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Preußens Reformer

Sein Meisterstück war die Bauernbefreiung. Karl Reichsfreiherr vom und zum Stein setzte zu Beginn des 19. Jahrhunderts durch, dass die Untertänigkeit der Bauern gegenüber den Gutsherren abgeschafft wurde. Sein großes Ziel jedoch, die Überwindung der deutschen Kleinstaaterei, blieb bis zum Tod des preußischen Reformpolitikers 1831 eine Wunschvorstellung.

Von Klaus Kühnel | 29.06.2006
    "Er wollte die Bürokratie abbauen, er wollte mehr individuelle Entfaltungsmöglichkeit für den Einzelnen, er wollte auch mehr Gleichheitschancen innerhalb der damals noch ständisch geschichteten Gesellschaft."

    Das waren für den Historiker Wolfgang Hardtwig von der Humboldt-Universität Berlin die Ziele des preußischen Staatsmannes Stein, dessen korrekter Name lautete: Heinrich Friedrich Karl Reichsfreiherr vom und zum Stein.

    Es waren kriegerische Zeiten, in denen das neunte Kind eines kurmainzischen Geheimrates am 25. Oktober 1757 das Licht der Welt erblickte: Österreich, Frankreich, Russland und Schweden hatten sich gegen Preußen verbündet. Trotzdem war der Knabe ein Glückspilz: Seine Geburtsstadt Nassau lag nicht in Preußen, und sein Vater gehörte nicht nur dem Uraltadel an, sondern war auch ausgesprochen wohlhabend und zudem ein Reichsfreiherr. Damit war er nur vom Kaiser abhängig und unterstand keinem anderen Fürsten. Das war entscheidend für die Entwicklung Karls vom Stein.

    "Das verschaffte ihm Freiheiten innerhalb der Karriere, die er in Preußen eingeschlagen hat und machte ihn in gewisser Weise zum Außenseiter, die in extremen Situationen ihre Entfaltungschance bekommen."

    Bevor Karl vom Stein seine ganz spezielle Chance in Preußen bekam, studierte er in Göttingen Jura, Geschichte und Kameralistik - Volkswirtschaft heißt dieses Fach heute. Nun beginnt der unaufhaltsame Aufstieg des Freiherrn vom Stein. Mit 47 Jahren erhält er am 27. Oktober 1804 sein höchstes Amt: Wirklicher Geheimer Staats-Kriegs- und dirigierender Minister.

    Aber die Freude des preußischen Ministerpräsidenten vom und zum Stein währte nur kurz. Napoleon, der die "Segnungen" der französischen Revolution mit kriegerischer Gewalt ganz Europa "schenken" wollte, schlug zwei Jahre später Preußen bei Jena und Auerstedt vernichtend. Als dirigierender Minister hatte Stein Reformen begonnen, die das besetzte Preußen wieder erstarken und zum modernen Staat werden ließen. Besonders hervorzuheben ist seine Städtereform.

    "Mit dem Grundgedanken, dass die Bürger einer Stadt die Geschicke dieser Stadt selbst bestimmen sollen und dass sie nicht von einer bürokratischen Zentrale von außen gesteuert werden."

    Weiter reichend als die Städteordnung war eine andere Reform Steins.

    "Er hat die Erbuntertänigkeit der Bauern beseitigt, allerdings nur auf dem Weg einer Ablösungsgesetzgebung. Das heißt: Die Bauern mussten für das in ihr Privateigentum überführte Grundeigentum langfristig Ablösungssummen zahlen. Trotzdem: Der Schritt der Bauernbefreiung war historisch unumgänglich und musste gegangen werden."

    In der tiefsten Erniedrigung Preußens hätte die Stunde Steins schlagen können. Der König drängte ihn, mit Napoleon Frieden zu schließen. Das jedoch lehnte Stein entschieden ab. Der sonst immer zaudernde König bekam einen Tobsuchtsanfall und feuerte seinen Ministerpräsidenten:

    "Ich habe erfahren müssen, dass Sie ein widerspenstiger, trotziger, hartnäckiger und ungehorsamer Staatsdiener sind, der, auf sein Genie und seine Talente pochend, weit entfernt, das Beste des Staates vor Augen zu haben (...) aus Leidenschaft, persönlichem Hass und Erbitterung handelt."

    Wechselvoll wie das Schicksal Preußens war auch der künftige Lebensweg Steins. Er ging ins Exil nach Österreich und Russland, bevor er endlich in seine mittlerweile befreite Wahlheimat zurückkehren konnte. Der Reichsfreiherr wünschte einen einheitlichen deutschen Bundesstaat, aber es entstand ein föderativer Deutscher Bund. Bis zu seinem Tod am 29. Juni 1831 trat Karl vom und zum Stein dafür ein, dass sein Ideal Wirklichkeit werde.

    "Er war ein Kritiker der deutschen Kleinstaatlichkeit, wollte aus dieser Kleinstaaterei heraus; er wollte einen Bundesstaat, aber einen Bundesstaat mit klareren exekutiven Befugnissen für die Zentrale."