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Profund mit der zu spielenden Musik auseinandersetzen

Die Pianistin Sophie Pacini gilt als junges Talent. Bei Schumanns Werk gelingt ihr eine ausdrucksstarke, tief von romantischem Geist durchwehte Interpretation, bei der vor allem die Farbenvielfalt bewundernswert ist.

Von Ludwig Rink | 25.03.2012
    Ähnlich wie beim Qualitätsradio, wo sich Intendanten, Direktoren und Redakteure immer mal wieder sorgenvoll Gedanken machen über das relativ hohe Durchschnittsalter ihrer Hörer, stehen auch die Manager von Opern- und Konzerthäusern vor der Frage, ob mit dem Dahinscheiden des heutigen, meist schon ziemlich grau- bis weißhaarigen Publikums auch das Sterbeglöcklein für den gesamten Klassikbetrieb läuten wird.

    Mit einer Vielzahl neuer Ideen versucht man jene Jüngeren für Musik zu gewinnen, denen sich die Welt der schönen Klänge wegen fehlender Berührungspunkte und Erlebnisse noch nicht geöffnet hat. Ein besonders wichtiger Part bei dieser Charmeoffensive fällt jungen Interpretinnen und Interpreten zu, denen es gelingt, mit ihrem Können Gleichaltrige zu begeistern.

    Zum Glück gibt es an solchen Talenten keinen Mangel. Und je ungezwungener und natürlicher sie mit der Sache umgehen, umso größer ihr Erfolg. Von einer solchen jungen Botschafterin soll heute Morgen die Rede sein: Es ist die Pianistin Sophie Pacini, die jetzt beim Label onyx neben dem Jeunehomme-Konzert von Mozart das Klavierkonzert a-Moll von Robert Schumann eingespielt hat – eine Produktion, die ihr als Preisträgerin eines Wettbewerbs im Schweizer Gstaad im letzten Jahr ermöglicht wurde.

    Mit von der Partie: die Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz unter Leitung des aus Polen stammenden Geigers und Dirigenten Radoslaw Szulc.

    Robert Schumann
    aus: Konzert für Klavier und Orchester a-Moll, op. 54
    Sophie Pacini, Klavier
    Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz
    Leitung: Radoslaw Szulc


    Auch wenn Sophie Pacini, die Solistin dieses Schumann-Klavierkonzertes, bescheiden sagt, nicht sie als Interpretin, sondern der Komponist und sein Werk solle im Vordergrund stehen, müssen jetzt einige Worte zu ihrem Werdegang erlaubt sein. Sie wurde 1991 als Tochter eines italienischen Literaturprofessors und einer deutschen Ärztin in München geboren. Zum Klavierspiel kam sie relativ spät mit sechs Jahren, doch schon bald wurde ihre fulminante Begabung erkannt: Neunjährig debütierte sie mit Haydns Klavierkonzert D-Dur, mit elf Jahren war sie bereits Jungstudentin am Mozarteum Salzburg bei Karl-Heinz Kämmerling, mit 13 wird sie in das Hochbegabteninstitut des Mozarteums aufgenommen, wo neben Klavier auch Improvisation, Gehörbildung, Harmonielehre, Tonsatz und Dirigieren unterrichtet werden. Seit 2007 studiert sie dort in der Meisterklasse von Pavel Gililov. Parallel dazu beginnt sie 2009 das reguläre Hochschulstudium im Konzertfach Klavier, das sie im letzten Jahr abgeschlossen hat, in einem Alter, wo andere nach dem Abitur gerade einmal mit dem Studium an einer Hochschule begonnen haben.

    Klar, dass eine solche Karriere auch bei hoher Begabung nicht ohne ständiges Üben und Steigerung der Fingerfertigkeit möglich ist. Doch Sophie Pacini ist es mindestens ebenso wichtig, sich profund mit der zu spielenden Musik auseinanderzusetzen, herauszubekommen, was hinter den Noten steht. Denn sie weiß, dass ein Nur-Instrumentalist, so virtuos, technisch-perfekt er auch sein mag, nie ein großer Musiker sein kann. In ihren eigenen Worten: "Ich will Interpret sein, kein Tasten-Kasper."
    Vernünftige Ansichten, profunde Ausbildung, gelungene Auftritte und gewonnene Preise – eine solide Basis.

