auch moralische Gründe. Die Sklavenhalter konnten zum Nulltarif über Arbeitskräfte verfügen - allein dadurch waren sie immer im Vorteil gegenüber weißen Firmengründern, die ihre Arbeiter bezahlen mussten. Das fanden die Republikaner unfair.
    Aber Abraham Lincoln lehnte die Sklaverei auch ganz grundsätzlich ab. Als junger Mann notierte er: "Wenn Herr A begründen kann - wie schlüssig auch immer -, dass er Herrn B rechtmäßig versklaven darf, warum sollte Herr B ihm dieses Argument nicht unter der Nase wegschnappen und mit gleichem Recht beweisen, dass er Herrn A versklaven darf? Du sagst, Herr A ist weiß und Herr B ist schwarz. Also liegt es an der Hautfarbe, und der Hellhäutigere hat das Recht, den Dunkleren zu versklaven? Vorsicht. Nach dieser Regel wirst du von dem ersten Mann versklavt werden, der hellere Haut hat als du. Du meinst also nicht die Hautfarbe? Du meinst, die Weißen seien den Schwarzen intellektuell überlegen, und sie hätten darum das Recht, sie zu versklaven? Noch einmal Vorsicht. Nach dieser Regel wirst du von dem ersten Mann versklavt werden, der dir entgegenkommt und dir intellektuell überlegen ist. Aber, sagst du, es sei eine Frage des Interesses; wenn du es zu deinem Interesse erklärtest, hättest du das Recht, andere zu versklaven. Ganz recht. Und wenn der andere es zu seinem Interesse erklärt, kann er dich versklaven."
    Vor dem Ausbruch des Bürgerkrieges hatte Abraham Lincoln sich furchtbar verrenkt, um den Südstaaten entgegenzukommen. Er werde die Sklaverei in den Vereinigten Staaten nicht anrühren, versprach er. Auch nach Ausbruch des Bürgerkrieges glaubte Abraham Lincoln nicht, dass es in diesem Konflikt eigentlich um die Sklaverei gehe. Aber dann kämpften immer mehr schwarze Soldaten in den Unionstruppen mit und Abraham Lincoln verstand, dass die amerikanische Republik diesen Leuten etwas schuldete.
    Das Ende dieser Entwicklung waren die Emancipation Proclamation von 1863 und das Thirteenth Amendment. In Steven Spielbergs Film Lincoln kann man mitverfolgen, wie es dem Präsidenten mit allerhand Tricks gelang, diesen 13. Zusatzartikel zur amerikanischen Verfassung durch den amerikanischen Kongress zu boxen.
    Die Gegner des "Thirteenth Amendment" waren die Demokraten. Die treibende Kraft bei der Verabschiedung waren Lincolns Republikaner, die im Vorfeld versuchen mussten, die Opposition für sich zu gewinnen. Sie versuchten es mit Argumenten. Wenn das nicht half, griffen sie auf das gute, alte Mittel der Bestechung zurück. Mit dem Thirteenth Amendment kam zum ersten Mal in der amerikanischen Verfassung die Vokabel "Sklaverei" vor - und nur zu dem Zweck, sie für abgeschafft zu erklären.
    1868 ratifizierte der Kongress das Fourteenth Amendment. Den 14. Verfassungszusatz. Wieder waren es die Republikaner, die dieses Gesetz durchsetzten, und wieder waren es die Demokraten, die es zu verhindern trachteten. Das Fourteenth Amendment bestimmt, dass alle Personen, die auf dem Territorium der Vereinigten Staaten geboren wurden, Staatsbürger sind und die vollen staatsbürgerlichen Rechte genießen. Ganz gleich, welche Hautfarbe sie haben oder welchen Gott sie anbeten. Ausgenommen blieben von dieser Regelung vorerst die amerikanischen Ureinwohner. Dies änderte sich mit dem Indian Citizenship Act aus dem Jahr 1924, mit dem auch den Indianern volle staatsbürgerliche Rechte zugesprochen wurden. Seither gelten die amerikanischen Ureinwohner als Doppelstaatsbürger: Sie sind Apachen, Komantschen, Cherokee und so weiter - und gleichzeitig Bürger der amerikanischen Republik.
