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Pretzell lädt nach Koblenz
Kongress europäischer Rechtspopulisten und Rechtsextremer

Le Pen, Wilders, Salvini - führende Politiker rechtspopulistischer Parteien aus mehreren EU-Staaten kommen am Vormittag zu einem als Kundgebung gedachten "Kongress" in Koblenz zusammen. Von der AfD werden der NRW-Landeschef Marcus Pretzell und die Parteivorsitzende Frauke Petry sprechen. Zahlreiche Journalisten sind ausgeschlossen.

Von Anke Petermann | 21.01.2017
    Zum Auftakt des europäischen Superwahljahres legen ausgerechnet die Protagonisten nationalistischer Abschottung einen gemeinsamen Superkongress europäischer Rechtspopulisten und Rechtsextremer hin. Tonangebend in der gemeinsamen Fraktion "Europa der Nationen und der Freiheit" und mutmaßlich auch bei dieser Wahlkampfkundgebung: der rechtsextreme Front National mit Marine Le Pen, die zu den französischen Präsidentschaftswahlen im Mai antritt: "Nein zum Europa von Brüssel, ja zu unseren Nationen!"
    "Nein zur organisierten Einwanderung und zur Auflösung unserer Identität" - auch das eint deutsche, österreichische, niederländische, italienische Rechtspopulisten mit französischen Rechtsextremisten. Flucht kommt in deren Wortschatz nur als illegale Einwanderung vor. "Überfremdung" und "Umvolkung" führen diejenigen im Mund, die zurück zu einer Homogenität wollen, die es in der Realität nie gab.
    Pretzell stilisiert das Bündnis zum europäischen Heilsbringer hoch
    Niemand weiß das so schmerzvoll genau wie Holocaust-Überlebende und deren Nachfahren. Der Londoner Henri Obstfeld und andere sehen in Koblenz "Wölfe im Schafspelz" zusammenkommen und fürchten eine Rückkehr des Faschismus nach Europa. In einem offenen Brief warnen sie vor dem teils verborgenen und umso gefährlicheren Ausmaß des Hasses, den diese Verbündeten transportieren. Marcus Pretzell dagegen stilisiert das Bündnis in einem ENF-Werbevideo zum europäischen Heilsbringer hoch: "Ich glaube ganz fest daran, dass diese Fraktion eine ganz großartige Zukunft in diesem Parlament und für Europa spielen wird."
    Viele Journalisten ausgeschlossen
    Ob der Koblenzer ENF-Kongress über das Beschwören der eigenen Großartigkeit mit fremden- und islamfeindlichen Akzenten hinausgeht? Die Rednerliste verzeichnet zwischen 10.10 und 12.10 Uhr sechs Auftritte im 25-Minutentakt. Organisator Pretzell, AfD-Landesvorsitzender von Nordrhein-Westfalen, darf eröffnen, seine Ehefrau, Parteichefin Frauke Petry beschließt, nein sie "krönt" laut AfD den Vormittag. Themen sind auf der Rednerliste nicht angegeben, das nährt die Vermutung, dass Inszenierung vor Inhalt geht. Als "europäischer Gegengipfel" stilisiert sich der Kongress, zu erwarten sind Merkel-, Schengen- und Brüssel-Bashing. Deutschlandradio und andere öffentlich-rechtliche Sender müssen draußen bleiben, außerdem Journalisten einzelner Zeitungen. Johannes Hillje, Kommunikationsberater in Berlin und Brüssel, kommentierte das im Deutschlandfunk so:
    "Das ist ja eine autokratische Methodik: Marcus Pretzell von der AfD hat das ja auf Twitter öffentlich gemacht, hat Journalisten öffentlich verunglimpft und ausgeschlossen. Und das kommt schon sehr nahe dem, was Donald Trump bei seiner Pressekonferenz gemacht hat, wo er den CNN-Reporter als Fakenews bezeichnet hat",
    eine Provokation, mit der Trump in der eigenen Anhängerschaft punkten dürfte. Und Pretzell auch. "We will make our countries great again" twitterte der Niederländer Wilders in Anlehnung an den US-Präsidenten. Zugelassen sind die von der Koblenzer Hauptveranstaltung ausgeschlossenen Medien immerhin zur Pressekonferenz mit dem Titel "2017 - Jahr der Patrioten". Da an der einstündig geplanten PK alle elf Redner Statements abgeben sollen, dürfte dort allerdings kaum Platz für Fragen sein.