    Doch über Sophie Pacini schwebt auch noch eine Art Schutzengel, der über den Beginn ihrer Karriere wacht. Es ist keine geringere als die berühmte argentinische Pianistin Martha Argerich, in der der "Klavierpapst" Joachim Kaiser die wohl "feurigste und virtuoseste Pianistin der Gegenwart" sieht. Martha Argerich hat die junge Pianisten ins Herz geschlossen, bereitet mit ihr Auftritte und Einspielungen vor, steht ihr mit Ratschlägen zum Pianistenberuf zur Seite. Seit der ersten Begegnung vor fast zwei Jahren ist eine Freundschaft entstanden, und die 70jährige Martha sagt zur 21jährigen Sophie: "Du erinnerst mich sehr an mich selbst."

    Im 2. Satz von Schumanns Klavierkonzert lässt sich Sophie Pacini deutlich mehr Zeit als viele ihrer Pianisten-Kollegen; ihr gelingt eine ausdrucksstarke, tief von romantischem Geist durchwehte Interpretation, bei der vor allem die Farbenvielfalt bewundernswert ist, die sie ihrem Instrument entlockt.

    Robert Schumann
    aus: Konzert für Klavier und Orchester a-Moll, op. 54
    2. Satz Anfang (auf Zeit)
    Sophie Pacini, Klavier
    Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz
    Leitung: Radoslaw Szulc


    Dieses Schumann-Klavierkonzert entstand in Etappen. Zunächst gab es nur den ersten Satz, der unter dem Titel "Fantasie für Klavier und Orchester" firmierte. Auch der heutige Schlusssatz war zunächst ein selbstständig für sich stehendes Rondo. Erst 1844 verband Schumann die beiden Einzelsätze durch das Intermezzo und schuf so das populäre Klavierkonzert, wie wir es kennen. Wobei das mit der Popularität auch erst später losging. Denn als Clara Schumann es zum Beispiel 1856 in London gespielt hatte, reagierte die schreibende Zunft unbarmherzig und meinte, dieses Werk werde wohl kaum die Chance auf eine zweite Aufführung haben, zumindest nicht in London.

    Was die Beliebtheit angeht, wissen wir heute, dass Schumanns opus 54 zusammen mit dem b-Moll-Konzert von Tschaikowsky in Sachen Klavierkonzert vermutlich den Spitzenplatz quer durch die gesamte Musikgeschichte einnehmen dürfte. Vielleicht verunsicherte den Londoner Kritiker ja auch die Art und Weise, wie Schumann hier das Soloklavier behandelt. Denn der schuf kein Bravourstück, wie es das 19. Jahrhundert liebte und zu Hunderten produzierte, sondern mied die permanente Dominanz des Klaviers, bei der das Orchester sich mit reinem Begleiten und dem Vortrag weniger eigener Abschnitte zufriedengeben muss.

    Schumanns Konzert ist nicht auf Nebeneinander, sondern auf Miteinander angelegt. Soli und Tutti stehen sich nicht wie getrennte Blöcke gegenüber, sondern durchdringen sich gegenseitig, oder, wie Clara, die Gattin des Komponisten es nach der Uraufführung notiert: "Das Clavier ist aufs feinste mit dem Orchester verwebt - man kann sich das Eine nicht denken ohne das Andere."

    Das gilt auch für den 3. Satz, den Sophie Pacini und die Musiker der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz relativ schnell nehmen. Dennoch bleibt auch hier genügend Zeit für sorgfältige Phrasierungskunst und intensive musikalische Gestaltung.

    Robert Schumann
    aus: Konzert für Klavier und Orchester a-Moll, op. 54
    3. Satz
    Sophie Pacini, Klavier
    Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz
    Leitung: Radoslaw Szulc


    Die Neue Platte – heute mit Sophie Pacini und der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz, die unter der Leitung von Radoslaw Szulc das Klavierkonzert a-Moll von Robert Schumann eingespielt haben. Beim letztjährigen Bremer Musikfest wurde Sophie Pacini mit dem Deutschlandfunk-Förderpreis ausgezeichnet; wir haben ihr angeboten, als eine Folge dieses Preises in unserem Kölner Kammermusiksaal ihre erste Solo-CD zu produzieren. Das wird nun im Juni geschehen; geplant sind hierfür Werke von Liszt und Schumann. So ist der Satz "von dieser jungen Pianistin werden Sie noch viel hören" kein diffuses Orakel, sondern ein Versprechen. Mit Wünschen für einen schönen Sonntag verabschiedet sich im Studio Ludwig Rink.