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Produktiv bis ins hohe Alter

Durch den demografischen Wandel in Deutschland sind Unternehmen in wachsendem Maße auf ältere Mitarbeiter angewiesen - so heißt es immer wieder in Szenarien über den Arbeitsmarkt. Eine fragwürdige Prognose, denn groß angelegte Frühverrentungsprogramme belegten in der Vergangenheit stets das Gegenteil. Jetzt aber gibt es erste Anzeichen für eine Trendwende. Aufgeschlossene Arbeitgeber stellen inzwischen gezielt Ältere ein.

Von Thomas Gesterkamp | 24.02.2005
    Dabei müssen nicht nur die Personalchefs, sondern auch die Beschäftigten selbst umdenken. In der letzten Phase ihres Berufslebens werden sie mit neuen Anforderungen konfrontiert. Wer Brüche in der eigenen Biografie erfolgreich bewältigen will, muss auch als älterer Arbeitnehmer bereit sein zu lernen - und Offenheit zeigen für ungewohnte Erfahrungen.

    Dieses Problem haben ja die meisten: Sie freuen sich auf den Ruhestand. Und dann muss man feststellen: Es ist gar nicht so, wie man es sich vorgestellt hat. Nachdem ich zu Hause schon Ärger gekriegt hatte, weil ich meiner Frau sagen wollte, das ist alles falsch, was du da machst, das kannst du viel einfacher machen, rationeller tun. So kam es dann, dass ich den Weg zur Altenakademie fand, ein eingetragener Verein, der mit der Uni zusammenarbeitet. Und dann haben wir gesagt, wir müssen was tun.

    Rudi Eilhoff erinnert sich an die Geburtsstunde von ZWAR - "Zwischen Arbeit und Ruhestand”. Dortmunder Frührentner gründeten diese Initiative Mitte der achtziger Jahre. Die meisten von ihnen waren damals noch keine 60 Jahre alt - doch in ihren Unternehmen wurden sie nicht mehr gebraucht.

    Da wurden ja gerade zu der Zeit sehr viele Leute freigesetzt - in die Anpassung geschickt, wie man im Bergbau sagt. Wir haben dann versucht, die Leute im Betrieb anzusprechen. Wir wollten eine Vorbereitung auf das Alter machen, eine
    Vorbereitung auf die Pensionierung. Als wir damit anfingen, mussten wir feststellen, dass die Leute, die noch im Betrieb waren, gar nicht darüber sprechen wollten, was danach geschieht.


    Die ZWAR-Aktivisten haben es in ihrer mittlerweile fast zwanzigjährigen Geschichte immer wieder erlebt: Manche Industriearbeiter, geschafft von der harten ‘Maloche’ am Band, unter Tage oder am Hochofen, wollen ihre Firma so schnell wie möglich verlassen. Andere dagegen gehen keineswegs freiwillig - sie werden aus ihren Unternehmen herausgedrängt, auch wenn sie eigentlich weiterarbeiten wollen. Die Erfahrungen von Karl-Heinz Schulte aus Dortmund können viele ältere Arbeitnehmer bestätigen.

    Da wurde in den Betrieben uns Älteren das Gefühl vermittelt: Was ist das herrlich, wenn ihr jetzt mit 55 oder 56 ausscheiden könnt! Meine Kinder studierten noch, es war also nicht so ganz einfach, mit dem Familieneinkommen klarzukommen. Aber jeder, der etwas dagegen sagen wollte, der sagt, das ist eine Sauerei, wir sind doch noch viel zu jung, der wurde gleich abgestempelt: Du nimmst einem Jungen den Arbeitsplatz weg! Das war ein enormer psychologischer Druck.

    Hunderttausende sind während der neunziger Jahre in den damals noch großzügig geförderten Vorruhestand gegangen. Der Stahlkocher Josef Franken kam mit der neuen Lebenssituation gut zurecht, doch für viele seiner früheren Kollegen führte das abrupte Ende der Erwerbsarbeit in eine persönliche Krise. Der zentrale Anker ihres Lebens war plötzlich verschwunden, Fähigkeiten und Qualifikationen lagen brach.
    Der eine widmet sich eben mehr seinem Garten, den er hat, der andere macht ein bisschen mehr am Haus. Und es gibt sehr viele, die in das große tiefe Loch geraten sind. Die haben einen ganz gezielten Plan des Morgens: Der große Treff vor der Theke um halb zehn, der geht dann so bis halb eins, dann wird gegessen, der obligate Mittagsschlaf, und dann geht's nochmal zum Dämmerschoppen. Und das meine ich ist das große Loch bei denen, wo die nicht rauskommen. Ich hab versucht, ein paar loszueisen, aber das ist mir nicht gelungen.