    Der Indian Citizenship Act wurde von einem republikanischen Kongressabgeordneten aus New York namens Homer P. Snyder vorgeschlagen und von einem republikanischen Präsidenten - Calvin Coolidge - unterzeichnet. Auch das Nineteenth Amendment aus dem Jahr 1920, mit dem amerikanische Frauen das Wahlrecht erlangten, ging auf eine Initiative der Republikaner zurück.
    Wie konnte es zu Donald Trump kommen?
    Wir halten also fest: Die Demokraten waren einmal die Partei der armen, weißen Männer - und des Ressentiments. Die Republikaner waren dagegen die Partei des Freihandels - und der Bürgerrechte für Schwarze, Frauen, Ureinwohner. Die Republikaner haben dafür gesorgt, dass in den Vereinigten Staaten die Sklaverei abgeschafft wurde. Sie haben durchgesetzt, dass jedes Menschenkind in Amerika zumindest auf dem Papier dieselben Rechte genießt.
    Wie konnte es dann zu Donald Trump kommen? Warum haben die Republikaner 2016 einen Kandidaten aufgestellt, der erklärt hat, dass er elf Millionen Leute, die illegal nach Amerika eingewandert sind, deportieren lassen will? Der fest versprochen hat, eine Mauer gegen Mexiko zu bauen? Der mexikanische Einwanderer als Vergewaltiger beschimpft? Der das großartige Fourteenth Amendment am liebsten wieder abschaffen würde? Der amerikanische Muslime registrieren lassen möchte, obwohl das gegen die amerikanische Verfassung verstößt?
    Wie sind auf der anderen Seite die Demokraten zur Partei der Minderheiten mutiert? Zur Partei der Latinos, der Lesben und Schwulen? Warum sind die Demokraten von heute eher feministisch, während Donald Trump sexistische Witzchen macht? Warum würden 99 Prozent der schwarzen Amerikaner nicht im Traum daran denken, republikanisch zu wählen? Wie konnte es zu dieser politischen Rochade kommen?
    Der Demokrat Woodrow Wilson war einer der schlimmsten Rassisten
    Manche glauben, der Seitenwechsel habe am Anfang des 20. Jahrhunderts stattgefunden. Stimmt das? Schauen wir uns an dieser Stelle zwei der berühmtesten Präsidenten des 20. Jahrhunderts an: den Demokraten Woodrow Wilson und den Demokraten Franklin Delano Roosevelt. Woodrow Wilson gilt gemeinhin als progressiv, weil unter ihm ein Anti-Kartell-Gesetz beschlossen wurde und weil er für die Gewerkschaften war. Gleichzeitig war Wilson aber der schlimmste Rassist, der je im Weißen Haus gesessen hat. Ehe er Präsident wurde, war er Dekan von Princeton. Er trug dafür Sorge, dass kein einziger Schwarzer zum Studium an dieser erlauchten Universität zugelassen wurde. In akademischen Schriften legte er dar, die Sklaven seien von ihren Herren eigentlich immer ganz nett behandelt worden. Bei den Aktivitäten des Ku-Klux-Klan habe es sich - so wörtlich - um "Possen, Scherze und Streiche" gehandelt.
    Als Präsident führte er dann die Rassentrennung in amerikanischen Bundesbehörden ein. 1915 organisierte er eine Vorführung von The Birth of a Nation im Weißen Haus. The Birth of a Nation ist ein Stummfilm, der 190 Minuten lang den Ku-Klux-Klan glorifiziert. Nach der Kinovorstellung äußerte Woodrow Wilson: "Das ist Geschichtsschreibung mit dem Blitzgriffel. Ich bedaure nur, dass alles so schrecklich wahr ist." Danach wurde The Birth of a Nation unter rasendem Applaus des Publikums in den Südstaaten gezeigt. Die Folge: Der Ku-Klux-Klan, der 1871 unter Präsident Ulysses S. Grant militärisch besiegt worden war, wurde neu gegründet. Seine gesamte Staffage entlieh der neue Ku-Klux-Klan jenem Filmkunstwerk - weiße Kapuzen und brennende Kreuze inklusive. Von seiner Vorgängerorganisation unterschied der neue Klan sich nun allerdings in folgender Hinsicht: Er jagte nicht mehr nur Schwarze, sondern auch Juden und Katholiken. Manchmal ließ der Klan eines seiner Opfer wieder laufen, wenn es schwor, es werde garantiert nie im Leben republikanisch wählen.
