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Praxis Dr. Jungbrunnen

Jugendlichkeit und neue Lebensfreude, das sind die erklärten Behandlungsziele von Anti-Aging-Medizinern. Zur Prävention von altersbedingten Krankheiten und Beschwerden empfehlen sie Ernährungsumstellungen und Sportprogramme, verschreiben Hormone und Vitamine, interessieren sich neuerdings auch für Stammzelltherapien.

Von Grit Kienzlen | 31.12.2006
    Georg, 55 Jahre, kann nicht mehr. Georg war das, was Frauen in ihren Träumen lieben: stark, muskulös, gut aussehend, auch intelligent. Er war sehr forsch und durchsetzungsfähig, aber auch sehr logisch und bedächtig. Georg klagte über Libidostörungen, Erektionsverlust und Müdigkeit. "Vielleicht habe ich zu viel gebumst in meinem Leben, vielleicht ist die Batterie alle", bedeutete er mir. Er war sehr sympathisch, offen, kein Schönling, eher ein guter Kumpel.

    Ich sagte ihm, dass dies in seinem Alter von 55 Jahren durchaus vorkommen und mit den männlichen Wechseljahren, der so genannten Andropause zusammenhängen könne, wir es aber erst messen müssten. Georg hatte in Beziehungen wenig Glück. Er liebte schöne Frauen und umgab sich gerne mit ihnen. Dies führte zu erheblichen Konflikten in seiner Ehe. Seine Frau habe ihm immer und immer wieder vorgeworfen, er sei gefühllos. Dies liege aber eher daran, so Georg, dass er einen sehr anstrengenden Beruf als Manager habe, der ihn auch nach dem Sex sofort wieder einfange.


    Georg ist ein Patient von Dr. Michael Klentze. Wie er ihm helfen wird beschreibt der Münchner Arzt in seinem Buch "Anti Aging - Die Macht der eigenen Hormone".

    Michael Klentze, Generalsekretär der Europäischen Gesellschaft für Anti Aging Medizin, praktiziert in einer Münchner Altbauwohnung wenige Meter von der exklusiven Maximilanstraße entfernt. Mit ihren hohen, dunklen Holzkassettendecken erinnert die Praxis eher an eine Rechtsanwaltskanzlei. Ein Wartezimmer gibt es nicht. Muss der Patient einmal warten, kann er im Empfangszimmer auf einer eleganten Ledercouch Platz nehmen und ein Glas Mineralwasser einnehmen.

    "Mein Klientel, was sich hier findet, ist eigentlich durch die Bank. Ich habe Selbstzahler, die sich ihr Geld zusammensparen, um hier zu sein, und sehr sehr motiviert sind. Und ich habe natürlich auch Mittelstandsleute in erster Linie, Manager, also Manager, die im Grunde überfordert sind - das ist ja gerade diese mittlere Management-Ebene, die sehr hoch gefordert wird, so zwischen zwei Seiten steht von unten und von oben gedrückt wird, und viele Frauen auch - Männer/Frauen so 50/50."

    Michael Klentzes Patienten kommen meist mit Befindlichkeitsstörungen zu ihm. Sie fühlen sich schlapp, müde, ausgepowert. Und Sie haben das nötige Kleingeld, um sich von ihm durchchecken zu lassen: Ein langes Gespräch, eine Vielzahl von Blutuntersuchungen, Gentest.

    "Und das zentrale Thema ist in erster Linie mal Prävention - wie bleibe ich gesund? Wie schaffe ich es, dass ich bis zum Ende des Lebens wirklich fitt bleibe?"

    Die Rechnung für einen gründlichen Gesundheits-Check inklusive Blutanalyse und Gentest kann sich bei Michael Klentze auf bis zu 4000 Euro belaufen, die darin enthaltenen Laborkosten liegen bei 3000 Euro. Selbst private Kassen übernehmen das nur teilweise oder gar nicht. Doch die Anti-Aging-Medizin boomt. Vor sieben Jahren gegründet, zählt die Deutsche Gesellschaft für Anti-Aging-Medizin heute mehr als 1000 Ärzte zu ihren Mitgliedern. Über die Hälfte davon hat ein Zertifikat erworben, das die Qualität der Behandlung sicher stellen soll.

