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Pressefreiheit in Schweden
Schwedendemokraten gegen den öffentlichen Rundfunk

Die Schwedendemokraten haben schon lange ein schwieriges Verhältnis zur Presse. Jetzt will die rechtspopulistische Partei konkret gegen die Arbeit im öffentlichen Rundfunk vorgehen. Einzelnen – aus ihrer Sicht "parteiischen" – Journalisten drohen Gehaltskürzungen oder Entlassungen.

Von Carsten Schmiester | 24.03.2020
Der Schriftzug von Sveriges Radio an einer Wand.
Die Schwedendemokraten haben den öffentlichen Rundfunk in Schweden in den Blick genommen. (imago / Petter Arvidson)
Dass sich Politiker über Journalisten ärgern, kommt vor, es darf und muss sogar vorkommen. Auch nach Überzeugung der meisten Schweden. Immerhin hat man hier schon 1766 die Freiheit der Presse in der Verfassung verankert. Sie ist durch viele Gesetze abgesichert, Stichwort: Informantenschutz und Informationsfreiheit. Der Staat ist Journalisten gegenüber zur Auskunft verpflichtet!
Aber er darf auch schnüffeln, bestimmte Telefonate abhören, Internet-Kommunikation anzapfen. Journalisten verletzen ebenfalls ab und zu Grenzen und nehmen sich die Freiheit, zu schweigen. Schweden ist ja nicht nur das Mutterland der freien Presse, sondern auch der Konfliktscheu. Es fällt den Menschen schwer, Missstände anzusprechen.
Auch und gerade in der Presse gibt es deshalb viel politische "correctness". Anders als bei den rechtspopulistischen Schwedendemokraten, die seit Jahren offen gegen Flüchtlinge Politik machen und dafür – da darf man das ja – von der Presse kritisiert wurden und werden; etwa mit Sticheleien in Radioprogramen oder heftiger Kritik in einer TV-Wahlsendung an einer als rassistisch verurteilen Äußerung von Parteichef Jimmie Åkesson.
Öffentlichen Rundfunk finanziell unter Druck setzen
Er und seine Partei haben es nun vor allem auf die öffentlichen Sender Sveriges Radio und SVT abgesehen und ärgern sich unter anderem über das aufmüpfige Jugendprogramm P3: "Wenn ich hier Chef wäre", ätzte Åkesson schon vor zwei Jahren, "dann hätte ich P3 längst zugemacht, denn das ist durch und durch links-liberaler Schund."
Inzwischen sind die Schwedendemokraten noch konkreter geworden. Sie wollen den gesamten öffentlichen Rundfunk nicht nur als Institution finanziell unter Druck setzen, sondern auch individuell einzelne, wie es heißt "parteiische", Journalisten mit Gehaltskürzungen oder Rausschmissen abstrafen. Dazu sollen Programmverantwortliche vor den Kulturausschuss des Reichstages zitiert werden können.
Aron Emilsson von den Schwedendemokraten erläutert die Forderungen: "Sie sind die Folge sich wiederholender Vorkommnisse, auf die viele reagiert haben in sozialen Medien oder in der allgemeinen Debatte. Man ist da der Ansicht, dass der öffentliche Rundfunk seinen Auftrag nicht erfüllt."
Vor Corona ein großes Aufregerthema
Wobei dieses "man" nicht für alle steht, schon gar nicht für die regierenden Sozialdemokraten. Lawen Redar sitzt für sie im Reichstag: "Es ist schon bemerkenswert. Der Kulturausschuss hat noch einen Journalisten einbestellt, weil man mit dem Inhalt eines Programmes nicht einverstanden war. Ich finde, das geht weit über das hinaus, was die Politik machen darf. Wir sollten unsere Distanz zum öffentlichen Rundfunk wahren."
Das Ganze war vor Corona eines der großen Aufregerthemen in der schwedischen Medienlandschaft und wird es irgendwann danach sicher auch wieder werden. Selbst wenn laut Anna Dingertz, Juristin bei der schwedischen Medienanstalt MPRT, die Zukunft des öffentlichen Rundfunks erst einmal nicht in Gefahr ist.
"Unser Radio- und Fernsehgesetz sagt, dass die Regierung Rahmenbedingungen für die Berichterstattung öffentlicher Sender festlegen darf, was deren Sachlichkeit und Neutralität angeht. Diese Bedingungen sind in den Lizenzen der Sender festgeschrieben. Und zum Jahresbeginn haben sie neun dieser Sendegenehmigungen bekommen. Die gelten nun für die kommenden sechs Jahre."
"Keine Maßnahmen gegen einzelne Mitarbeiter möglich"
Sollten Sender gegen Auflagen verstoßen, wäre eine mögliche Ahndung aber noch lange keine Angelegenheit für die Politik, sagte sie in diesem ARD-Interview, nicht einmal für ihre Behörde: "Wir haben die Aufgabe, im Nachhinein zu überprüfen, ob Medienunternehmen die Lizenz-Regeln beachtet haben. Arbeitsrechtliche Maßnahmen gegen einzelne Journalisten oder andere Mitarbeiter können wir aber nicht ergreifen, das ist dann Sache der Arbeit- bzw. Auftraggeber."
Die Hürde zur Umsetzung der rechtspopulistischen Forderungen liegt also hoch in Schweden. Selbst wenn die Schwedendemokraten zuletzt mit rund 24 Prozent aller Stimmen nach Umfragen die stärkste politische Kraft im Land waren. Sie könnten wenn, dann nur zusammen mit anderen bürgerlich-konservativen Parteien regieren wie etwa den "Moderaten". Deren Chef, Ulf Kristersson, fordert zwar auch Reformen der öffentlichen Sender, lehnt die Disziplinierungsvorschläge der Populisten aber strikt ab. Es sieht schlecht aus für deren Rachefeldzug, übrigens auch verfassungsrechtlich:
"Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist im Grundgesetz geregelt. Für eine Änderung muss der Reichstag dem gleichen Beschluss zwei Mal zustimmen und es muss eine Reichstagswahl zwischen den beiden Abstimmungen liegen."