    Das Dortmunder Projekt ‘Zwischen Arbeit und Ruhestand’ hat darauf mit pädagogischen Angeboten vielfältigster Art reagiert: mit Geschichtswerkstätten in den Stadtteilen, mit dem gemeinsamen Bau eines Segelbootes, mit Netzwerken für soziales Engagement. Weit über hundert solcher Gruppen gründeten sich im Laufe der Jahre allein im Ruhrgebiet. Aber wäre es nicht viel sinnvoller gewesen, die dabei zu Tage tretende Vitalität und Energie der Älteren weiterhin in den Unternehmen zu nutzen? Genau diesen Ansatz verfolgt das Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation in Stuttgart. Hans-Jörg Bullinger, der Leiter des Instituts:

    Unser Ziel ist, Arbeit so zu gestalten, dass sie Menschen Freude bereitet. Es gibt einen großen Unterschied zwischen der Erwerbsarbeit und dem, was ich in meinem Garten, im Hobby, im Sport mache. Diese Diskrepanz zu verringern, ist der Forschungsansatz, den wir verfolgen. So wie industrielle Arbeit heute gestaltet ist, ist das vielen Menschen leider nicht möglich, so dass sie dann frühverrentet werden müssen. Produktives Altern heißt für uns, dass Arbeit so gestaltet wird, dass man bis ins Alter seine Leistung voll erbringen kann.

    Das Stuttgarter Fraunhofer-Institut wirbt für einen Kurswechsel in der betrieblichen Personalpolitik. In ihren Untersuchungen etwa für das Bundesforschungsministerium betonen die Wissenschaftler, wie effektiv Arbeitnehmer auch im hohen Alter sein können.

    Was wir feststellen: Dass die körperlichen Leistungsfähigkeiten, je nachdem wie sie trainiert werden, natürlich dem Lebensrhythmus unterliegen. Das weiß jeder aus seinem persönlichen Umfeld, dass bestimmte körperliche Kräfte, Sehleistungen und so weiter sich mit dem Alter verändern. Nun möchte ich nicht sagen, dass es keine Arbeitsplätze mehr gibt, wo das eine Rolle spielt. Aber wir wissen aus unseren Studien, dass die Zahl der in der Produktion Beschäftigten in den letzten 30 Jahren um fast die Hälfte zurückgegangen ist dank höherer Automatisierung. Und das führt eben doch dazu, dass diese Frage der körperlichen Leistungsfähigkeit für die Masse der Arbeitsplätze nicht mehr im Vordergrund steht.”

    In einer von überwiegend von Dienstleistungen geprägten Arbeitswelt zählen vorrangig andere Qualitäten.
    Es geht mehr um kognitive Fähigkeiten, um Denkleistungen, um Wissen. Und jetzt kommt ein ganz wichtiger Punkt: auch um Erfahrung. Da glaube ich, haben die älteren Mitarbeiter ganz ohne Zweifel einen Vorsprung. Deshalb ist es so wichtig, in generationenübergreifenden Teams neues Wissen von der Schule, von der Lehre, von der Hochschule zu verbinden mit dem Erfahrungsschatz der Älteren. Wenn das die Unternehmen erkannt haben, werden sie feststellen, dass das für sie eine Quelle ist, die Leistungsfähigkeit des Unternehmens insgesamt zu erhöhen.

    Diesen Weg ist zum Beispiel Fahrion Engineering gegangen, ein Anlagenbauer aus dem schwäbischen Kornwestheim. Firmenchef Otmar Fahrion suchte jahrelang vergeblich geeignete Fachleute für sein mittelständisches Unternehmen. Dann veröffentlichte er eine ungewöhnlich formulierte Stellenanzeige:

    Mit 45 zu alt? Mit 55 überflüssig? Wir suchen Ingenieure, Techniker und Meister bis 65.