    " Im Grunde handelt es sich bei der Anti-Aging-Medizin um ein ganzheitliches Programm. Das heißt, wir versuchen natürlich, sowohl diagnostisch wie auch therapeutisch den gesamten Menschen zu erfassen, beginnend im Grunde bei der Psyche, bei seiner Körperlichkeit - also Bewegung ist ein ganz wichtiges Thema, Ernährung spielt eine große Rolle, dann auch eben was im Alterungsprozess eine große Rolle spielt sind die entzündlichen Prozesse, sind die freien Radikale, Abfangen freier Radikale mit Antioxidantien (..)"

    Die Gesellschaft für Anti-Aging-Medizin bezeichnet sich selbst als medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaft. Wissenschaftliche Studien zur Wirksamkeit und Ungefährlichkeit neuer Methoden gelten in der Medizin als Goldstandard für die Behandlung. Doch genau diese Basis fehle den Anti-Aging-Medizinern in vielen Fällen, kritisiert der Androloge Eberhard Nieschlag, Direktor des Instituts für Reproduktionsmedizin der Uni Münster:

    " Anti Aging ist eben überwiegend nicht evidenzbasiert, sondern das sind Hypothesen, das sind Vorstellungen, das sind natürlich Maßnahmen, um Geld zu verdienen, um den Patienten zur Kasse zu bitten, verbrämt in nicht naturwissenschaftlich bewiesenen Maßnahmen. "

    Georgs Vorlieben beim Essen waren natürlich Steaks, Hamburger, Rinderbraten - alles was mit Fleisch zu tun hat. Aber er mochte auch gerne Gemüse und Seefisch. Fett, möglichst tierisches Fett, Butter, das schmeckte ihm, also alles, was ungesund ist. Süßes war nicht so sein Ding.
    Seine Androgenwerte waren außerordentlich abgesunken. Mit seinem Fleischgenuss wollte er offensichtlich unbewusst seinen Testosteronspiegel hoch halten. Seine Östrogene waren eher etwas hoch, Insulin und Blutzucker normal.
    So war es klar, dass ich ihm Testosteron verordnete.


    "1981 begann ich, mich mit Anti-Aging-Medizin zu beschäftigen und war damals einer der ersten praktizierenden Ärzte auf dem Gebiet. "

    Dr. Ronald Klatz, Präsident der Amerikanischen Vereinigung für Anti-Aging-Medizin A4M.

    " Der Ursprung der Anti-Aging-Medizin liegt in den Praktiken von Sportärzten. Die Techniken, die bei Leistungssportlern Anwendung fanden, kamen auch in der Anti-Aging-Medizin zum Einsatz. Und als die Amerikanische Gesellschaft für Anti-Aging-Medizin gegründet wurde, waren die meisten beteiligten Ärzte wegen Ihres Hintergrundes als Ärzte im Leistungssport dabei.

    Nahrungsergänzungsmittel, Eingriffe in den Stoffwechsel, manche Trainingsmethoden - viel von den Laboranalysen kann man während der gesamten Lebensspanne einsetzen, ob es sich nun um einen Leistungssportler mit Mitte 20 handelt oder um Senior-Athleten mit 50 oder älter. Wenn Sie für einen Wettkampf trainieren, sei es Gewichtheben oder Diskuswerfen, Laufen oder Ringen, immer geht es darum, die körperliche Leistung zu maximieren. Und das ist auch der Kern der Anti-Aging-Medizin. Es geht um die Maximierung der körperlichen Leistung. "

    Ronald Klatz, in dessen Verband 15 000 amerikanische Ärzte organisiert sind, zeigt zu Beginn seiner Vorträge deshalb auch gerne Fotos von 60jährigen Bodybuildern und Bodybuilderinnen:

    " Sie sind unsere besten Beispiele für ideales Altern. Sie haben fortwährend Sport getrieben, Diät gehalten, Nahrungsergänzung, manchmal auch Hormonersatztherapie - und das ist nicht das gleiche wie Medikamentenmissbrauch - also sie sind das Vorbild. "

