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Pressnitztalbahn
Unter Dampf im Erzgebirge

Ehrenamtliche haben im Erzgebirge einen historischen Dampfzug wieder flott gemacht. Doch nicht nur das: Neun Kilometer Gleise wurden für die Pressnitztalbahn verlegt und vier historische Bahnhöfe in Schuss gebracht. Nicht nur für Wochenendausflügler ist die Strecke eine Attraktion.

Von Iris Milde | 17.12.2017
    Die Pressnitztalbahn ist ein historischer Dampfzug, der auf den Höhen des Erzgebirges unmittelbar an der sächsisch-tschechischen Grenze verkehrt. Einst befuhr die Schmalspurbahn eine 23 Kilometer lange Strecke. In den 80er Jahren wurde sie als letzte Kleinbahn in der DDR eingestellt und die Strecke komplett abgerissen. Einem rührigen Verein ist es zu verdanken, dass die Pressnitztalbahn heute zumindest auf einem Drittel der ursprünglichen Strecke wieder im Einsatz ist.
    Die Pressnitztalbahn ist ein historischer Dampfzug, der auf den Höhen des Erzgebirges unmittelbar an der sächsisch-tschechischen Grenze verkehrt (Deutschlandradio / Iris Milde)
    Ein kleiner Bahnhof in einem Bergkessel. Das Schild an dem historischen Klinkerbau verkündet in altdeutschen Lettern: "Jöhstadt". Über den gegenüberliegenden Erzgebirgskamm schickt die Sonne ihre ersten Strahlen und bringt so den Tau auf den hölzernen Waggons vor dem Bahnhof zum Funkeln. Weißer Dampf steigt aus dem schwarzen Schornstein der Lok auf. Lokführer Gerald Seifert steckt seinen Kopf aus dem Führerhaus und vertreibt sich die Zeit bis zu Abfahrt mit Polieren.
    "Wer gut putzt, der fährt auch gut. Die hat ja über die Nacht gestanden und es ist alles ein bisschen mit Ruß bedeckt. Früh zu Dienstbeginn wird die Lok dann erst noch einmal richtig abgeölt, dass auch das Fahrwerk richtig läuft."
    Seifert ist gelernter Kaufmann und arbeitet eigentlich in München. Am Wochenende fährt er regelmäßig hinauf ins Erzgebirge und tut Dienst als Lokführer der Pressnitztalbahn. Ehrenamtlich.
    Es ist Zeit, einzusteigen. Eilig werden die Schranken zu den Plattformen der Wagen heruntergeklappt. Dann geht es los.
    Vor dem Fenster ziehen die letzten Häuser von Jöhstadt vorbei. Wir passieren Kleingärten und Bergweiden. Dann folgt die Strecke einem gurgelnden Flüsschen durch eine Auenlandschaft.
    "Wir fahren jetzt insgesamt auf der Museumsbahn von Jöhstadt nach Steinbach acht Kilometer. Die originale Schmalspurbahnstrecke der Pressnitztalbahn war 23 Kilometer."
    Sagt Jörg Müller, während wir kaffeeschlürfend aus dem Fenster des Buffetwagens schauen. Müller ist im Vorstand des Vereins, der heute die Pressnitztalbahn betreibt.
    "Die Strecke eröffnet wurde 1892. Deshalb können wir ja dieses Jahr auch die 125-Jahr-Feier begehen von der Schmalspurbahn."
    Die Personenbeförderung eine untergeordnete Rolle
    Heute ist die Pressnitztalbahn ein Ausflugszug, der an den Wochenenden verkehrt. In ihren Anfängen spielte die Personenbeförderung eine untergeordnete Rolle. Transportiert wurden Holz, böhmische Kohle, sogar ganze Löschfahrzeuge.
    Müller: "Die Pressnitztalbahn hatte einen ganz wesentlichen Güterkunden, nämlich das Kühlschrankwerk in Niederschmiedeberg. Über die Pressnitztalbahn wurden dann bis 1986 der Großteil der Kühlschränke über die Güterzüge befördert und das hat die Pressnitztalbahn am Leben gehalten."