    Fahrion erhielt daraufhin fast 600 Bewerbungen, er führte rund 300 Vorstellungsgespräche. 180 der Kandidaten passten zu seinem Betrieb - doch der war mit seiner insgesamt nur hundertköpfigen Belegschaft dem Andrang nicht gewachsen. Statt wie ursprünglich geplant vier stellte Fahrion schließlich 19 neue Leute ein - alle über 50 Jahre. Seither gilt er als Vorzeigeunternehmer, steht für einen anderen Umgang mit den Älteren.

    Altersgemischte Arbeitsgruppen als Scharnier zwischen Routine und neuem Wissen: Das ist ein Modell, das sich auch wirtschaftlich rechnet. Dennoch wird der "ausgewogene Mix’, den die Wissenschaftler propagieren, bisher nur von wenigen Vorzeige-Unternehmen in die Tat umgesetzt. Die Arbeitslosigkeit bei Menschen über 50 Jahren ist alarmierend hoch, hat das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in einer Studie festgestellt. In Westdeutschland liegen sie bei rund 20, im Osten gar bei 30 Prozent. Das Problem beschränkt sich dabei keineswegs auf jene Bereiche der Industrie, wo Körperkraft noch eine Rolle spielt. Auch in
    vielen Dienstleistungsberufen werden Qualifikationen, die auf langjähriger Praxis beruhen, häufig ignoriert oder gering geschätzt.

    Jung, gut aussehend, keine Falten: Die Werbung für Büromöbel oder Kommunikationsprodukte präsentiert fröhliche Mitarbeiter, die in Licht durchfluteten Räumen und mit modernster Technik ausgestattet dynamisch und konzentriert ihrer Arbeit nachgehen. Gerade in der Computerbranche ist die Halbwertzeit technischer Neuerungen immer kürzer geworden.

    Die Unternehmensleiter wollen Mitarbeiter, die stets auf dem neuesten Stand sind, die künftige Entwicklungen erspüren. Manche Softwarehäuser legen Wert darauf, dass das Durchschnittsalter ihrer Belegschaft bei höchstens 30 Jahren liegt. Große Konzerne wie IBM machen schon 50-Jährigen mit großzügigen Betriebsrenten den Vorruhestand schmackhaft. Die Mitarbeiter klagen über eine Art 'Alten-Mobbing': Wichtige Informationen werden ihnen vorenthalten, sie bekommen keine interessante Arbeit mehr oder verlieren bewährte betriebliche Kooperationspartner. Die so Gemobbten sind demotiviert und gehen in die innere Emigration. Für die Unternehmen ist das wenig produktiv. Altersforscher Bullinger:

    Wir verbinden das sicher auch mit Vorurteilen. Wir verbinden Einfallsreichtum, Innovation, Kreativität oder Risikobereitschaft automatisch mit dem Lebensalter. Aber es ist durch nichts belegt, dass etwa Ältere nichts mehr dazu lernen können, sich nicht weiterentwickeln könnten. Es fehlt häufig an der Perspektive, es ist mehr eine Motivationsfrage.

    Die Wissenschaftler wollen die Arbeitnehmer ermuntern, sich auch in der Schlussphase ihres beruflichen Weges noch einmal zu verändern. Umgekehrt machen sie die Arbeitgeber darauf aufmerksam, dass die 'alten Hasen' häufig abgeklärter arbeiten als ihre jungen Kollegen. Untermauert werden solche Appelle durch Erkenntnisse aus der Hirnforschung: Die sogenannte kristalline Intelligenz, die auf Wissen und Erfahrung basiert, erreicht erst im fünften Lebensjahrzehnt ihren Höhepunkt. Lediglich die fluide Intelligenz, also die Verarbeitungsgeschwindigkeit, geht schon früher zurück.

    Ältere Menschen, so lautet eine Erkenntnis der Mediziner, können Wichtiges schneller von Unwichtigem trennen. Vom Wert einer langjährigen Berufspraxis in diesem Sinne profitieren bisher vor allem die Akademiker. Die ‘Senior Professionals’ - so heißen die erfahrenen Mitarbeiter im Fachjargon - haben aber auch in vielen kaufmännischen und technischen Berufen ihre Qualitäten. Hans-Jörg Bullinger möchte gerade kleinere Unternehmen von den Vorteilen Älterer überzeugen. Der Wissenschaftler rät dabei zur Kooperation.