    Die zweite wichtige Anregung für Ihre Arbeit bekamen die amerikanischen Anti-Aging-Mediziner aus der Grundlagenforschung: von Leuten, die sich mit Fliegen und Fadenwürmern beschäftigten. Diese Forscher hatten festgestellt, dass sich die Lebensspanne eines Organismus durch bestimmte genetische Veränderungen stark verlängern lässt. Berühmt wurden auch Experimente mit Affen, die, wenn sie auf eine kalorienarme Kost gesetzt wurden, länger lebten als ihre normal ernährten Artgenossen. Bis dahin, erzählt Rudi Westendorp, herrschte die Vorstellung vor, jeder Mensch habe eine festgelegte Lebenszeit, die ablaufe wie eine Uhr. Professor Rudi Westendorp beschäftigt sich an der Universität von Leiden mit der Genetik von Alterungsprozessen:

    " Es gibt kein Programm für den Alterungsprozess; man braucht davor keine Angst zu haben. Die Lebenszeit des Menschen lässt sich verlängern, wenn man die Reparaturmechanismen des Körpers stärkt. Außerdem zeigen die Daten, die über 250 Jahre hinweg gesammelt wurden, dass es keine Obergrenze für unsere Lebenszeit gibt, es gibt keinen biologischen Grund für ein oberes Limit. Und auch die demographischen Daten zeigen einen stetigen Anstieg der menschlichen Lebenszeit. Jedes Jahr verlängert sich die Lebenserwartung um weitere drei Monate. Das ist enorm!"

    Aus dieser Erkenntnis von Genetikern und Demographen leitet sich die Ansicht der Anti-Aging-Mediziner ab, beim Alterungsprozess handle es sich um eine Art Krankheit, die heilbar sei:

    " Das Establishment der Gerontologen sieht das Altern als ein normales Ereignis an, das zwar behandelt werden sollte, aber keine Krankheit ist. Und gegen ein normales Ereignis kann man nicht viel tun, richtig? Es gibt kein Heilmittel gegen etwas, das normal ist. Deshalb ist das Altern unheilbar. In der Anti-Aging-Medizin haben wir eine andere Vorstellung vom Alterungsprozess. Wir glauben, dass Altern eine Konstellation von degenerativen Stoffwechselprozessen ist, die zu abbauenden Krankheitsprozessen und schließlich zum Tode führen. "

    Diese zerstörerischen Stoffwechselprozesse will die Anti-Aging-Medizin umkehren oder zumindest aufhalten. Der Genetiker Rudi Westendorp hält das nicht für unmöglich. Die Gretchenfrage sei allerdings die, wie sich der Alterungsprozess günstig beeinflussen lässt. Wie sieht die ideale Ernährung aus, wie das richtige Maß an Bewegung? Dazu gebe es wenig gesicherte Erkenntnisse und eine Menge schwacher Studien:

    " Die meisten Studien zum Thema Altern sind etwas eigentümlich. Wir vergleichen Leute, die in ihren Sesseln herumsitzen und ein höheres Sterberisiko haben, mit anderen Leuten, die Marathons laufen und lange leben. Die einfache Interpretation dieser Daten ist, dass Marathon laufen gut für uns ist. Die alternative Interpretation wäre die, dass Leute, die mit 70 noch Marathons laufen können, einen besseren Körper haben als die, die nur noch im Sessel sitzen. "

    Die genetische Ausstattung des Marathonläufers ist in der Studie nicht berücksichtigt, hat aber sicherlich auch Einfluss auf seine Lebensdauer. Was braucht es für ein langes Leben? Rudi Westendorp hat auf diese Frage mehrere Antworten. Antwort nummer eins: "Suche Dir Deine Eltern gut aus, vor allem Deine Mutter."

    Wenn die Mutter Langlebigkeit besitzt, ist das das beste, was man für sich tun kann. Ein Ratschlag, der in der Anti-Aging-Medizin nicht weiter führt. Deshalb kümmert sie sich um den Lebensstil der Patienten, um Ernährung, Bewegung, Nahrungsergänzung und oft auch Hormonersatz.

    Mit seinem Fleischgenuss wollte Georg [er] offensichtlich unbewusst seinen Testosteronspiegel hoch halten. Seine Östrogene waren eher etwas hoch, Insulin und Blutzucker normal.
    So war es klar, dass ich ihm Testosteron verordnete. Mit regelmäßigen Androtopgel-Anwendungen wurde seine Libido deutlich besser. Seine Erektionsstörungen versuchte ich natürlich auch mit psychotherapeutischen Mitteln zu behandeln, aber es kam nur zu einer sehr geringen Besserung. Auch Testosteron brachte keinen Erfolg. Deshalb versuchte ich es mit höheren Dosen von DHEA. Dies gelang. Dadurch stieg gleichzeitig sein Östrogenspiegel im Blut an und er wurde verständnisvoller für seine Partnerin.