    Doch in den 80er-Jahren war dann nicht nur der Dampflokbetrieb unzeitgemäß; auch Strecken, Züge und sämtliche Anlagen waren jahrzehntelang auf Verschleiß gefahren worden.
    Müller: "Zwischen 1984 und 1986 wurde die Strecke aber eingestellt und danach komplett abgerissen."
    Damals sicherten ein paar Eisenbahnfreunde, was zu retten war. Nach der Wende nutzten sie die Aufbruchstimmung, um ihren Traum von Auferstehung der Pressnitztalbahn Wirklichkeit werden zu lassen.
    Müller: "Zum einen hatten wir natürlich das Glück, dass wir sehr viele engagierte Vereinsfreunde heranlocken konnten. Das war tatsächlich eine Art Mundpropaganda, die da mithalf. Und so konnten wir innerhalb von den ersten Jahren 1990, '91, '92 relativ schnell auf einen aktiven Stamm von vielleicht 50 bis 60 Vereinsmitgliedern aufbauen, die dann auch einen sehr großen Anteil von Freizeit, Urlaub hier investiert haben."
    "1992 hat die erste Dampflok unter Dampf gestanden"
    Auch Jörg Müller kam damals zur Pressnitztalbahn. Eigentlich wollte der Schienenfahrzeugtechniker während seines Studiums nur etwas Praxis sammeln. Es war der Reiz, einen Bahnbetrieb von Grund auf wiederzubeleben.
    Müller: "Klar, wir konnten natürlich auch damals schon in den Kalender gucken und feststellen, 1992 ist das Jubiläum, 100 Jahre Pressnitztalbahn. 1992 hat die erste Dampflok unter Dampf gestanden. Wir konnten damit deutlich machen: Ja, die Pressnitztalbahn ist wieder da!"
    Seitdem wurden in unzähligen Arbeitseinsätzen neun Kilometer Gleise verlegt, vier historische Bahnhöfe wieder in Schuss gebracht, zahlreiche neue Haltepunkte eingerichtet und eine moderne Fahrzeughalle errichtet. Denn der Fuhrpark ist inzwischen auf nunmehr sechs Dampfloks, drei Dieselloks und 30 Wagen angewachsen.
    Müller: "Jetzt gerade kommen wir in Schmalzgrube an und hier kommt die Pressnitz rechterhand. Bisher sind wir im Schwarzwassertal gefahren, also jetzt sind wir im Pressnitztal. Ist wirklich eine kleine Ansiedlung in einem kleinen Gebirgstal, ist aber für uns sehr wichtig, weil es unser Betriebsmittelpunkt ist, also tatsächlich in der Mitte der Strecke. Wir sind jetzt vier Kilometer gefahren."
    Müller: "Hier stehen auch noch ein paar Güterwagen. Es soll ja auch Eisenbahnflair überall sein."
    "Das Gebäude ist quasi in einen Dornröschenschlaf versunken"
    Seinen Namen verdankt Schmalzgrube einer historischen Schmelzgrube aus den Anfängen des Silbererzbergbaus. Der Bahnhof ist ein kleines Backsteinhäuschen mit alter Bahnhofsuhr und einem gelben Briefkasten aus Reichspostzeiten.
    Müller: "So, jetzt gucken wir mal ganz kurz hier. Üblicherweise sitzt hier der Zugleiter, wenn wir Mehrzugbetrieb haben. Heute ist der Kollege Zugführer gerade dabei, seinen Fahrplan zu präzisieren."
    Ein alter Schreibtisch, ausgestattet mit Fernsprechapparat und allerlei antiquierten Bahnwärterutensilien. Hinter dem Fensterchen der Gepäckausgabe stehen ein alter Schrankkoffer und eine Lastenwaage.
