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Pressefreiheit im Irak

Unsere Berichterstattung ist eine Art Abenteuer weil wir nicht alles veröffentlichen dürfen, was wir veröffentlichen wollen.

Von Stefanie Duckstein | 03.01.2005
    Natürlich, es herrscht eine sehr angstvolle Stimmung. Die Situation ist gefährlich. Aber andererseits sind wir, die Journalisten, davon überzeugt, dass die Wahlen stattfinden müssen.

    Und genau das macht ihnen Mut für ihre Berichterstattung. Shamil Badran und Sahar Mohammad sind auf Journalistenreise in Deutschland, eingeladen vom Auswärtigen Amt in Berlin. Shamil Badran, Chefredakteur einer der auflagenstärksten Zeitungen im Irak, beantwortet geduldig die Fragen seiner deutschen Berufskollegen - auch wenn die oftmals mit Kopfschütteln auf seine Berichte reagieren.

    Ich wusste von einem Politiker, der Staatsgelder veruntreut hat. Ich führte ein Interview mit einem seiner Mitarbeiter. Nach der Veröffentlichung hat die Person, um die es ging, mich angerufen und gedroht, vor Gericht zu gehen. Da habe auch ihm gedroht. Ich hatte schließlich das Gespräch auf Kassette. Einen Tag später rief er an und bot mir Geld für das Band. Ich sagte, gut, können wir machen, aber vielleicht habe ich noch mehr Kassetten. Am Ende haben wir uns geeinigt, dass wir nichts machen.

    Der Bericht wurde gedruckt, der Journalist ließ sich nicht bestechen. Solche Vorgänge gehören zum Berufsalltag irakischer Journalisten. Und nicht immer geht es so glimpflich aus wie im Fall von Shamil Badran. Nach einer Statistik von "Reporter ohne Grenzen" sind seit Beginn des Krieges im März 2003 46 Journalisten im Irak getötet worden, zwölf wurden entführt. Immer wieder komme es zu vorübergehenden Festnahmen - ob nun seitens der amerikanischen oder der irakischen Armee.

    Erst kürzlich erstellte die Organisation einen Index zur Pressefreiheit weltweit. Der Irak rangiert von den 168 untersuchten Ländern weit hinten, auf Platz 148. Ein Grund für das schlechte Abschneiden: die hohe Zahl der vom US-Militär getöteten Journalisten, ohne dass es bisher eine ordentliche Untersuchung der Vorfälle gegeben hätte.

    Die meisten ausländischen Reporter sind von ihren Sendern und Zeitungen abgezogen worden, weiß Karim El-Gawhary, Korrespondent für verschiedene deutschsprachige Tageszeitungen in Kairo. Auch er fährt nicht mehr in den Irak.

    Die Informationsbeschaffung ist derartig kompliziert geworden, dass es im Moment so ist, dass die meisten Kollegen und ich auch jetzt nicht mehr in den Irak fahren. Weil auch, selbst wenn man dort ist, sitzt man im Moment nur noch im Hotel und lässt sich zuarbeiten. Und das ist ja keine richtige Arbeit mehr. Das heißt, der Irak ist für die meisten Journalisten, die eine ernsthafte Arbeit betreiben wollen, so eine Art No-Go-Area geworden.

    Und dennoch, liebt die irakische Journalistin Sahar Muhammad ihren Beruf. Sie habe Heimweh, sagt sie und schiebt dabei ihr Kopftuch noch ein wenig weiter ins Gesicht. Schon diese Woche wird die 39jährige wieder als Reporterin für die Tageszeitung "Al Sabah" in Bagdad unterwegs sein. Natürlich kennt auch sie die Schere im Kopf. Doch viel bedrohlicher findet sie die permanenten Anschläge.

    Die Zeit der Repression ist vorbei. Jetzt darf jeder sagen, was er will, und es wird kein Druck ausgeübt von irgendeiner Institution. Es gibt aber ein großes Problem und das ist die Sicherheitssituation. Aber das liegt in den Händen unserer Regierung. Die Regierung muss die Situation unter Kontrolle bekommen und dabei helfen, dass die Wahlen stattfinden können.

    Was die Zensur in ihrem Land angeht, bleiben die irakischen Journalisten diplomatisch. Zu viele Fronten gebe es im Irak, von den amerikanischen Besatzern bis hin zu den vielen aufständischen Gruppen. Immer wieder beteuern sie, heute entscheide jeder selbst, worüber er berichte und was er lieber weglasse. Die Gefahr, in die sie sich täglich begeben, wird nur zwischen den Zeilen deutlich.

    Katrin Evers von "Reporter ohne Grenzen" setzt auf den ständigen Druck demokratischer Staaten. Die Organisation verteilt schusssichere Westen und kleine Handbücher mit Verhaltensregeln für Journalisten in Krisenregionen. Doch hilft das?

    Ich finde es sehr schwierig einzuschätzen. Kein Bericht ist ein Menschenleben wert. Wir haben eine Charta veröffentlicht zur Krisen- und Kriegsberichterstattung, wo ganz klar fest steht, dass jeder Journalist es selber entscheiden muss und soll, von wo sie berichten. Für die einheimischen Kollegen, glaube ich, ist es ein großes Dilemma. Gerade jetzt im Vorfeld der Wahlen berichten zu wollen, die Chance, der Bevölkerung mitzuteilen, sich zu beteiligen an den Wahlen und auf der anderen Seite jeden Tag das Gefühl zu haben, sich in Lebensgefahr zu bringen durch die Berichte, weil bewaffnete Gruppen, die der Demokratie entgegen stehen, sie bedrohen. Es ist ein großes Dilemma.

    Und dennoch, während ihres Besuches bei "Reporter ohne Grenzen" strahlen die irakischen Journalisten Zuversicht aus. Adressen werden ausgetauscht - der Grundstein für ein Netzwerk unter Journalisten gelegt. Und Jamal Alameadi, Literaturredakteur der Zeitung "Al Mada", verabschiedet sich mit den Worten:

    Das ist unser Traum im Mittleren Osten und vor allem im Irak. Ich hoffe, dass wir in naher Zukunft auch so ein demokratisches Land sein werden. Politiker brauchen das Volk, damit sie seine Stimme bekommen. Und das ist die Freiheit, die Demokratie ermöglicht. Ich hoffe, irgendwann werden wir im Irak so weit sein. Vor allem als Journalist und als Intellektueller ist es einfach meine Pflicht und mein Job unser Land zu einem demokratischen Land zu machen.