    Franklin Delano Roosevelt steuerte Amerika später mit sicherer Hand durch die lange Nacht der Wirtschaftskrise und des Zweiten Weltkrieges. Unter seiner Präsidentschaft flogen die Herzen der Juden wie auch der Schwarzen der Demokratischen Partei zu. Das war um das Jahr 1936 herum. Sie waren Roosevelt dankbar für seine sozialdemokratische Wohlfahrtspolitik. Allerdings musste auch der große Franklin Delano Roosevelt seine weißen, rassistischen Wähler in den Südstaaten zufriedenstellen. Das heißt: Auch dieser Präsident hat nicht viel für die dunkelhäutigen Bürger Amerikas getan. Er hob die Rassentrennung in den Streitkräften nicht auf. Er verabschiedete noch nicht einmal Gesetze gegen die Lynchjustiz. Und er berief mit Hugo Black ein ehemaliges Mitglied des Ku-Klux-Klan an den Obersten Gerichtshof. Ein zeitgenössischer Witz ging so:
    "Hugo muss sich gar keine neue Robe kaufen. Es reicht vollkommen aus, wenn er seinen weißen Umhang schwarz färbt."
    Während des Zweiten Weltkrieges verletzte die Regierung Roosevelt dann die Bürgerrechte einer anderen Klasse von Amerikanern brutal: Die Amerikaner japanischer Abstammung wurden in Internierungslager in den Rocky Mountains gesperrt. Diese Lager waren keine KZs. Aber es war doch bitteres Unrecht.
    Die Wahrheit ist: Die Demokraten waren noch in den 60er-Jahren eine zutiefst rassistische Partei. Nehmen wir etwa George Wallace. Er war Demokrat und Gouverneur von Alabama - und er ließ 1965 die schwarzen Bürgerrechtler von Selma mit Tränengas beschießen und niederknüppeln. Seine entschiedensten Gegner waren die republikanischen Abgeordneten im Kongress. Mit ihren Stimmen wurden 1964 der Civil Rights Act und ein Jahr später der Voting Rights Act verabschiedet. Zwei wichtige Gesetze, mit denen die legale Unterdrückung der Schwarzen in den Südstaaten gebrochen wurde.
    Der Demokrat Lyndon B. Johnson war gegen den Civil Rights Act
    Allerdings hieß der Präsident, der diese Gesetze unterzeichnete, Lyndon B. Johnson. Und Johnson war ein Demokrat aus Texas. Die Republikaner dagegen stellten 1964 Barry Goldwater als Kandidaten auf. Er setzte sich in den Vorwahlen überraschend gegen moderate Republikaner wie Nelson Rockefeller durch. Goldwater war ein überzeugter, sogar fanatischer Antikommunist. Und er war ganz entschieden gegen den Civil Rights Act. Wahrscheinlich war er kein Rassist. Die Folgen für die Republikaner waren dennoch verheerend.
    Erstens verloren sie die Wahl mit Pauken und Trompeten. Die Demokraten gewannen die Mehrheit in beinahe allen Bundesstaaten. Nur Arizona und die fünf Kernstaaten des tiefen Südens stimmten für die Republikaner: Alabama, Georgia, Louisiana, Mississippi, South Carolina.
    Die zweite dramatische Folge der Wahl von 1964 war, dass die Republikaner von nun an als die "Anti-Bürgerrechtspartei" angesehen wurden. Sie verloren beinahe all ihre schwarzen Wähler. Sie mussten nie wieder um sie werben oder auf ihre Interessen Rücksicht nehmen. Statt dessen unterstützten weiße Wähler, die ihr Leben lang für die Demokraten gestimmt hatten, diese neue Republikanische Partei. Und so wurden die ehemaligen Sklavenhalterstaaten republikanisches Kernland. Gleichzeitig verwandelten sich die Demokraten zunehmend in eine Partei, die Minderheiten anzog.
    Von nun an gehörten im amerikanischen Bewusstsein folgende Dinge zusammen: eine eher linksliberale Wirtschaftspolitik, das Bemühen um Entspannung mit der Sowjetunion, Antirassismus. Dafür standen die Demokraten. Wer eher wirtschaftsliberal dachte und ein entschiedenes Auftreten gegen den Kommunismus wünschte, wählte weiterhin die Republikaner. Aber republikanisch wählte eben auch, wer dem längst entschwundenen Status quo der 50er-Jahre nachtrauerte, als man noch keine schwarzen Gesichter in der Nachbarschaft dulden musste.