    Müller: "Ein Teil der Ausrüstung war tatsächlich noch erhalten geblieben, weil man, nachdem hier Ende der 70er-Jahre kein Eisenbahnbediensteter mehr Dienst getan hat, hat man hier zugeschlossen und das Gebäude ist quasi in einen Dornröschenschlaf versunken. Naja, bisschen hergerichtet haben wir es natürlich schon wieder."
    Bahnhof Steinbach: Endstation der Pressnitzbahn
    Bahnhof Steinbach: Endstation der Pressnitzbahn (Deutschlandradio / Iris Milde)
    Eisenbahn wie vor 100 Jahren – das soll die Pressnitztalbahn ihren Fahrgästen bieten. Und das nicht nur in den Waggons, die mit viel Liebe restauriert und mit allerlei historischen Details von Messingschildchen bis historischen Werbetäfelchen ausgestattet wurden. Auch Anlagen und Gebäude an der Strecke will der Verein wieder ansehnlich machen.
    Müller: "Wir sind hier in Jöhstadt einer der größten Grundstücksbesitzer mittlerweile."
    Nur einige Meter hinter Schmalzgrube drosselt die Lok schon wieder das Tempo. Bedarfshalt "Forellenhof". Ein Gasthaus, davor Forellenteiche, in denen sich ein Wasserrad dreht. So mancher hier verdankt der Pressnitztalbahn seine berufliche Existenz. 40.000 Fahrgäste hat die Bahn im Jahr und bringt damit viele Touristen in die schöne, aber entlegene Region. Der Zug fährt nun in einen hohen, dichten Fichtenwald ein. Mitten im dunklen Wald kommt die Station "Andreas-Gegentrum-Stolln".
    Müller: "Hier ist man wirklich mitten im Wald. Da qualmt es so bisschen aus der Esse raus. Dann wird hier an Öffnungstagen Führungen in dem Besucherbergwerk angeboten. Da ist jetzt wirklich alles zu Fuß, weil das tatsächlich Altbergbautradition ist und relativ enge Sachen sind, wo man den Bergbau so richtig fühlen und riechen kann."
    Wenn der Wald unter einer dicken Schneeschicht liegt
    Diesmal bleiben wir draußen auf der Plattform stehen. Wir passieren Feuchtwiesen und Erlenwälder. Besonders reizvoll sei die Fahrt auch im Winter, sagt Müller, wenn der Wald unter einer dicken Schneeschicht liegt und in beinahe jedem Fenster ein erzgebirgischer Schwibbogen leuchtet.
    Müller: "So, jetzt erreichen wir Steinbach, Endstation."
    Ganze 45 Minuten hat die Fahrt gedauert. Einige Mitfahrer werfen ihre Rucksäcke auf den Rücken und wandern los.
    Müller: "So, jetzt wird die Lok hier abgehängt und fährt da vorne über die Weiche, kommt dann hier an uns vorbei gefahren und nimmt am Wasserhaus Wasser auf."
    Jörg Müllers Blick folgt den Schienen in das vor ihm liegende Tal hinein. Er wird nachdenklich. Ob Steinbach auch in Zukunft die Endstation der neuen Pressnitztalbahn bleiben wird?
    Müller: "Natürlich haben wir nicht gleich vor, in den nächsten Jahren hier weiterzubauen. Aber wir sind als Verein schon mal Grundstückseigentümer der nächsten Kilometer bis zur nächsten Station. Es ist aber ein paar technische und bauliche Herausforderungen dabei, sodass ich sage: Muss man sich genau überlegen."
    Lokführer Gerald Seifert bereitet sich indes auf die Rückfahrt vor.
    Seifert: "Die Lok wird mit Wasser betankt und der Heizer richtet sein Feuerchen an. Denn wir werden in wenigen Minuten etwas bergwärts fahren. Also wir haben Steigungen von 1 zu 40 und das ist schon nicht ohne für die kleinen Maschinen. Die hat ungefähr 260 PS. Naja, da hängt der Zug mit knapp hundert Tonnen schon ganz gut dran."