    Der Dachdecker tut sich mit 60 schwerer, selbst aufs Dach zu gehen. Also hat man ein Verbundprojekt kreiiert, wo 25 Betriebe dieser Größenordnung zusammen sind und die Aufgaben untereinander anders verteilen. Kundenansprache, Reklamationen und so weiter können von Älteren mit ihrem Erfahrungsschatz wahrgenommen werden. Es gibt aber auch in größeren Betrieben regelrechte Programme der Personalentwicklungsabteilungen. Die sich damit beschäftigten, wie eine berufliche Karriere über viele Jahre aussieht. Wo Modelle überlegt werden, wie mit zunehmenden Alter ein anderer Arbeitseinsatz erfolgt, andere Aufgaben.

    Die niedersächsische Georgsmarienhütte erprobt ein Patenmodell, bei dem Ältere den Auszubildenden zur Seite stehen. Der Reifenhersteller Continental prüft, ob Arbeitsplätze ‘altersgerecht’ gestaltet sind; das VW-Transporterwerk in Hannover experimentiert mit altersgemischten Teams. Unterstützung für solche praktischen Beispiele liefert die Bildungsforschung. Michael Corsten vom Berliner Max-Planck-Institut beschreibt die traditionelle Berufslaufbahn am Beispiel der Handwerkerausbildung.

    Der berufliche Verlauf einer Handwerker-Biografie ist so ausgelegt, dass am Ende irgendwann der Meistertitel steht als Ausdruck der handwerklichen beruflichen Souveränität. Gleichzeitig ist damit ein, wie ich das nenne, ‘berufsbiografisches Skript’ verbunden. Das heißt, eine Art Drehbuch des beruflichen Werdegangs, das verschiedene Stufen definiert. Das ist alles wohl geordnet gewesen, und jetzt gibt es eine Reihe von Diagnosen, die dieser ursprünglichen handwerklichen Berufsidentität widersprechen. Dass nicht nur neue Ansprüche an die berufliche Arbeit gesetzt werden, sondern dass der berufliche Werdegang selber unsicherer wird.

    Die ältere Generation ist in einer stabilen Welt aufgewachsen. Biografien verliefen meist geradlinig: 20 bis 30 Jahre Lernen, 30 Jahre Arbeiten, 20 bis 30 Jahre Ruhestand. Künftig müssen Arbeitnehmer stets offen sein für späte Wendepunkte in ihrem Berufsleben. Das betont Ali Wacker, Professor für Sozialpsychologie in Hannover.
    Was ist eigentlich mein Kompetenzprofil, was will ich? Diese Fähigkeit gilt nicht nur für den Einstieg, also für die Bewerbungsphase. Die Vorstellung lebenslanger Anstellung in einem Beruf ist nur noch für bestimmte Segmente der Gesellschaft Realität. Während sonst häufiger ‘berufliche Transition’, wie das in der Forschung genannt wird, erforderlich ist.

    ‘Transition’ bedeutet: neue Übergänge. Für die Älteren ist das eine besondere Herausforderung.

    Man darf Veränderung nicht nur als Bedrohung wahrnehmen, sondern auch als Chance. Das läuft auf einen Mentalitätswandel hinaus, weil es gerade für die ältere Generation schwer vorstellbar ist, mit so viel Unsicherheit im eigenen Leben umgehen zu können.

    Bisher war die zweite Hälfte des Berufslebens für viele Arbeitnehmer eine eher ruhige Phase. In einer sicheren und gut bezahlten Position konnte man die Früchte früherer Anstrengungen genießen. Heute sollen Mitarbeiter lebenslang weiter lernen - denn sonst wächst das Risiko, den Arbeitsplatz zu verlieren. Fragen kommen auf, die früher nur für junge Menschen in der Ausbildung wichtig waren, beobachtet der Berliner Bildungsforscher Corsten.

    Investiere ich auch in den richtigen Beruf? Investiere ich in die richtige Qualifikation? So dass das berufliche Tun immer wieder danach befragt wird, was kann ich damit im weiteren Werdegang schaffen? Es tauchen konkurrierende Skripte auf, und es gilt jetzt stärker für die Erwerbsperson abzuwägen, welchem Skript er folgt und welches Skript das Durchsetzungsfähigere in seinem beruflichen Handlungskontext ist.

    Auch Ältere brauchen die Chance, sich beruflich fortzubilden, sich zu entwickeln und zu verändern. Wenn sich Mitarbeiter mit Mitte 50 oder gar mit 60 entschließen, noch einmal neu zu starten, stärkt das nicht nur ihr persönliches Selbstwertgefühl, sondern bringt auch für ihr Unternehmen Vorteile, glaubt Michael Corsten.