    " Daniel Rudman veröffentlichte 1990 im New England Journal of Medicine einen Bericht über menschliches Wachstumshormon, der vielen Leuten die Augen öffnete. Rudman konnte nachweisen, dass sich bei über 60 jährigen die Zeichen des biologischen Alterns um 10 bis 20 Jahre zurückdrehen ließen durch nur sechsmonatigen Hormonersatz mit Wachstumshormon. "

    Die von dem Anti-Aging-Mediziner Ronald Klatz zitierte Rudman-Studie zeigte, dass menschliches Wachstumshormon bei 12 alternden Männern die Muskelmasse anschwellen und das Körperfett hinschmelzen ließ. Die Knochen der Probanden wurden härter, die Haut dicker. Rudman selbst propagierte das Hormon nie für Verjüngungskuren, aber die Anti-Aging Szene lobte es bald als DAS Jungbrunnenhormon. Ronald Klatz widmete ihm 1998 gar ein ganzes Buch: "Grow young with HGH" - Verjünge dich mit HGH - Human Growth Hormone.

    " Seine bekannteste Wirkung, die auch namensgebend war, ist, dass kleine Kinder mit Hilfe von Wachstumshormon groß werden und dass Kinder, denen das Wachstumshormon fehlt, nicht angemessen groß werden. "

    Professor Christian Strasburger von der Charité in Berlin ist der in Deutschland führende Endokrinologe zum Thema Wachstumshormon. Auch bei Erwachsenen steuert das Hormon noch verschiedene Stoffwechselvorgänge, aber der Spiegel sinkt mit fortschreitendem Lebensalter. Wegen seiner muskelaufbauenden Wirkung wird es im Leistungssport vielfach missbraucht. Strasburger hat deshalb einen Doping-Test für HGH entwickelt.

    " Der andere missbräuchliche Einsatzbereich besteht darin, dass Wachstumshormon außerhalb der auf Sicherheit und Wirksamkeit überprüften Indikationen Patienten gegeben wird zum Beispiel im Zuge dieser Anti Aging Hysterie, die derzeit unser Land betrifft, und das ist etwas, was aus Amerika zu uns herübergeschwappt ist."

    Zugelassen ist HGH in Deutschland wie in den USA nur zur Behandlung von Kindern mit Wachstumsstörungen und von Erwachsenen, die wegen einer Schädigung der Hirnanhangdrüse nicht mehr genug eigenes HGH herstellen können. Das ist eine Störung, die sehr selten auftritt. Auch die Anti-Aging-Ärzte empfehlen HGH nur bei einem zu niedrigen Spiegel des Hormones, Aber sie definieren, dass ein Mangelzustand bereits dann besteht, wenn ein 60 jähriger nicht mehr so viel Wachstumshormon im Blut hat wie normalerweise ein 40jähriger.

    " Wenn wir älter werden, brauchen wir nicht mehr so viel davon, aber ein Spiegel nahe Null ist auch nicht gut, denn das Hormon erhält die Gesundheit aller Gewebe im Körper. Indem wir das Hormon ersetzen, bis der Spiegel dem eines 45-50jährigen gleicht, können wir erhebliche gesundheitliche Verbesserungen bei älteren Menschen erreichen. "

    Genau das bestreitet der Endokrinologe Christian Strasburger.

    " Es gab beispielsweise eine Untersuchung von Hennessy und Mitarbeitern, die verglichen haben, was es den Patienten bringt, einfach ein Krafttraining zu machen und was es den Patienten bringt, wenn sie zusätzlich zum Krafttraining auch noch Wachstumshormon bekommen. Und dabei wurde festgestellt, dass Krafttraining bei alternden Menschen sehr wohl einen sehr günstigen Effekt hat auf Leistungsfähigkeit und andere Parameter der Gesundheit, dass aber die zusätzliche Gabe von Wachstumshormon keinen zusätzlichen Effekt hat.

