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Produktive Krabbler

Biotechnologie. - Was der Biosprit-Branche noch nicht gelungen ist, vollführen zahllose Lebewesen jeden Tag ganz selbstverständlich auf der Welt: Sie zerlegen Zellulose ohne Umstände in ihre Bestandteile und nutzen diese als Energiespender. Zum Leidwesen der Technologen sind die bei dieser Zersetzung zentralen Enzyme aber sehr teuer. Die Suche nach preiswerten Alternativen läuft auf Hochtouren. Ein deutscher Forscher in den USA setzt dabei auf produktive Krabbler aus tropischen Gefilden.

Von Ralf Krauter | 16.01.2009
    "Diese Gebäude jetzt hier links und rechts, das ist jetzt eigentlich mehr so die Verwaltung – und Bioinformatik sitzt da drin."

    Falk Warnecke arbeitet am Joint Genome Institute im kalifornischen Walnut Creek. Vom Studentenstädtchen Berkeley, wo der Mikrobiologe wohnt, braucht er mit Fahrrad und Zug eine knappe Stunde, um die Flachbauten des staatlichen Genomforschungszentrums JGI zu erreichen.

    "Also insgesamt hat JGI rund 200 Mitarbeiter. Ein bisschen mehr als die Hälfte davon ist in der Fabrik. Und ein bisschen weniger als 100 sind in der Forschung tätig."

    Die Fabrik, das sind Räume mit langen Reihen von Erbgut-Lesegeräten. Jede der schrankgroßen Maschinen hat Millionen gekostet. Ursprünglich angeschafft wurden sie, um das menschliche Genom zu entziffern. Heute bringen Forscher aus aller Welt hier biologisches Material vorbei, dessen Erbgut-Sequenz sie gern wüssten. Gen-Analyse am Fließband ist das Kerngeschäft des Instituts. Falk Warnecke ist froh, mit dieser Routinearbeit nichts zu tun zu haben. Der beeindruckende Gerätepark ist für ihn nur ein Werkzeug, um seine Forschung voran zu treiben. Und da stehen viel kleinere Dinge im Mittelpunkt, erklärt der junge Forscher und zeigt auf ein Plakat im Flur.

    "Das ist hier unser Termitenposter, wo so ein paar Bilder von einer Forschungsreise aus Costa Rica zu sehen sind. Das hier ist im Regenwald von Costa Rica, wo wir die Termiten also auch auseinanderbasteln – also wo daran gearbeitet wird, die Mikroben aus dem Darm zu isolieren."

    Gibt man einer Termite ein Blatt Papier zu fressen, produziert sie zwei Liter Wasserstoff. Ihr nur wenige Millimeter großer Verdauungsapparat ist darauf spezialisiert, Zellulose - den Hauptbestandteil pflanzlicher Zellwände – effizient zu zersetzen. Ein Kunststück, an dem sich Forscher bis heute die Zähne ausbeißen. Warnecke:

    "Termiten sind dafür bekannt, dass sie sehr effizient Holz abbauen, oder andere Pflanzenzellwand-Polymere. Das ist dann immer ein guter Ausgangspunkt. Also, wenn man in der Natur guckt, wo dieser Prozess halt sehr effizient abläuft. Und das Ziel war dann eben, mit molekularen Methoden die Enzyme zu identifizieren, die verantwortlich sind für diesen hocheffizienten Abbau von Zellulose – um diese Enzyme dann später einmal nehmen zu können für eine industrielle Produktion von Biokraftstoffen."

    Wer die in 300 Millionen Jahren Evolution optimierten Vorgänge im Termiten-Darm versteht, so die Hoffnung, der hätte ein Rezept, um Grünzeug und Pflanzenabfälle aller Art preiswert in Biosprit zu verwandeln. Die praktische Umsetzung dieser Idee ist allerdings nichts für schwache Gemüter. Um den braunen Krabblern in den Darm zu schauen, hat sie Falk Warnecke haufenweise tiefgefroren.

    "Man muss also mit zwei sehr spitzen Pinzetten die beiden Enden greifen und dann vorsichtig auseinander ziehen. Und dann kann man sozusagen den Darm komplett freilegen. Wir nehmen Kanülen, um den Darm auszustechen und so ein kleines Loch da rein zu stechen, um dann mit einer Pipette den Darminhalt aufzunehmen. Und das ist halt ein sehr kleines Habitat, also bloß ein Mikroliter ungefähr im Volumen. Das ist schon sehr schwierig. Da muss man eine ruhige Hand haben, um damit arbeiten zu können."

    Die winzigen Verdauungssaft-Tröpfchen haben es in sich - so das Ergebnis der maschinellen Analyse aller darin umher schwimmenden Erbgutschnipsel. Warnecke:

    "Das ist ein sehr diverses Habitat aus mikrobiologischer Sicht. Wir haben geschätzt, dass es da mehrere 100 verschiedenen Arten von Bakterien gibt. Das ist also keine so ganz einfache Gemeinschaft."

    Für die massenhafte Verwandlung von Grünzeug in Kraftstoff heißt das: Mit schnellen Patentlösungen ist nicht zu rechnen. Denn nur wenn es gelänge, die Zahl der Zutaten drastisch zu verringern, könnte die Zellulose-Verdauung nach Termitenart einmal in Bioreaktoren nachgeahmt werden. Warnecke:

    "Man muss auf jeden Fall versuchen, mit wenigen Enzymen auszukommen. Ein Enzym alleine wird wahrscheinlich nicht funktionieren, weil die Zellwand von Pflanzen sehr komplex auch ist. Die hat sehr viele verschiedene Bestandteile, also ein Enzym alleine kann das nicht abbauen. Aber man muss die Anzahl der Enzyme gering halten. Und das wird wahrscheinlich der springende Punkt sein. Man muss also mit einer überschaubaren Anzahl von Enzymen versuchen, einen Cocktail zusammen zu stellen, der die verschiedenen Bindungstypen innerhalb der Polymere knacken kann."

    Vielleicht enthält der Termitendarm ein wichtiges Rezept für die Energieversorgung der Zukunft. Es nutzbar zu machen, wird aber noch dauern.