    Der Republikaner Ronald Reagan war kein Rassist
    In den 80er-Jahren kam eine weitere Änderung hinzu: Die Republikanische Partei wurde unter Ronald Reagan zur Partei der "christlichen Rechten". Das waren gläubige Protestanten und Katholiken, die Amerika in ein christliches Land verwandeln wollten. Ein Land, in dem an öffentlichen Schulen gebetet wird und das Recht auf Abtreibung wieder rückgängig gemacht wird. Und die "christlichen Rechten" waren fast alle weiß.
    Soll das heißen, dass die Republikaner nach 1964 eine rassistische Partei waren? Nein. Ronald Reagan etwa war überhaupt kein Rassist. Dasselbe gilt für den viel gescholtenen George W. Bush. In der Zeit seiner Präsidentschaft kamen acht Millionen Einwanderer in die Vereinigten Staaten - beinahe die Hälfte von ihnen illegal. 2006 hielt George W. Bush eine Rede vor dem Kongress, in dem er dazu aufforderte, allen 12 Millionen illegalen Einwanderern, die sich damals in Amerika aufhielten, kurzerhand eine Arbeitserlaubnis zu erteilen. Nach dem Terroranschlag vom 11. September 2001 war George W. Bushs erste Reaktion, dass er eine Moschee besuchte. Er beschwor seine amerikanischen Landsleute, nicht in jedem Muslim einen Feind zu sehen. Der No Child Left Behind Act von 2001, ein Bildungsgesetz, das auf eine Initiative von Bush zurückging, sollte vor allem den Kindern der Schwarzen und der Latinos zugutekommen.
    Die republikanische Partei wurde vor 50 Jahren also nicht einfach zur Partei des Rassismus. Und doch ist damals etwas Einschneidendes passiert. Am besten sagt man es mit Begriffen, die der Psychoanalyse entlehnt sind: Seit 1964 gehörte der Rassismus zum "Es" der Republikanischen Partei. Er rumorte in ihrem Unbewussten herum. Die Republikanische Partei war eben für Rassisten wählbar geworden. Das war kein Problem, so lange das "Es" von einem starken "Über-Ich" in Schach gehalten wurde. Aber dann hat die Republikanische Partei Donald Trump zu ihrem Kandidaten gemacht. Und damit hat sie sich in aller Öffentlichkeit zu diesem verborgenen, rassistischen "Es" bekannt. Das "Über‑Ich" ist verloren gegangen.
    Die Eskalationen des Donald Trump
    Seither ist es in Amerika möglich, wieder Dinge zu sagen, die eigentlich unsagbar geworden waren. Trumps Anhänger haben etwa jüdische Journalisten, die ihn kritisierten, im Internet mit antisemitischen Beschimpfungen übergossen. Trump hat sich davon nicht etwa distanziert, sondern erklärt, seine Kritiker seien selber schuld. Er hat einen Richter, der wegen Betruges gegen ihn ermittelt, als "Mexikaner" bezeichnet, weil er einen hispanischen Namen trägt. In Wahrheit ist jener Richter natürlich Amerikaner - und hat sich im Kampf gegen mexikanische Drogenkartelle große Verdienste erworben. Auf dem Parteitag der Demokraten hielt Khizr Khan, ein muslimischer Einwanderer aus Pakistan, eine bewegende Rede über seinen Sohn Humayun, der als Soldat der amerikanischen Streitkräfte im Irak gefallen ist. Donald Trump reagierte mit einem unflätigen öffentlichen Angriff auf Khizr Khan. Bei einer Wahlkampfveranstaltung wies er in der Manier eines weißen Herren, der einen braven Sklaven lobt, auf einen vereinzelten schwarzen Unterstützer hin: "Seht mal, hier ist mein Afroamerikaner!" Der Tiefpunkt war erreicht, als Donald Trump sagte, die "Second Amendment people" - soll heißen, die Verteidiger des Rechtes auf Waffenbesitz - sollten sich vielleicht mal Hillary Clintons annehmen, wenn sie ihnen irgendwie dumm komme. Hinterher beteuerte er, damit sei nicht gemeint gewesen, die "Second Amendment people" sollten Hillary Clinton abknallen. Seine Anhänger freilich sagen offen, dass Hillary Clinton als Verräterin erschossen gehört.
