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Presseschau
"Das entspricht dem 11. September"

Auch am Freitag beschäftigen sich die deutschen Zeitungskommentatoren wieder mit dem Anschlag auf die Redaktion von "Charlie Hebdo" in Paris. Einhellige Meinung: Solidarität und Verstand sind jetzt gefragt. Viele schlagen den Bogen zur Pegida-Bewegung in Deutschland.

08.01.2015
    Auf einem Tisch liegen deutsche Tageszeitungen so versetzt, dass jeweils nur der Titel zu lesen ist, ganz vorne "Die Welt", "Frankfurter Allgemeine Zeitung" und "Süddeutsche Zeitung"
    Kommentare aus deutschen Tageszeitungen (dpa / Jan Woitas)
    Für den "Reutlinger General-Anzeiger" ist klar:
    "Das brutale Attentat im Nachbarland entspricht den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA. Hier wie dort wurden Wahrzeichen des Landes angegriffen."
    Die "Aachener Zeitung" präzisiert:
    "Es geht um die Freiheit der Meinung, die Freiheit der Kunst und der Wissenschaft - so provokativ und anstößig sie auch immer sein mögen."
    Klare Worte findet auch die "tageszeitung":
    "Die Schüsse der Radikalislamisten zielen auf die Zerstörung der zivilen Textur der Gesellschaft. Sie sollen einen Bürgerkrieg zwischen Muslimen und Nichtmuslimen provozieren."
    Die "Heilbronner Stimme" solidarisiert sich mit den französischen Kollegen und sieht ein Vermächtnis:
    "Unabhängige Journalisten dürfen keinen Millimeter zurückweichen. Weder religiöse Fanatiker noch Lobbyisten dürfen Einfluss auf die freie Presse gewinnen."
    Ähnlich argumentiert die "Landshuter Zeitung":
    "Die Terroristen dürfen es nicht schaffen, die Gesellschaft zu spalten. Zusammenstehen. Das ist das Gebot der Stunde."
    "Solidarität ist aber nicht alles", betont die "Wetzlaer Neue Zeitung".
    "Der Verstand muss die Oberhand behalten. Und der warnt: Keine Pauschalisierungen bei der Beurteilung von Fremden! Würde dies geschehen, hätten die Attentäter von Paris ihr wichtigstes Ziel erreicht."
    Die "Pforzheimer Zeitung"gibt zu bedenken:
    "Wer nun auf schnelle Lösungen hofft, wird die höchstens bei den radikalen Rechten finden. Beim Front National in Frankreich. Oder bei den Rädelsführern der Pegida-Bewegung. Das ist verlockend - und genau darin besteht die Gefahr: in einem europäischen Rechtsruck."
    Die "Berliner Zeitung" geht noch weiter:
    "Noch nie sind sich islamistische Terroristen und islamophobe Radikale so nahe gewesen. Was sie verbindet, ist ihr Hass auf die 'Lügenpresse', dem die Demonstranten in Dresden Montag für Montag grölend Ausdruck verleihen - nichts anders trieb die Attentäter an, die versuchten, die Presse zum Schweigen zu bringen."
    Die "Südwest-Presse" aus Ulm geht ebenfalls auf die Reaktionen in Deutschland ein:
    "Fast war es so, als würde die Welt nach den feigen Morden von Paris für Momente in Stille verharren. Nur einer nutzte das Blutbad für eigene Interessen: Alexander Gauland, Leitfigur der rechten AfD. Er instrumentalisierte den Terrorangriff in Frankreich, um die Anliegen der Protestbewegung Pegida zu legitimieren. Als Sammelbecken für Ausländer- und Islamfeinde hat die AfD sich enttarnt."
    Die "Nordsee-Zeitung" beobachtet eine "erschreckende Schamlosigkeit":
    "Gleichwohl gehört es in Deutschland zum Thema Meinungsfreiheit auch dazu, dass wir respektieren, dass die Pegida-Anhänger ebenfalls das Recht haben, auf Plätzen und Straßen ihre Meinung zu äußern."
    Nach Ansicht der "Schwäbischen Zeitung" aus Ravensburg haben die in Europa lebenden Muslime eine Bringschuld.
    "Sie müssen laut vernehmbar zu diesen Freiheitswerten stehen. Satire zählt dazu und ist hinzunehmen."
    Die "Landeszeitung" aus Lüneburg ist skeptisch:
    "Jetzt soll in deutschen Moscheen bei den Freitagsgebeten das Massaker von Paris verurteilt und die Pressefreiheit zum verteidigenswerten Ideal erklärt werden. Es gärt in der muslimischen Welt. Vielleicht bedarf es jetzt eines muslimischen Martin Luther, um den Islam von den falschen Dogmen der Frömmelei und des Fanatismus zu befreien."