    Es gab auch placebokontrollierte Studien, auch welche, die von dem nationalen amerikanischen Institut, was sich mit Altern beschäftigt, durchgeführt wurde. Und hier wurde für ein halbes Jahr Wachstumshormon gegeben, ohne dass dabei funktionelle Vorteile gefunden wurden. "

    Keine funktionellen Vorteile - das bedeutet, dass die Muskelmasse zwar zugenommen haben mag, aber die Patienten deshalb nicht stärker geworden sind. Unklar ist deshalb auch, ob Leistungssportler vom HGH Doping wirklich profitieren. Beide, Sportler und Anti-Aging-Patient, riskieren dagegen Gesundheitsschäden. In zu hoher Dosierung löst Wachstumshormon Gelenkschmerzen, Wassereinlagerungen im Körper, das Karpaltunnelsyndrom und Vorformen von Diabetes aus.

    Nach allem, was man weiß, kann das Wachstumshormon außerdem dafür sorgen, dass beschädigte Zellen, die der Körper normalerweise kontrolliert absterben lässt, weiterleben.

    " Wenn Sie die Bereitschaft der einzelnen Körperzellen durch Wachstumshormon verändern, dieses programmierte Absterben zu durchlaufen, und dafür sorgen, dass die Zellen, auch wenn sie in der Erbinformation Strangbrüche und andere Fehler haben, weiter wachsen, dann steigt das Risiko, bösartige Neubildungen, also Krebs zu bekommen.

    Und von daher ist es meines Erachtens extrem wichtig, dass ehe man propagiert, Wachstumshormon in der alternden Bevölkerung als so genanntes Jungbrunnenhormon einzusetzen, dass man erst mal nachschaut, ob das überhaupt mit vertretbarem Risiko passieren kann. Und solche Untersuchungen liegen nicht vor. "

    Bekannt ist dagegen, dass manche Brustkrebszellen eigenes Wachstumshormon produzieren. Unter dem Einfluss des Hormons bildete der Krebs in Tierexperimenten unter anderem aus Neuseeland schneller Metastasen, die sich im ganzen Körper ausbreiteten.

    " Das kann man sich ja vorstellen. Ein Wachstumshormon ist natürlich ein Wachstumshormon, ein Wachstumsfaktor. "

    Sagt dazu der deutsche Anti-Aging-Arzt Michael Klentze. Für ihn aber kein Grund, auf Wachstumshormon ganz zu verzichten.

    " Die Frage ist immer, auch hier wieder die Dosierung. Sind Sie im physiologischen Bereich? (..) Man muss einfach nur einen persönlichen Wert erreichen, wo der Patient merkt, oder wir objektiv auch sehen: Es passiert etwas. Und das sind meist sehr niedrige Hormonwerte. "

    Wenig schadet vielleicht auch nur wenig - argumentiert Michael Klentze und verweist sogleich auf die Schulmedizin, die ja schließlich auch Nebenwirkungen erzeuge. Sein amerikanischer Kollege Ronald Klatz dagegen leugnet die Gefahr von Nebenwirkungen der Hormontherapien und die oftmals fehlende Langzeiterfahrung rundheraus. Für ihn ist das gesund, was die Blut- und Leistungswerte für den Augenblick optimiert. Denn schließlich könne nur ein gesunder Mensch alt werden.

    " Was Hormonersatztherapien angeht - nicht nur mit HGH sondern auch Testosteron, Östrogen, Progesteron, Pregnenolon, Melatonin, mit welchem Hormon auch immer - unser Ziel ist es, den Hormonspiegel auf ein optimales Niveau zu bringen, bei dem der Patient keine Symptome oder kaum noch Symptome hat, die mit dem Hormonmangel zu tun haben. Es ist deshalb nichts Außergewöhnliches, wenn jemand mit Mitte 60 oder Mitte 70 Wachstumshormon oder Testosteron oder dessen Vorläufersubstanz DHEA ersetzt bekommt, bis der Spiegel bei dem eines 20 Jahre jüngeren Menschen liegt. "

    Testosterongaben empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Andrologie nur dann, wenn der Testosteronspiegel tatsächlich erniedrigt ist und alle anderen möglichen Ursachen für die Befindlichkeitsstörungen des Patienten ausgeschlossen sind. Das könnte zum Beispiel eine beginnende Krebserkrankung sein. Für die Gabe von DHEA, sagt Prof. Eberhard Nieschlag, gebe es gar keine Grundlage:

    " DHEA - da sind wir natürlich starke Gegner - außer bei Leuten, die keine Nebenniere haben. Und manche Frauen, die keine Eierstöcke und keine Nebenniere haben; da ist DHEA durchaus sinnvoll. Aber grundsätzliche Gabe von DHEA sind wir sehr dagegen. Da gibt es keine wissenschafltiche Basis für. "

    Doch Ronald Klatz ficht das nicht an; ein Überzeugungstäter. Er selbst schlucke jeden Tag 60 Pillen.

