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Probedurchlauf für die Niedersachsenwahl

Der simulierte Urnengang ist Höhepunkt des Bildungsprojekts "Jugendwahl U18", das Kinder und Jugendliche aufs Wählen vorbereitet. Dazu gehörte auch eine Veranstaltung von "Jugend debattiert" im niedersächsischen Landtag.

Von Susanne Schrammar | 11.01.2013
    "Und zwar geht es mir darum, dass wir in den letzten zehn Jahren CDU-Regierung im Land Niedersachsen 50 Prozent mehr Schulden aufgebaut haben. Das wirkt jetzt in meinen Augen etwas unrealistisch, zu sagen: Auf einmal soll es funktionieren, dass wir keine Schulden mehr machen."

    Auge in Auge mit dem Ministerpräsidenten - Christiane Wellmann, 20 Jahre alt mit Kurzhaarschnitt und Nasenring, in der politischen Auseinandersetzung mit David McAllister. "Soll der Staat nur so viel ausgeben, wie er einnimmt?" - das ist das Thema, bei dem die junge Studentin vor rund 250 Schülern im niedersächsischen Landtag dem Berufspolitiker auf den Zahn fühlt.

    "Wenn Sie sich die Zahlen genau anschauen, dann werden Sie sehen: Wir waren 2008 kurz davor, den ersten ausgeglichenen Haushalt in der Geschichte des Landes vorzulegen."

    Kurz vor der niedersächsischen Landtagswahl diskutieren Schüler und Studenten mit den Spitzenkandidaten von CDU, SPD, Grüne, FDP und Linke im Rahmen des Wettbwerbs Jugend debattiert. Debattieren gelernt haben sie in der Schule, viele im Deutschunterricht oder in einer Arbeitsgruppe. Christiane Wellmann aus Uelzen hat 2011 den niedersächsischen Landeswettbewerb von "Jugend debattiert" gewonnen.

    "Es ist eine ganz andere Herangehensweise an Themen als normalerweise. Man informiert sich immer über beide Seiten, also über beide Standpunkte, und bekommt so ganz neue Einblicke. Auch wenn man wenn zu Themen vielleicht vorher schon eine Meinung hatte, eröffnen sich ganz neue Horizonte."

    "Für die Schüler ist entscheidend, dass sie hier im Medium des Wortes selbst aktiv werden können. Sie kommen raus aus der passiven Rolle eines bloßen Betrachters, Beobachters oder Am-Rand-Stehers von Politik. Sie können entdecken: Mein Wort wird gehört, ich habe etwas zu sagen und mein Wort hat auch Wirkung."

    Sagt Ansgar Kemmann, der Leiter des bundesweiten Projektes, das unter anderem von der gemeinnützigen Hertie-Stiftung getragen wird. Wer den Regeln einer Debatte folgt, hört andere an und lernt, seinen Standpunkt fair und sachlich zu vertreten - ein Instrument zur Demokratiebildung.

    Die heutige Debatte im niedersächsischen Landtag ist eingebettet in das Projekt "Jugendwahl". In Niedersachsen nehmen 354 Schulen mit circa 75.000 Schülern teil. Der Höhepunkt: eine simulierte Landtagswahl, bei der die Schüler eine Woche vor der eigentlichen Wahl dazu aufgefordert sind, ihr Kreuzchen auf dem Stimmzettel zu machen. Gerald Wolf, Projektleiter der Juniorwahl und Vorstandsmitglied im Trägerverein Kumulus:

    " Vor vier Tagen sind landesweit 350 Schulen beliefert worden mit Wahlmaterial, mit Wahlkabinen, Wahlbenachrichtigungen, Wahlurnen, alles, was dazu gehört, um eine Wahl zu organisieren. Ab Montag jetzt, ab nächsten Montag, geht's dann an die Urnen. Dann werden Wahlvorstände an den Urnen gebildet, Wählerverzeichnisse angelegt und eben all das gemacht, was zu einer normalen Wahl gehört."

    Dabei setzen sich die teilnehmenden Siebt- bis Zwölftklässler aller Schulformen im Unterricht intensiv mit den Themen Politik, Wahlen und Demokratie auseinander. Sie lernen, sich eine Meinung zu bilden und Entscheidungen zu treffen. Auch die Schüler, die die heutige Debatte im Landtag verfolgt haben, werden an die Urne gerufen. Sie rücken allerdings nicht damit heraus, wen sie wählen wollen.

    "Ja, ich habe eine Richtung, aber so direkt weiß ich es auch noch nicht."
    "Man muss erstmal wissen, was seine Interessen sind, dann guckt man, welche Partei die Interessen am besten vertritt und dann entscheidet man."
    " Ich guck auch sehr viel Nachrichten und lese Zeitung und daher hat sich bei mir auch schon so eine ungefähre Richtung rausgebildet."

    Das Projekt Jugendwahl wird auch wissenschaftliche begleitet. Dabei hat sich übrigens herausgestellt, dass bei Eltern, deren Kinder im Rahmen der Jugendwahl ihre Stimme abgegeben haben, die Wahlbeteiligung um rund neun Prozent gestiegen ist. Demnach nützt die politische Bildung nicht nur dem Nachwuchs.

    Doch zurück zur politischen Debatte mit den Spitzenpolitikern, die sich am übernächsten Sonntag der niedersächsischen Landtagswahl stellen. Nach seinem Rededuell mit Studentin Christina vor 250 Schülern zeigt sich Ministerpräsident David McAllister beeindruckt:

    " Ich bin jetzt seit 15 Jahren Mitglied des Landtages, seit zweieinhalb Jahren Ministerpräsident und ich habe noch nie einen Landtag erlebt, der so konzentriert und ruhig den Debatten folgt. So ginge Landtag auch, man muss es nur wollen und die jungen Leute haben sich hier wirklich gut verkauft."

    Bundeswettbewerb Jugend debattiert