    Wir machen viele Experteninterviews mit Abteilungsleitern, mit Personen, die mit der Einstellung von Personal betraut sind. Da ist die Frage der Loyalität eine wichtige Frage für jemanden, der Personal rekrutiert. Er möchte wissen, ob ich aus dem beruflichen Lebenslauf einer Person erkennen kann, dass der auch zuverlässig ist.

    Ältere sind meist stärker bereit, sich an eine Firma oder eine Institution zu binden. Das Bedürfnis nach Abwechslung und Experimenten ist gestillt, deshalb gibt es weniger ‘Überraschungskündigungen’.

    Es ist nicht mehr die lebenslange Perspektive, aber es ist auch nicht die Kurzzeit-Perspektive. Es ist eine Zeitperspektive, die dazwischen ist und die so etwas wie Zuverlässigkeit, Firmenloyalität, durchaus auch Flexibilität mit beinhaltet.

    Mit einem Problem allerdings hadern auch gutwillige Arbeitgeber: Ältere Mitarbeiter sind in der Regel teurer als jüngere. Das liegt an dem in Deutschland üblichen Senioritätsprinzip, das es in vergleichbarer Form nur noch in Frankreich gibt. Viele Tarifverträge garantieren Älteren unabhängig von ihrer Leistung ein höheres Gehalt. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht gilt das als schwer wiegendes Einstellungshindernis. Eine Umfrage der Zeitarbeitsfirma Randstad unter Personalentscheidern hat das gerade wieder bestätigt. Hans-Jörg Bullinger vom Fraunhofer-Institut:
    Ich glaube, wenn man sich mit den Menschen in diesen Unternehmen unterhalten würde, würde kaum jemand sagen, die waren nicht mehr leistungsbereit, die waren nicht mehr qualifiziert. Sondern es sind eher die Bedingungen, die von der Außenwelt mitgeformt werden.

    Langfristig gebe es keine Alternativen zur Einstellung Älterer.

    Es ist sicher richtig, dass in der Mehrzahl der Betriebe es eher so gehandhabt wird, dass man versucht, neues Wissen und neue Technologien über neue, gut ausgebildete Mitarbeiter zu beschaffen. Aber diese Strategie wird nicht mehr durchhaltbar sein. Natürlich haben wir eine hohe Zahl von Arbeitslosen, andererseits klagen die Betriebe über einen Fachkräftemangel, über mangelnde Qualifikation. Es wird davon gesprochen, dass ein ‘Krieg um die Talente’ ausgebrochen sei zwischen den Betrieben.

    Von der Verbesserung der Chancen von Älteren am Arbeitsmarkt ist seit Jahren die Rede. In vielen Unternehmen aber haben Bewerber über 40 oder gar über 50 nach wie vor keine Chance. Das könnte ein Grund sein für den Erfolg von Frank Schirrmachers Buch ‘Das Methusalem-Komplott’. Darin ruft der Mitherausgeber der ‘Frankfurter Allgemeinen’ zum ‘Aufstand’ gegen Jugendwahn und Altersdiskriminierung auf. Die Arbeitswissenschaftler glauben dennoch, dass nach vielen voreiligen und spekulativen Prognosen jetzt ein wirklicher Wandel einsetzt. IAO-Leiter Bullinger zieht ein optimistisches Fazit.

    Wir erleben in unserer Gesellschaft, dass die Menschen älter werden, was ja sehr positiv ist. Wir diskutieren das mit Bezug auf die Rentensysteme, aber wir müssen irgendwann begreifen, dass das auch für unsere Betriebe gilt. Das heißt, wir werden uns darauf einstellen müssen, dass die Belegschaften in den Betrieben älter werden. Und das wird dazu führen, dass wir uns Gedanken machen, wie wir auch, um es anschaulich zu sagen, mit einer ‘Rentnerband’ innovative und kreative Produkte entwickeln. Ich bin überzeugt, dass die älteren Jahrgänge in Zukunft eine größere Rolle spielen werden. Einmal weil die Erkenntnis wächst, dass gerade im Dienstleistungsbereich Erfahrungswissen, etwa im Umgang mit Kunden oder in der Leitung eines Projektes oder in einem Team, sehr wichtig sind.
    Und dass auf der anderen Sicht schlicht die Notwendigkeit der soziodemografischen Entwicklung uns dazu zwingen wird.