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Presseschau
"Fortsetzung des Kampfes mit anderen Mitteln"

Die Drohung lag lange auf dem Tisch, jetzt hat Russland sie wahr gemacht: Kein Gas mehr an die Ukraine, bevor die nicht ihre Schulden bezahlt. Viele Kommentatoren der Tageszeitungen fragen sich, ob nicht mehr dahinter steckt.

16.06.2014
    Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG äußert erst einmal Verständnis für den Lieferstopp:
    "Schließlich sind unbezahlte Rechnungen in Milliardenhöhe aufgelaufen. Doch ist es sicher kein Zufall, dass die Russen alle Kompromissvorschläge zurückgewiesen haben. Die Botschaft ist klar: Wer politisch nicht kooperiert, riskiert wirtschaftliche Schäden. Es ist eine Warnung, die definitiv auch an die hochgradig von russischen Gasimporten abhängigen westeuropäischen Staaten gerichtet ist."
    "Russland wollte offenbar nicht mitspielen" - darüber wundern sich die NÜRNBERGER NACHRICHTEN.
    "Regierungschef Medwedew sprach von Erpressung und einer nicht konstruktiven Haltung Kiews. Es ist schon seltsam. Im Osten der Ukraine sterben Menschen. Und im Gasstreit zwischen Kiew und Moskau kehrt man die beleidigte Leberwurst heraus."
    Der MÜNCHNER MERKUR sieht dagegen eiskaltes Kalkül in der Entscheidung:
    "Putins schärfste Waffen im Kampf um die Ukraine sind Panzer und Gas. Leider wird nun immer mehr zur Gewissheit, dass der Kremlherrscher beide auch einzusetzen bereit ist, mit erstaunlich wenig Rücksicht auf Verluste. Sein Handeln straft alle russischen Beteuerungen Lügen, an einer Deeskalation der Lage in der Ukraine mitzuwirken."
    Das STRAUBINGER TAGBLATT schreibt, eine friedliche Lösung des Gasstreits am Verhandlungstisch sei sowieso nie möglich gewesen:
    "Und so verlegt sich Moskau nun darauf, unter dem Deckmantel seriöser Geschäfte die Ukraine weiter an die Wand zu spielen. Denn es geht nicht nur um Gas, sondern um die Fortsetzung des Kampfes mit anderen Mitteln."
    Manche befürchten, dass jetzt auch Europa Gas-Engpässe bevorstehen. Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG wiegelt aber ab. Die Abhängigkeiten seien zu groß - auf beiden Seiten.
    "Und es sei noch einmal daran erinnert: Selbst im Kalten Krieg gab die Sowjetunion in puncto Vertragstreue zu keinen Klagen Anlass."
    Und die NEUE PRESSE aus Hannover kritisiert:
    "Die EU hat es verpasst, ein von Russland autonomes Gas-Netz aufzubauen. Und das, obwohl schon zwei Gas-Kriege die Abhängigkeit vom russischen Riesen nachdrücklich vor Augen führten. Wenn die Emanzipation Europas nicht gelingt, werden wir alle immer wieder mit einem solchen Engpass-Szenario konfrontiert. Das einzige, was wirklich hilft, sind neue Versorgungswege."
    Und wir schauen noch auf eine Nachricht, die heute für einige das Gesprächsthema des Tages war. Michael Schumacher ist aus dem Koma aufgewacht.
    Die BADISCHEN NEUESTEN NACHRICHTEN aus Karlsruhe finden:
    "Das eigentlich Sensationelle daran ist, dass es gelang, diese von der Weltöffentlichkeit so sehnsüchtig erwartete Mitteilung so lange geheim zu halten. Als sich die Neuigkeit aus Grenoble verbreitete, war Schumacher nämlich schon längst nicht mehr in der Klinik – kein Medienrummel, keine Fotos, keine Heerscharen von wartenden Reportern. Schumachers Weg zurück ins Leben ist so leise verlaufen, wie man es kaum hätte für möglich gehalten."
    „Müssen wir das nochmal haben?", fragt die RHEINPFALZ aus Ludwigshafen und erinnert an Pulks von Übertragungswagen vor der Klinik und an einen Reporter, der sich verkleidet in die Intensivstation schleichen wollte.
    "Nein, diesen unwürdigen und respektlosen Trubel um einen Menschen, der sich nicht wehren kann, brauchen wir kein weiteres Mal! 'Bitte lassen Sie unsere Familie in Ruhe!' - die flehentliche Bitte der Ehefrau von Michael Schumacher an die Journalisten wurde letztlich befolgt. Der Großteil dieser chronisch überhitzten Branche scheint sich einen Rest von Skrupel erhalten zu haben."