    Zur Zeit von Andrew Jackson mag so etwas als normal gegolten haben. Mittlerweile sind aber circa 180 Jahre vergangen. Es gibt keine Sklaverei mehr. Die Vereinigten Staaten führen keine Indianerkriege mehr. Die Rechte von Minderheiten sind - zumindest auf dem Papier - garantiert. Rassendiskriminierung ist streng verboten. Die Religionsfreiheit auch von Muslimen ist in Amerika durch das First Amendment geschützt. Und so wirken Donald Trumps Kraftworte heute auf viele Amerikaner abstoßend, schockierend.
    Auch manche Republikaner haben sich mit Grausen von ihm abgewandt. David Brooks, der als konservativer Kolumnist für die linksliberale New York Times arbeitet, gehörte von Anfang an zu seinen entschiedenen Feinden. In einer seiner jüngsten Kolumnen geht David Brooks hart mit jenen Republikanern ins Gericht, die Donald Trump immer noch unterstützen - und sei es widerwillig. Er schreibt:
    Republikaner distanzieren sich
    "Die Ereignisse werden die Republikaner dazu zwingen, Stellung zu beziehen. In vielen vergangenen Monaten haben manche Republikaner Trumps Handlungen verurteilt, während sie zugleich dem Manne Trump treu blieben. Trump selber lässt diese Haltung lächerlich und schändlich erscheinen. Entweder steht man einem Mann zur Seite, dessen innerster Wesenszug eine Beleidigung des gewöhnlichen Anstands ist, oder man lässt es bleiben. Jene, die es bleiben lassen, werden damit anfangen müssen, eine Republikanische Partei im Exil aufzubauen. Sie werden dem Land ehrlich sagen müssen, was sie von Donald Trump halten. Sie werden eine parallele Wahlkampfstruktur aufbauen müssen, die auch dann noch überlebt, wenn Trump implodiert [...] Sie werden zusammen ein klares Manifest veröffentlichen müssen - fünf oder zehn Programmpunkte, für die die Partei im Exil steht. Es gibt eine Zeit, in der Neutralität und Sich-Weg-Ducken unehrenhaft werden. Wer jetzt nicht revoltiert, der paktiert. Wenn in Jahrzehnten von dieser Epoche und euren Namen die Rede ist, werden eure Enkelkinder voller Scham auf ihre Fußspitzen schauen."
    Dramatische Worte. Aber David Brooks hat wahrscheinlich recht: Die Republikanische Partei wird bald untergehen, wenn sie sich nicht gründlich erneuert. Denn es gibt ja nur zwei Möglichkeiten. Entweder Donald Trump wird der nächste amerikanische Präsident. In diesem Fall wird er die Republikanische Partei hinter sich zurücklassen wie eine abgebrannte Raketenstufe, sobald er das Weiße Haus bezogen hat. Er wird sie nicht mehr brauchen, denn dann wird er über die geballte Macht des FBI, der Geheimdienste, der amerikanischen Streitkräfte und des amerikanischen Atomwaffenarsenals verfügen.
    Die andere Möglichkeit: Donald Trump wird an der Wahlurne besiegt. In diesem Fall hat die Republikanische Partei keine Chance, wenn sie sich zur Partei der weißen Männer ohne Collegeabschluss zurückentwickelt. Im 19. Jahrhundert war das noch die Mehrheit der amerikanischen Wähler. Am Anfang des 21. Jahrhunderts ist es eine Minderheit. Die Republikanische Partei muss sich ihrem dunklen "Es" stellen und es in einem Akt ehrlicher Analyse überwinden - oder die stolze Partei Abraham Lincolns sinkt zu einer Sekte von rassistischen Krakeelern herab.
    Absage:
    Präsidentschaftswahlen in den USA, Teil 1. Die Rassistenpartei. Von Hannes Stein. Mit Jean-Paul Baeck, Jochen Langner und Thomas Balou Martin. Technik: Lew-Lyn Rectenwald. Regie: Anna Panknin. Redaktion: Barbara Schäfer.