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Preisrummel um Pia Bausch

Als die Tänzerin und Choreografin Pina Bausch den Goethe-Preis in Frankfurt entgegennahm, da schien die Mainmetropole im längst vergangenen Glanz zu erstrahlen: Einst war Frankfurt eine international bedeutende Tanzmetropole - bis die Stadt den Kulturhaushalt kürzte und zahlreiche Tanztheater schließen mussten. Die Verleihung des Goethe-Preises an Pia Bausch erscheint angesichts dieser Tatsache als Feigenblatt für eine schlechte Kulturpolitik.

Von Natali Kurth |
    Frankfurt war einmal eine international bedeutende Tanzmetropole - bis sich die Stadt mit einem beispiellosen Kahlschlag selbst um diesen Titel gebracht hat. Was soll daher die Vergabe des Goethe-Preises an Pina Bausch, die Ikone des modernen deutschen Tanztheaters? Erinnerung an den Glanz vergangener Tage, Feigenblatt oder Ablass für begangene Sünden?

    Vor zehn Jahren schaffte man das engagierte S.O.A.P Dance Theatre ab. Anschließend wurde die Jahrhunderthalle privatisiert, in der zuvor regelmäßig bedeutende Gastspiele stattgefunden hatten, so etwa vom Nederlands Danse Theater.

    Dann das Trauerspiel um William Forsythe: Der amerikanische Choreograph hatte das Frankfurter Ballett an die Spitze der zeitgenössischen Kompagnien gebracht. Kritiker und Publikum lagen ihm zu Füßen, nur leider nicht die Stadtverwaltung. Die Entscheidung im Jahr 2004, das Frankfurter Ballett und damit eine ganze Sparte abzuschaffen, empörte die gesamte Republik. Schließlich vertrieb man mal eben einen Künstler von Weltrang.

    Das Theater am Turm, das mit dem Portugiesen Rui Horta über Frankfurts Grenzen hinaus für internationale Avantgarde-Produktionen bekannt war, wurde auch noch geschlossen. Der radikale Abbau von Forsythe und TAT brachte dem Stadtsäckel zwölf Millionen Euro ein. Wo sind die eigentlich geblieben? Im Kulturbereich offenbar nicht. Von "schweren Zeiten" und "erheblichen Konsolidierungsleistungen" ist im Rathaus die Rede und davon sei eben auch die Kultur betroffen.

    Dass die Stadt nur unter Druck des Landes nun den lächerlichen Betrag von 200.000 Euro pro Jahr zusteuert, um die gelegentlichen Besuche der mittlerweile privaten Forsythe Compagnie im Bockenheimer Depot zu unterstützen, spricht für sich. Das Bockenheimer Depot - eine für Tanz sehr geeignete Spielstätte - wird von der Stadt allerdings auch schon mal an Weinhändler vermietet, und die Tanzschaffenden ziehen dann angesichts der Bedeutung eine Weinmesse natürlich den Kürzeren.

    Einziger Hoffnungsträger des Frankfurter Tanzdramas ist der Ritter ohne Furcht und Tadel, der Intendant des Künstlerhauses Mousonturm, Dieter Buroch. Er ist fest entschlossen, dem Tanz mit der sogenannten "Tanzoffensive" Rückendeckung zu geben. Im Künstlerhaus Mousonturm finden jährlich rund 400 Konzerte, Performances, Ausstellungen, Lesungen und Theaterpremieren statt. Im Bereich Tanz versucht man, junge Leute, Tänzer wie Choreografen zu gewinnen und an das Haus zu binden. Aber die hauseigenen Bühnen sind viel zu klein für größere Gruppen. Die Tanzoffensive und die Wiederentdeckung der Jahrhunderthalle als alternativer Spielort sollen da Abhilfe schaffen. La la la Human Stepps oder die Akram Khan Company lockten bereits Tausende nach Hoechst.

    Doch solche Trostpflaster entschädigen nicht. Die umliegenden viel kleineren Staatstheater in Wiesbaden, Darmstadt und Mainz laufen mit ihren Kompagnien der ehemaligen Metropole längst den Rang ab. Ballettchef Martin Schläpfer kann eine Auslastung von 99 Prozent aufweisen und schreibt mit dem ballettmainz Tanzgeschichte. Darmstadt profiliert sich mit Mei Hong Lins Tanztheater, und Wiesbaden hatte vor zwei Jahren sogar Pina Bausch auf dem Programm der Internationalen Maifestspiele. Dort hätte sich Pina Bausch wahrscheinlich auch lieber den Goethe-Preis abgeholt als in der Tanzwüste Frankfurt.