    " Ja, 20 mit jeder Malzeit. Das meiste davon sind Nährstoffe, aber auch Hormone, Antioxidantien, ich nehme jeden Tag Aspirin und ein Lipid-senkendes Medikament. "

    Man sieht es ihm an. Ronald Klatz hat einen bulligen Körper; unklar, was da Muskelmasse und was doch Übergewicht ist. Dazu ein offenes, sympathisches Gesicht, das allerdings müde wirkt. Er kämpft für diese Medizin, an die er fest glaubt, gegen Gegner, die er als Medizin-Establishment bezeichnet und die ihm ärztliches Fehlverhalten nachzuweisen suchen. Auch der eher sportliche Michael Klentze sieht in der etablierten Schulmedizin einen Gegner, der seine Pfründe zu verteidigen versuche. Das massenhafte Pillenschlucken, das sein Kollege Ronald Klatz betreibt, ist für ihn einfach die amerikanisch Variante der Anti-Aging-Medizin.

    " Sie sind die Freunde riesiger Mengen, sowohl im Bereich von Vitaminen als auch Hormonen und all diesen Dingen. Sie sind die Freunde von extremem Körperbau und all diesen Dingen, die ja bei uns nicht so eine Rolle spielen.

    Anti Aging in Amerika bedeutet da wirklich Aufbau der Muskulatur sehr stark und über diese Identität eines muskulösen Menschen wieder die Freude am Leben zu gewinnen, das ist bei uns anders. Bei uns steht mehr die Prävention im Vordergrund, die Prävention von altersbedingten Erkrankungen, das ist bei uns ein wichtiges Thema in der Anti-Aging-Medizin. "

    Klentze propagiert zwar das Schlucken oder Spritzen von Hormonen, allerdings eher als zeitlich begrenzte Kur. Wachstumshormongaben kombiniert er mit einem Sport- und Ernährungsprogramm.

    "Dass man sagt für maximal ein halbes Jahr diese Behandlung, um dann einfach eine Verbesserung zu kriegen. Wenn der bis dorthin weder Gewicht abgenommen hat noch sich umgestellt hat oder irgendetwas in der Ernährung verändert, dann ist er auch eigentlich nicht geeignet für diese Therapie. Das muss man ganz klar sagen. Für mich ist nur der geeignet, der auch die Motivation hat.

    Da das Wachstumshormon teuer ist, haben die meisten natürlich auch eine Motivation, was dazu zu tun. "

    Seine Ernährung musste Georg völlig umstellen, da vor allem der Cholesterin- und Harnsäurespiegel durch den hohen Fleischkonsum und den vielen Wurstverzehr hoch angestiegen waren. Nur mühsam konnte er sich von seinem "männlichen" Steak-Essen zu Müsli, Salaten, Gemüse und Volkornnudeln bekehren. Aber dank der Hilfe seiner Partnerin gelang dies. Sie konnte ihm das Ganze herzhaft und geschmackvoll als Aufläufe zubereiten.

    Viele von Michael Klentzes Patienten sind sehr motiviert, ihren Lebensstil zu verbessern. Die teure Behandlung, das macht er ihnen klar, kann nur etwas bringen, wenn sie selbst mitarbeiten, ihren inneren Schweinehund überwinden, besser Essen und Sport treiben.

    Dass viel Bewegung und eine ausgewogene, vitaminreiche Ernährung die Gesundheit fördert, ist eine der wenigen gesicherten Erkenntnisse, die aus jahrzehntelanger Ernährungsforschung hervorgegangen sind. So erklärte die Ernährungsorganisation der Vereinten Nationen FAO 2003 dass der Zusammenhang zwischen Herz-Kreislauf-Krankheiten, Krebs, Diabetes und Osteoporose einerseits und die Ernährung andererseits nur in folgenden Punkten überzeugend belegt sei: Viel Obst- und Gemüse schützen vor Herz-Kreislauf-Krankheiten. Ebenso salzarme Kost mit wenig gesättigten Fettsäuren oder Transfettsäuren. Kalzium und Vitamin D stärken die Knochen älterer Menschen. Regelmäßige Bewegung beugt allen Leiden vor. Der zweite Tip des Genetikers Rudi Westendorp für ein langes Leben, lautet denn auch, nach der guten Wahl der Genausstattung auf seinen Körper Acht zu geben.


