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Praxistest fürs Lehramt

Pisa steht unter anderem für die Reform der Lehrerausbildung. Weg von der reinen Wissensvermittlung, hin zu mehr Hilfen für Schüler, ihr Lernen eigenständig zu organisieren. Die neuesten Pisa-Ergebnisse zeigen den Erfolg. Und es scheint so zu sein, dass sich viele Abiturienten berufen fühlen, Lehrerinnen oder Lehrer zu sein. Bildungsexperten sind jedoch skeptisch, ob angehende Lehrer gut auf die Praxis vorbereitet sind.

Von Annette Eversberg | 03.12.2007
    Schulbeginn in Flensburg. Die Schüler der UNESCO-Grund- und Hauptschule sammeln sich vor ihren Klassenräumen. Ernst Möller und Steffen Gabers, Lehramtsstudenten im ersten Semester, sind heute dabei. Als Assistent Teacher. Zwei Stunden pro Woche. Dabei macht Steffen Gabers ganz neue Erfahrungen.

    "Hier ist die Hauptaufgabe schon die Erziehung. Man sieht auch zum Teil gewisse Vernachlässigungen aus dem Elternhaus, bzw. Sachen, die Eltern gar nicht wissen, was den Erziehungsaspekt betrifft. "

    Damit tun sich angehende Lehrer schwer. Das weiß auch Gisela Koch, Leiterin der UNESCO-Schule. Sie hält die Assistentenzeit für besonders wichtig, weil man als junger Lehrer erst lernen muss, wie man mit Kindern umgeht. Vor allem, wenn die Kinder vielleicht aus schwierigen sozialen Verhältnissen kommen.

    "Mit Sicherheit müssen sie erst mal Kinder mögen. Dann mit Menschen gerne umgehen. Denn wenn man mit Kindern umgeht, muss man auch mit den Eltern umgehen. Auch wenn es sich manchmal schwierig gestaltet."

    Dafür braucht man vor allem Persönlichkeit, die sich bei den Lehramtsstudenten, die gleich von der Schule kommen, erst bilden muss. Steffen Gabers hat es da leichter. Er hat schon eine kaufmännische Ausbildung und viel Erfahrung mit Menschen. Das hilft ihm, den Schulalltag zu meistern.

    "Generell ist es ja so, dass man als junger Mensch, wenn man gerade sein Abitur gemacht hat, und vom Gymnasium kommt, dass man noch nicht die Selbstsicherheit und Lebenserfahrung mitbringt, sich vor eine Klasse zu stellen. Dass man jetzt ganz alleine da vorne steht und unterrichten soll, das ist eine Riesenschwierigkeit, der viele nicht gewachsen sind. "

    Die Studenten werden in der Schule regelrecht überrollt mit einem Alltag, den sie so bisher nicht kannten, schildert Ernst Möller seine Erfahrungen. Das hat sich auch auf die Schulpraktika ausgewirkt.

    "Also eigentlich sind die vorgesehen ab dem 3. Semester, also das 3. und 4. Semester. Aber es wurde nach vorne gezogen, weil ja sehr viele das Studium abbrechen, weil sie dann doch merken, dass das Lehramt nichts für sie ist. Deshalb wurde das vorgezogen."

    Nicht alle Studenten an der Universität Flensburg sind für diese Lösung. Das Bachelor-Studium qualifiziert zwar für das Lehramt, aber es schafft auch die Voraussetzungen für einen Beruf in der Erwachsenenbildung oder als Museumspädagogin. Kerstin Asmussen möchte deshalb erst mehr Erfahrungen im Studium sammeln.

    "Persönlich, muss ich sagen, finde ich das zu früh, weil man in dieser Phase noch nicht den Hintergrund hat, den man haben sollte. An sich finde ich die Assistenzzeit sinnvoll. Aber an der Organisation ist sicher noch was machbar."

    Dadurch fällt es einigen schwer, sich zu orientieren. Christiane Frahm hat zwar in ihrer Assistenzzeit gerne mit den Kindern gearbeitet. Aber das Praktikum hat sie auch verunsichert. Und ob sie überhaupt einmal Lehrerin werden wird, kann sie heute noch nicht sagen.

    "Ob man das Jahre auch machen will, mit Kindern zu arbeiten? Ich kann es mir noch nicht vorstellen, da habe ich zu wenig Erfahrungen gemacht, und dafür reicht das Assistenzpraktikum bisher noch nicht aus. "

    Deshalb plädiert Manfred Blohm, Pro-Rektor der Universität Flensburg, für ein ganzes Assistenzjahr im Anschluss an das Bachelor-Studium. Im Fachstudium angehender Lehrer ist aus seiner Sicht der Pisa-Gedanke noch nicht angekommen. Die Sozialpädagogik komme viel zu kurz.

    "Ich glaube, dass Universitäten immer noch viel zu stark in Fachwissenschaften denken. Und diese neuen Fragestellungen, die eigentlich nicht neu sind, die eigentlich seit Jahren virulent sind, dass die noch nicht in den Focus der Universitäten gerückt worden sind. Da glaube ich, haben wir noch viel zu tun. "

    Ole Schwart hat Erfahrungen in einer sozialen Brennpunktschule gesammelt. Er bringt es auf den Punkt, was er und viele seiner Kommilitonen vom Lehramtsstudium erwarten.

    "Ich denke, dass Sozialpädagogik immer wichtiger wird. Die Vermittlung von Wissen ist ein Handwerk, das man sich aneignen kann. Und dann ist es wichtig, dass man gute Vorbilder hat. Uni-Dozenten, Mentoren in den Schulen, die einem wichtige Hinweise geben. Denn Praxis ist das Wichtigste. "