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Presevo
Flüchtlingssituation an der serbischen Grenze

In Presevo an der mazedonisch-serbischen Grenze kommen jeden Tag tausende Menschen aus Mazedonien und Griechenland an. Sie wollen nach Westeuropa. Um ihrem Ziel näher zu kommen, müssen die Flüchtlinge sich in Presevo registrieren. Doch dafür müssen sie zwei bis drei Tage anstehen.

Von Rupert Waldmüller | 11.09.2015
    Flüchtlinge warten in Schlamm und dicht gedrängt in Presevo (Serbien) auf ihre Registrierung, damit sie weiter in den Westen reisen können.
    Flüchtlinge warten in Presevo (Serbien) auf ihre Registrierung, damit sie weiter in den Westen reisen können. (AFP - ARMEND NIMANI)
    Hunderte Meter lang ist die Schlange vor dem Registrierungszentrum in Presevo. Geduldig warten die wahrscheinlich weit über 1.000 Menschen im strömenden Regen darauf, registriert zu werden. Laufend kommen neue Busse, die noch mehr Flüchtlinge von der mazedonischen Grenze bringen. Unter ihnen Achmad aus Syrien. In Griechenland stand er einen Tag im Regen, bevor er in den Zug durch Mazedonien steigen konnte, jetzt steht er wieder da und wird klatschnass.
    "Das ist kein so großes Problem für mich, es ist vor allem ein Problem für die Kinder und die Frauen. Schauen sie: Sie sehen doch die kleinen Kinder da. Aber wir können nichts machen. Wir müssen geduldig sein und unseren Weg fortsetzen. Wir wollen weiter. Wir wollen nicht anhalten."
    Nerven liegen blank
    Alle wollen weiter nach Westeuropa, am liebsten nach Deutschland, Schweden, Belgien oder die Niederlande. Plötzlich eskaliert ein Streit in der Schlange, zwei Flüchtlinge schlagen aufeinander ein, die Menge reißt auseinander, die Polizei schreitet ein. Die Nerven liegen blank nach Tagen auf der Flucht und im Regen. Besonders schlimm fand Achmad es in Griechenland.
    "Die Polizisten haben uns oft geschlagen. Aber die Serbischen und Mazedonischen waren sehr gut. Sie haben uns willkommen geheißen. Die Griechen haben uns geschlagen."
    Trotzdem lacht Achmed, er ist erleichtert, jetzt endlich in Presevo zu sein.
    "Ich fühl mich gut, weil ich in nur vier Stunden durch Mazedonien gekommen bin. Und ich hoffe, dass ich heute auch durch Serbien komme, wenn ich diese Papiere habe."
    Doch das ist leider unrealistisch: Zwei bis drei Tage müssen die Flüchtlinge anstehen für die Registrierung, bei der Masse geht es quälend langsam voran - trotz 24-Stunden-Schichten. Wer einen Platz in der Schlange ergattert hat, gibt den nicht so schnell auf. Nur die ganz Erschöpften schlafen am Straßenrand.
    Zig Busse stehen daneben bereit, um die Flüchtlinge ins 400 Kilometer entfernte Belgrad zu bringen. Nur wer registriert ist, bekommt ein Ticket für 25 Euro. Fünf Mal ist er die Strecke schon gefahren, sagt ein Busfahrer. Nach Tagen in der Schlange sind die Flüchtlinge immer vollkommen erschöpft und ein Gespräch sowieso schwierig.
    "Die Kommunikation beschränkt sich meistens auf die Frage, ob sie ohne Papiere auch fahren können. Sie bieten sogar mehr Geld dafür, aber wer auch nur einen Flüchtling ohne Papiere als Fahrgast mitnimmt, wird von der Polizei gezwungen, mit dem ganzen Bus nach Presevo zurückzufahren. Und sobald die Flüchtlinge in den Bus steigen, schlafen sie ein. Sofort. Und wenn ich eine Pause mache, steigen vielleicht gerade mal zwei Leute aus dem Bus."
    Tausende Flüchtlinge pro Tag
    Seit Monaten sind die Flüchtlingsmassen aus Presevo nicht mehr wegzudenken. Zwischen 4.000 und 6.000 dürften es gestern gewesen sein. Als Anwohner sehen Azemi und Arben jeden Tag das Elend und haben auch schon Kleider für die Flüchtlinge vorbeigebracht. Sie wissen aus eigener Erfahrung im Kosovokrieg, was es bedeutet, auf der Flucht zu sein:
    (Azemi:) "Speziell für die Kinder geben wir die Kleider. Weil jeder hilft hier. Von Herzen. Wenn wir die Kinder da sehen und es regnet und so weiter... Ich habe ein Herz. Ich habe auch Kinder."
    (Arben:) "Das sind viele Leute. Das geht nicht weiter so. Bald kommt der Schnee, dann sterben die Leute hier auf der Straße."
    (Azemi:) "Jeder muss hier zwei bis drei Tage warten und sie schlafen auf der Straße. Das tut uns Leid."
    Aber es ist kein Ende in Sicht: Aus Griechenland und Mazedonien strömen jeden Tag tausende neue Menschen nach Presevo auf der Flucht nach West-Europa.