    " Wenn Sie Dinge tun, die Ihrem Körper schaden, wird ein langes Leben weniger wahrscheinlich.: Wenn Sie zum Beispiel rauchen, zu viel trinken und Übergewicht haben. "

    Dass der ausgebildete Frauenarzt und Psychiater Michael Klentze seinen Patienten einen gesunden Lebensstil nahe bringt, erkennen ihm selbst seine Kritiker als Verdienst an. Was Schulmediziner wie den Berliner Endokrinologen Christian Strasburger nur ärgert, ist, dass der Anti-Aging-Mediziner hier eine Binsenweisheit teuer verkauft. Die Ernährungstipps schneidet er zwar nach ausgiebigen Gesprächen und Tests auf den einzelnen Patienten zu - mal empfiehlt er mehr Soja, mal doch ein wenig rotes Fleisch - aber letztlich läuft es doch immer auf Volkornkost und frisches Gemüse hinaus.

    " Es ist offensichtlich sinnvoll, den Menschen im Lebensstilbereich in Punkto Ernährung und Bewegung Tipps zu geben - ich glaube nicht, dass das eine für die Allgemeinheit tragfähige Sache ist, weil es das nicht auf Krankenschein gibt und geben kann, wenngleich es inhaltlich zweifellos richtig ist. Und die ganzen Spielereien, die drum herum gemacht werden mit abstrus teuren Hormonmessungen von Spiegeln, die teilweise falsch sind und teilweise nicht interpretierbar und teilweise richtig gemessen, aber dann mit falschen Konsequenzen belegt - das ist schon auch ein Programm zur Erleichterung der Patienten und zwar nicht nur was ihr Körpergewicht angeht, sondern auch was ihr Portemonnaie angeht."

    Im Erfolg der Anti-Aging Medizin erkennen ihre beiden Endokrinologen Christian Strasburger und Eberhard Nieschlag dennoch auch ein Versäumnis der Schulmedizin:

    Strasburger: " Viele Menschen fühlen sich nicht angemessen behandelt und verstanden und es gilt sicherlich auch der Grundsatz: Wer heilt, hat Recht.

    Ich denke, dass viel an Paramedizin läuft, indem Patienten zum ersten Mal das Gefühl bekommen: Hier ist endlich mal jemand, der mir richtig zuhört; hier ist mal jemand, der mich nicht nach fünf Minuten wieder aus dem Behandlungszimmer draußen haben möchte, sondern der sich Zeit nimmt für mich."

    Nieschlag: " Die Medizin ist ja klassischer Weise ein Reparaturdienst. Wir behandeln Patienten, wenn sie krank sind. Die Prävention ist eigentlich eine neue Facette der Medizin abgesehen von bestimmten Gebieten und ist etwas, was die Mediziner mehr und mehr lernen müssen, dass die Prävention oft wichtiger ist als die Behandlung dann, wenn die Krankheit eingetreten ist. Und in diesem Vakuum, wenn man so will, haben natürlich sich Ärzte und Nicht-Ärzte angesiedelt, die etwas tun wollen in Richtung Prävention. "

    Karla war in die Wechseljahre gekommen. Ich empfahl ihr, durch bestimmte genetische Tests untersuchen zu lassen, ob bei einer Hormontherapie ein Risiko bestehe. Mit diesen Tests, durch die mit Hilfe einer molekulargenetischen Untersuchung die Basenfrequenz der DNS für jedes einzelne Enzym festgestellt werden kann, wird das Thromboserisiko und das Risiko, einen Brustkrebs unter einer Hormonbehandlung zu entwickeln, exakt bestimmt. Danach könnten wir entscheiden, ob es sinnvoll sei, eine Östrogenersatztherapie einzuleiten.

    Patienten, die in Michael Klentzes elegante Münchner Praxis kommen, haben selten Krankheiten mit eindeutiger Symptomatik. Sie fühlen sich schlapp, manchmal depressiv, vermissen die Energie, die sie früher hatten. Um der Ursache für solche Befindlichkeitsstörungen nachzuspüren, bietet der Anti- Aging-Mediziner eine Methode an, die es sonst nirgends in der Medizin gibt. Den bis zu 1500 Euro teuren Polymorphismustest. Er sucht nach Variationen im Erbgut, die Hinweise darauf liefern sollen, wie ein Patient Hormone umbaut, Medikamente verstoffwechselt, was für Krankheitsrisiken er trägt. 50 solcher Erbgutvariationen lässt Klentze überprüfen.

    " Sie können aufgrund von 50 Genen kein Profil eines Menschen erstellen, Sie können nur gezielte Fragen stellen. Wenn ich die gezielte Fragestellung einer Hormonersatztherapie habe und die Frage ist; ist es ein Benefit oder ein Risiko für Brustkrebs, Schlaganfall, Thrombosen, das kann ich sehr gut sehen. Der Faktor 5, Faktor 2, die Blutgerinnungsfaktoren sind sehr gut belegt, der ACE-Faktor ist auch sehr gut belegt, also es gibt hervorragend interessante Geschichten, wo ich sagen kann: Das hängt mit einem Risiko zusammen oder das nicht - und dann gehe ich gezielt."

    Westendorp: " Big laughing "

    Großes Gelächter, sagt dazu der Langlebigkeitsforscher Rudi Westendorp.

    " Mir gefällt die Idee, aber ich weiß nicht, wie das gehen soll. Die Idee gefällt mir, weil wir mit unseren Gesundheitsstrategien in der Zukunft genau in diese Richtung denken müssen. Wir alle wollen gesund altern und wir wollen die Schwachstellen in unserem Körper ausfindig machen. Wenn man die mit Gentests finden könnte, was wäre schlecht daran? Es wäre genial, denn dann könnte man schon mit 30 oder 40 in seine Schwachstellen investieren und diesen Mechanismus stärken, damit man länger und gesünder lebt. "

    Die Genetiker wissen heute, dass sich Menschen, die 110 werden, von solchen, die 70jährig sterben, darin unterscheiden, wie gut die Reparaturmechanismen ihrer Zellen funktionieren. Sie haben günstige Gene für den Stoffwechsel von Zucker und Fetten. Allerdings kennt Westendorp keinen Gentest, der heute schon anzeigen kann, wo die Altersschwächen eines Menschen liegen.

    Was die Medizin bereits anbietet sind Tests für Genvarianten bei den Hormonrezeptoren der Zellen. Sie helfen beispielsweise zu entscheiden, ob nach einer Krebserkrankung Hormonblocker eingesetzt werden sollten. Doch dass ein Gentest ein Schlaganfallrisiko vorhersagen könnte, leugnet selbst der Präsident der Amerikanischen Gesellschaft für Anti-Aging-Medizin:

    " Das Bild, das ein Genchip vermittelt, ist noch zu unvollständig. Was wirklich zählt ist, was ist. Eine Blutdruckmessung heute sagt mehr aus als eine genetische Veranlagung für zukünftigen Bluthochdruck."

    Dennoch glaubt der Anti-Aging-Vorreiter Ronald Klatz, dass Gentests in nur wenigen Jahren zum Repertoire seiner Zunft gehören werden. Und nicht nur Gentests. Auch Nanotechnology, Stammzelltherapien, Regenerative Medizin, Klontechnik - all das sind für ihn nichts weiter als Technologien für die Lebensverlängerungstherapien der Zukunft. Er nennt sie Anti-Aging-Wissenschaften, mit deren Hilfe er selbst hofft 150 Jahre alt zu werden.

    Doch wie lange wir leben, wird kaum von solchen Anti-Aging-Therapien abhängen; und selbst von unserem Lebensstil nur bedingt. "Wenn Sie Eltern mit guten Genen gewählt haben", sagt der Langlebigkeitsforscher Westendorp, "und wenn Sie gesund gelebt haben, dann brauchen Sie noch etwas drittes: Glück."

    " Der Glücksfaktor spielt beim Altern eine größere Rolle, als die Leute glauben. Das erklärt teilweise auch, dass wir alle Menschen kennen, die geraucht und gesoffen haben und trotzdem 80 geworden sind. Wie ist das möglich? Sie hatten Glück."